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Schlachtereien aus dem Landkreis Verden schicken ihr Knipp sogar bis nach Süddeutschland Ab durch den Wolf

Landkreis Verden. Die Tür geht auf, die Kundin kommt rein und sagt: „Ich hätte gern ein Kilo Pröddels.“ Bitte was? Carola Struß, seit nunmehr 27 Jahren bei der Fleischerei Kaufhold in Verden beschäftigt, muss schmunzeln, wenn sie wieder mal eine andere Bezeichnung für Knipp kennenlernt.
15.01.2016, 00:00 Uhr
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Von Jörn Dirk Zweibrock

Die Tür geht auf, die Kundin kommt rein und sagt: „Ich hätte gern ein Kilo Pröddels.“ Bitte was? Carola Struß, seit nunmehr 27 Jahren bei der Fleischerei Kaufhold in Verden beschäftigt, muss schmunzeln, wenn sie wieder mal eine andere Bezeichnung für Knipp kennenlernt. Galt diese regionale Spezialität, im Westfälischen auch unter dem Namen Stippgrütze bekannt, lange Zeit als Arme-Leute-Essen, wird sie inzwischen sogar als Delikatesse gehandelt. Nicht selten kommt es vor, dass die Mitarbeiter der hiesigen Schlachtereien eine Rolle Knipp nach München oder Stuttgart verschicken müssen. Quasi als kulinarischen Gruß aus der alten Heimat, aus Butenbremen, das so mancher Kreis Verdener aus beruflichen Gründen oder der Liebe wegen verlassen hat.

Folglich hat Bernd Kaufhold in den so genannten „R-Monaten“, also im Winterhalbjahr, alle Hände voll zu tun. Sind die angelieferten Schweinehälften zerlegt, Kopf und Schulter abgetrennt, werden sie eine Stunde lang bei 100 Grad im dampfenden Kessel vorgekocht. Später wandert das Ganze dann durch den röhrenden Fleischwolf, landet in Windeseile in der wannenähnlichen Mengenmulde.

Bernd Kaufhold steht in der Fleischerei, gibt breiige Hafergrütze zu der Masse hinzu, jagt schnell noch einige Zwiebeln durch den Wolf. „Gleich muss ich anfangen zu weinen“, scherzt er. Dann unternimmt er eine Reise ins Reich der Gewürze. „Majoran ist hier der Hauptträger“, verrät der Fleischer. Er hat das Knipp-Rezept von seinem Vater Horst, der vor 48 Jahren die Verdener Fleischerei gegründet hat, übernommen.„Ich habe ihn damals immer wieder gedrängt, das bis dato lang gehütete Familienrezept endlich einmal aufzuschreiben“, ist Bernd Kaufhold froh, dass sein Team und er mittlerweile längst um die Zutaten wissen, die es bedarf, um echtes Bremer Knipp herzustellen. Würz-Klassiker wie Salz und Pfeffer dürfen da natürlich nicht fehlen. Ebenso Piment.

Auch in der Fleischerei Stelling in Verden wird das ganze Jahr über Knipp verkauft. Martina von Kalkstein hantiert dort mit kiloschweren Knipprollen. „Einfach nur in der Pfanne gut anbraten. Aber kein Fett hinzu geben. Da ist schon Fett genug dran“, sagt sie lachend. Ob mit rustikalem Schwarzbrot und Gurke oder einer Portion kross gebratener Bratkartoffeln – „ist doch beides lecker“ findet Martina von Kalkstein. Wer Knipp möge, esse es eben auch, weiß Georg Lutsch, Geschäftsführer der Fleischerei Bilges in Verden. Er schwört auf die klassische Variante, mit einem Stück Schwarzbrot und einer Gewürzgurke auf dem Tellerrand.

Selbst im Süden der Republik erfreut sich die Spezialität aus Bremen und umzu größter Beliebtheit. „Gerade gestern sind bei uns wieder drei Bestellungen aus München und Stuttgart eingegangen“, freuen sich Monika und Holger Spanuth von der gleichnamigen Fleischerei in Etelsen. Ilse Mindermann (Metzgerei Mindermann in Achim) kann dies nur bestätigen: „Auch wir verschicken unser Knipp sogar ganz bis nach Bayern.“

Solche Lunch-Pakete werden auch in der Allerstadt Verden, vor allem in den „R-Monaten“, des Öfteren geschnürt. Doch bevor es soweit ist, die fertigen Knipprollen in die Post gegeben werden, muss Bernd Kaufhold das Grundmaterial am Füller, sprich der Füllmaschine, erst in den Darm pressen. „Wir bereiten hier auch Wildknipp, aus Dam- oder Rehwild zu“, verrät der Schlachter.

Später werde dann alles noch einmal im Kessel gegart. So ungefähr drei Stunden, bei rund 80 Grad. Die Drei-Kilo-Rollen oder 500-Gramm-Portionen wandern anschließend bei Carola Struß über die Fleischtheke. „Jetzt, in der Hauptsaison, gehen pro Woche leicht mal 50 Kilo Knipp weg“, freut sich Bernd Kaufhold, dass er seinen Kunden aus Nah und Fern damit eine kleine lukullische Freude bereiten kann.

Garen, Wolfen, Füllen, Garen – lautet die Faustformel in der Fleischerei. Kaufhold mag Knipp am liebsten, wenn es nach dem Anbraten mit brauner Kruste glänzt. „Wir haben die Fettzugabe in den vergangenen Jahren schon ordentlich runtergefahren. Früher wurden ja sogar Schweinebäuche und Schwarten zu Knipp verarbeitet“, blickt der Schlachter zurück. Und ein Kunde, der bei Carola Struß an der Fleischtheke steht, erinnert sich: „Mein Opa hat früher mal beim Arzt ein Blutbild machen lassen – einen Tag, nachdem er Knipp gegessen hatte. Der Doktor wollte ihn dann sofort ins Krankenhaus schicken.“ Diagnose: Pröddels.

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