Wilstedt. Es geht weiter mit der Energiewende in Wilstedt: Während westlich von Wilstedt seit Jahren große Windräder Ökostrom produzieren, soll nun der östliche Rand des Dorfs Standort zweier Sonnenkraftwerke werden. Mitarbeiter des Hamburger Projektentwicklers WiNRG haben jetzt dem Gemeinderat ihre Vorstellungen für zwei Fotovoltaik-Freiflächenanlagen präsentiert.
Was ist geplant?
Projektleiter Moritz Riekert sprach von zwei Teilflächen, die zusammen 28,4 Hektar umfassen. Darauf sei Platz für PV-Module mit einer Gesamtleistung von 34 Megawatt, die im Jahr 34 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen sollen – bilanziell ausreichend für 8500 Vier-Personen-Haushalte. Im Vergleich zur fossilen Stromerzeugung würde dabei ein Ausstoß von 14.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases CO₂ im Jahr vermieden werden. Der Abstand zur Wohnbebauung betrage mindestens 200 Meter, nur bei einem Haus liege er bei 75 Metern.
Warum haben die Projektierer diese Flächen ausgeguckt?
Die bislang landwirtschaftlich genutzten Grundstücke haben allesamt relativ schlechte Böden. Auf der Skala möglicher Werte von 1 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut) liegen die Flächen bei 16 bis 33 Bodenpunkten. "Das gilt als benachteiligtes Gebiet", so Projektleiter Riekert, dort sei ohne Subventionen keine Landwirtschaft möglich. Die Flurstücke gehören sechs Eigentümern, von denen fünf aktive Landwirte sind. Auf der Potenzialkarte der Samtgemeinde Tarmstedt sind diese Flächen grün markiert, sie sind als "Restriktionsflächen I" eingestuft. Das macht sie laut Kriterienkatalog "bedingt geeignet", das ist die zweitbeste Bewertungsstufe. Ob und in welchem Umfang sie mit PV-Modulen bebaut werden dürfen, wird in jedem Einzelfall im Rahmen eines Bauleitverfahrens geprüft.
Was spricht noch für diesen Standort?
Die Nähe zu weiteren Solarparks, die der Projektentwickler in den Nachbargemeinden Bülstedt und Vorwerk verwirklichen will. Diese müssen nämlich in Quelkhorn an das 110.000-Volt-Hochspannungsnetz von Avacon angeschlossen werden, um deren Strom einzuspeisen. Allein das Umspannwerk, das WiNRG bauen muss, kostet vier Millionen Euro. Dazu kommt das in der Erde verlegte, etwa zehn Kilometer lange Stromkabel, für das rund eine Million Euro veranschlagt sind. Diese Anschlusskosten werden im Verhältnis geringer, wenn sie auf mehrere Solarkraftwerke aufgeteilt werden können.
Wie kam Wilstedt ins Spiel?
"Die Eigentümer der Flächen sind an uns herangetreten", so Projektleiter Riekert. Sie hätten mitbekommen, dass die Vorgespräche in Bülstedt und Vorwerk schon recht weit und viel versprechend gediehen waren.
Wie weit sind die Projekte in Bülstedt und Vorwerk?
Der Vorwerker Gemeinderat hat sich bereits dafür ausgesprochen, dass in Buchholz eine 42 Hektar große PV-Anlage errichtet werden darf. Nun muss die Samtgemeinde Tarmstedt den Flächennutzungsplan entsprechend ändern, und die Gemeinde Vorwerk muss einen Bebauungsplan aufstellen. In Bülstedt hat sich der Gemeinderat bereits mit dem Projekt befasst, es gibt aber noch keinen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Dort dreht es sich um eine Fläche von 38,8 Hektar und eine mögliche, direkt an das Wilstedter Projekt grenzende Erweiterungsfläche von 28 Hektar.
Wann gehen die Solarparks ans Netz?
Selbst bei dem am weitesten gediehenen Projekt in Buchholz rechnet Riekert mit einer Inbetriebnahme nicht vor 2027. Allein auf die Baugenehmigung müsse man zwei Jahre warten.
Würde sich Bau des Solarpark Wilstedt für sich alleine rechnen?
Eher nicht, sagt Projektleiter Riekert. Dazu wäre der Netzanschluss zu teuer. Für die PV-Kraftwerke selbst rechnet er mit Kosten von rund 800.000 Euro pro installiertem Megawatt.
Ist eine Bürgerbeteiligung geplant?
Dafür sei sein Unternehmen zwar offen, so Projektleiter Riekert, doch rate man Privatleuten und Kommunen von einer Beteiligung ab. Das liege an den nicht kalkulierbaren Einspeisevergütungen für den Solarstrom an diesem Standort, was die Risiken erhöhe. "Anders als bei Solarparks an Autobahnen und Schienenwegen bekommen wir hier nicht 20 Jahre lang einen fest vereinbarten Vergütungssatz", erklärt Riekert.
Profitieren die Gemeinden auf andere Weise?
Ja, sie bekommen eine Akzeptanzabgabe von 0,2 Cent je eingespeister Kilowattstunde. Das macht im Wilstedter Fall bei den bisherigen Annahmen 68.000 Euro im Jahr aus. Später kommt noch Gewerbesteuer dazu.
Wie sieht es mit dem ökologischen Nutzen des Wilstedter Projekts aus?
Bürgermeister Traugott Riedesel sieht einen ökologischen Gewinn allein darin, dass die PV-Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden. Außerdem werde Ökostrom erzeugt, mit dem Energiewende und Klimaschutz vorangetrieben würden. Die Vorgaben der Samtgemeinde sehen vor, dass die PV-Flächen extensiv bewirtschaftet werden sollen, Schafbeweidung und Bienenhaltung sollen ausdrücklich ermöglicht, die Biodiversität gefördert werden. Der Projektierer kooperiert dafür mit dem Verein Blühfelder, dessen Sprecher Jakob Schnackenberg in der Ratssitzung sagte: "Es war von Anfang unser Plan, die Flächen zu ökologisieren". Die PV-Anlagen seien eine einmalige Gelegenheit, um die angespannte Situation der Naturräume zu entlasten. Durch die geplanten Blühwiesen würden die PV-Flächen auch für die Menschen optisch attraktiver. Schnackenberg ist gleichzeitig einer der betroffenen Landbesitzer.