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Verfahren gegen Zahlung von 5000 Euro eingestellt Edathy entgeht Verurteilung

Vor dem Landgericht Verden räumt Sebastian Edathy den Besitz von Dateien und Bildern mit nackten Kindern und Jugendlichen ein. Dadurch bekommt der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete die Einstellung des Prozesses. Er muss lediglich 5000 Euro zahlen, gilt aber weiterhin als nicht vorbestraft. Später revidiert Edathy: Seine Einlassung sei gar kein Geständnis.
03.03.2015, 00:00 Uhr
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Von Peter Mlodoch

Vor dem Landgericht Verden räumt Sebastian Edathy den Besitz von Dateien und Bildern mit nackten Kindern und Jugendlichen ein. Dadurch bekommt der Ex-SPD-Bundestagsabgeordnete die Einstellung des Prozesses. Er muss lediglich 5000 Euro zahlen, gilt aber weiterhin als nicht vorbestraft. Später revidiert Edathy: Seine Einlassung sei gar kein Geständnis.

Steht da der reuige Sünder, der gleich den Besitz von Kinderpornografie umfassend gestehen wird? Oder einer, der wieder nur trickst und rumlaviert? Nervös schaut Sebastian Edathy auf den Tisch der Anklagebank. Kurz nach dem Betreten der 2. Großen Strafkammer lässt der 45-Jährige seinen Verteidiger Christian Noll eine vorbereitete Erklärung verlesen. „Die Vorwürfe treffen zu“, heißt es dort. Er habe den in der Anklageschrift erwähnten Bildband und die CD besessen. Und: „Ich habe die entsprechenden Dateien auf Computer runtergeladen und auch eingesehen.“

Zum Schluss folgen zwei Sätze, die offenbar Gericht, Staatsanwaltschaft und vielleicht auch die Öffentlichkeit milde stimmen sollen. „Ich habe inzwischen eingesehen, dass ich einen Fehler begangen habe. Ich bereue, was ich getan habe.“ Die Worte Kinderpornografie und Jugendpornografie fallen indes nicht – ein Umstand, den Anwalt Noll später nutzen wird, um die Unschuld seines Mandanten zu betonen.

Den Text hatte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge in einem Telefonat mit Noll am Wochenende bereits als Voraussetzung für eine Einstellung abgesegnet. Vor Gericht erklärt der Strafverfolger am Montag auch offiziell, dass ihm das für seine Zustimmung zum vorzeitigen Ende des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage reicht. Für den Vorsitzenden Richter Jürgen Seifert ist die Sache damit eigentlich klar; er will den Prozess ohne Urteil einstellen. Und so verkündet er tatsächlich das schnelle Ende: Einstellung nach Paragraf 153 a Strafprozessordnung, weil das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung mit Zahlung einer Geldauflage wegfalle.

5000 Euro soll Edathy an den niedersächsischen Kinderschutzbund überweisen; er ist damit nicht vorbestraft. Die „geständige Einlassung“ des bislang straffällig nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten rechtfertige dieses Vorgehen ebenso wie die „recht geringe Anzahl von Bildern“. Im Übrigen sei Edathy schon durch den Verlust von Job und Ansehen gebrandmarkt genug, erklärt Seifert – nicht ohne eine eindringliche Mahnung an den prominenten Angeklagten loszuwerden: „Kinderpornografie ist kein Kavaliersdelikt.“ Die betroffenen Kinder würden in ihrer Würde und Entwicklung „erheblich geschädigt“. Das Fertigen einschlägiger Fotos und Filme sei ein „schwerer Missbrauch“.

Zwar werde Edathy keine derartige Handlung vorgeworfen, aber derartiges Material werde nur hergestellt, wenn auch ein Markt dafür vorhanden sei. „Jeder Mensch, auch Herr Edathy, hat eine zweite Chance verdient“, schließt der Richter aber versöhnlich. Er hoffe, dass sich der Angeklagte seines Fehlverhaltens bewusst geworden sei und künftig „solche Straftaten nicht wieder begeht“.

Keine halbe Stunde später kommen daran allerdings Zweifel auf. Edathys Geständnis scheint außerhalb des Gerichtssaals nicht mehr viel wert zu sein. „Ein Schuldeingeständnis ist damit nicht getroffen worden“, diktiert Verteidiger Noll in die Blöcke der Reporter. Zu den Inhalten der Dateien habe sich sein Mandant nicht geäußert, „insbesondere nicht eingeräumt, kinder- oder jugendpornografisches Material besessen zu haben“. Den Weg der Einstellung habe Edathy nur gewählt, um dieses „völlig unverhältnismäßige Verfahren, das nie vor einem Gericht hätte landen dürfen“, zu beenden. „Er ist froh, dass es nun vorbei ist.“ Ein Geständnis, stellt auch Edathy selbst auf seiner Facebook-Seite klar, habe er keineswegs abgelegt. Verteidiger Noll spricht von einem „Deal“, der es beiden Seiten ermöglicht habe, „gesichtswahrend aus diesem Verfahren rauszukommen“. Die Anklagebehörde hätte genug Probleme bekommen, seinem Mandanten die Taten überhaupt nachzuweisen.

Ein paar Meter weiter verfolgt Staatsanwalt Klinge diese – prozessual freilich folgenlose – Wende mit einem Kopfschütteln. Edathy habe vor Gericht doch eindeutig erklärt, dass alle Anklagevorwürfe richtig seien, betont der auf Kinderpornografie spezialisierte Ermittler. „Wenn er jetzt etwas anderes sagt, mögen manche vielleicht überrascht sein.“ Ihn selbst wundere allerdings gar nichts mehr.

Wenig Verständnis für Edathy herrscht auch in seiner eigenen Partei: „Wir sind fassungslos darüber, dass Sebastian Edathy keinerlei Reue erkennen lässt und sich mit keinem Wort an die Opfer wendet“, sagte der Vizevorsitzende Schäfer-Gümbel. Das Verhalten sei nicht mit den Grundwerten der Sozialdemokratie vereinbar. „Deshalb erwarten wir, dass Herr Edathy die SPD verlässt.“

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