Ohne den Straßenausbau in Achim-Ost, für den die Ratspolitiker am Dienstagabend mit dem Beschluss zur öffentlichen Auslegung den nächsten Schritt gegangen sind, wird Amazon nicht nach Achim kommen. Aber, ohne dass Amazon nach Achim kommt, werden die Straßen in Achim-Ost rund ums Gewerbegebiet Uesener Feld nicht ausgebaut. Und sie werden auch nicht ausgebaut, wenn Achim statt dieser Mega-Ansiedlung nun auf eine kleinteilige Entwicklung der Fläche setzt. Auf diese einfache Formel lässt sich der Stand des Ansiedlungsvorhabens bringen. „Nicht Achim siedelt Amazon an, sondern das geht deutlich über Achim hinaus“, sagte der städtische Verkehrsplaner Stefan Schuster in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung.
Er unterstrich damit die Tatsache, dass die Region Amazon ansiedelt und daher der Landkreis Verden sowie das Land Niedersachsen mit im Achimer Boot sitzen. Daher haben die Fraktionen einstimmig beschlossen, unabhängig von einer Amazon-Ansiedlung und dem Straßenausbau nun den Druck aufs Land zu erhöhen, um einen Ausbau der heute schon nicht funktionierenden Ueser Kreuzung zu erwirken. Denn natürlich hat das Ansiedlungsvorhaben insbesondere durch Mitarbeiter-Pkw Auswirkungen auf die Ueser Kreuzung. Außerdem will der Rat, wie berichtet, mit einem Antrag aller Fraktionen Bürgermeister Rainer Ditzfeld den Rücken stärken in den Gesprächen mit der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr sowie dem Land Niedersachsen.
Helfen soll die Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth (SPD), die sich jetzt mit einem Brief an Wirtschaftsminister Bernd Althusmann gewandt hat, um auf die Situation in Uesen hinzuweisen. Zwar geht die Stadt Achim davon aus, dass das Land nun endlich Hand an die Kreuzung seiner zwei Landesstraßen anlegen will, „aber eine Garantie dafür gibt es nicht“, sagte Schuster vor der Rekordbeteiligung von rund 120 Bürgern im Ratssaal. Andererseits glaubt der Achimer Verkehrsplaner, „dass die Landesbehörde die Verkehrsuntersuchung der Ueser Kreuzung nicht nur aus Spaß gefordert hat“. Wie er sagte, hätten spätestens durch das Amazon-Interesse „alle Beteiligten die Zeichen der Zeit erkannt“.
Ausbau der Ueser Kreuzung drängt
Das Dilemma, dass eine Amazon-Ansiedlung im Uesener Feld vermutlich eher vereinbart ist, als eine Entscheidung zur Ueser Kreuzung fällt, deren Umbau das Land bezahlen müsste, wird aus Sicht vieler Anwohner Uesens zum Problem. Sie kämen zum Teil jetzt schon kaum mit ihren Autos von den Grundstücken und äußerten sich in den Einwohnerfragestunden während der Sitzung daher sehr skeptisch. Auch wenn sowohl der Verwaltungsvorstand als auch die städtischen Planer und der externe Verkehrsgutachter Heinz Mazur (Büro PGT) mehrfach wiederholten, dass mit dem Straßenausbau Achim-Ost – der die Verbreiterung der Landesstraße 156, der Autobahnzufahrten, zusätzliche Abbiegespuren und eine zweite Zufahrt zum Uesener Feld beinhaltet – die verkehrliche Gesamtsituation trotz des Auto- und Lkw-Zuwachses durch Amazon besser werde. Es meldeten sich aber aus der Einwohnerschaft auch Befürworter der Ansiedlung zu Wort, die darin eine Chance für Achim erkennen.
Laut Mazur wurde das schlechteste Szenario berechnet, dass jeder Amazon-Mitarbeiter, davon soll es in Achim in Hochzeiten bis zu 3600 geben, mit dem eigenen Auto anreist. „Das wird aber in der Realität nicht eintreffen“ ist sich Mazur sicher, denn das sei bei anderen Amazon-Logistikstandorten bisher auch nicht der Fall. Und doch will es Amazon so berechnet haben. Denn der Onlinehändler möchte natürlich einen reibungslosen Ablauf sowohl auf den Arbeitswegen seiner Mitarbeiter als auch auf den Transportwegen gesichert wissen. So sei es etwa in Winsen so, dass 55 Prozent der Belegschaft mit Bus und Bahn zum Logistikzentrum und wieder nach Hause fahren.
Das mochte Wolfgang Heckel (WGA) nicht glauben, er kann sich mit dem Verkehrskonzept nicht anfreunden, betonte er und beantragte, die öffentliche Auslegung um vier Wochen nach hinten zu verschieben, damit sich die Fraktionen in die umfangreichen Unterlagen einarbeiten könnten. Er blieb in der Abstimmung darüber allerdings einziger Fürsprecher seines Antrags und stimmte später auch als einziger Politiker gegen die öffentliche Auslegung, während sich Volker Wrede (CDU) enthalten hatte. Wrede selbst hatte für die Christdemokraten den Antrag stellen wollen, die Max-Naumann-Straße (derzeit eine Sackgasse mit Wendehammer) durch eine Verlängerung über Hassel bis zur Leipziger Straße durchzubauen, um eine Verbindung außerhalb Uesens zu schaffen. Ein Vorschlag, der bereits vor Jahren diskutiert wurde und nicht zustande kam, weil die CDU der SPD nicht folgen wollte. Nun die Kehrtwende der CDU, aber ihr Antrag wurde nicht zugelassen, weil er einen Bebauungsplan berührt, der in der Sitzung nicht zur Debatte stand.
Apropos Bebauungsplan: Noch einmal ganz deutlich führte die Verwaltung aus, dass der Rat einst die Gewerbefläche Uesener Feld für eine Logistik-Ansiedlung auserkoren hatte und, dass daher seit 2013 ein rechtsgültiger Bebauungsplan für das Gelände besteht. „Bräuchte Amazon die zweite Zufahrt nicht, könnten sie dort sofort loslegen, wenn sie sich an den B-Plan halten“, sagte Verkehrsplaner Schuster. Ein Bürger schlug in die gleiche Kerbe: „Anderswo machen Großbetriebe dicht und hier reden wir über solch eine Ansiedlung, das ist ein Luxusproblem.“ Karl-Heinz Freitag vom Wirtschaftsbeirat vermutete, dass sich bei einigen Bürgern allein wegen des Namens Amazon die Nackenhaare aufstellten. „Würde sich hier Spedition Meyer aus Ingolstadt niederlassen wollen, würde es diesen Aufschrei nicht geben“, sagte er. Er sei froh, „dass Amazon kommt, auch wenn ich es mir nicht gewünscht habe“.
Die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans für die Verkehrsentwicklung Achim-Ost geschieht vom 26. Februar bis zum 27. März. In dieser Zeit können Bürger im Rathaus fragen zum Vorhaben stellen und Stellungnahmen abgeben.