Die ganz große Überraschung war es dann nicht mehr: Der Achimer Stadtrat hat am Donnerstagabend mit Mehrheit – bei 26 zu 9 Stimmen und 2 Enthaltungen – den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 65 „Verkehrsentwicklung Achim-Ost“ gefasst. Damit ist der Straßenumbau an der Landesstraße 156 und der Autobahnanschlussstelle beschlossene Sache und der Weg für die Ansiedlung eines Amazon-Logistikzentrums auf dem Gewerbegebiet Uesener Feld frei. Nun ist es am Unternehmen, den nächsten Schritt zu gehen und in Absprache mit Projektentwickler Garbe den Bauantrag zu stellen.
Vor knapp 60 Bürgern hatte Achims Erster Stadtrat Bernd Kettenburg im Ratssaal zunächst noch die Vorteile einer Ansiedlung in dieser Größenordnung aufgeführt und betont, dass er und die Verwaltung mehr Chancen als Risiken in dem Vorhaben sehen. „Es klopft nicht jedes Jahr ein solches Unternehmen an die Tür der Achimer Wirtschaftsförderung“, sagte er und fügte hinzu, dass Amazon „sicherlich weitere Betriebe anzieht“. Die durch die Amazon-Mitarbeiter steigenden Verkehrsbelastungen, die es heute schon in dem Gebiet gibt, seien in den Griff zu bekommen. Der nun auch zur Entlastung der Ist-Situation beschlossene Straßenausbau ist laut Kettenburg zudem für die Stadt kostenneutral. Das hätte seinen Worten nach nicht geklappt, wenn das Gewerbegebiet kleinteilig sowie nach und nach bezogen wird. Der Straßenausbau habe immerhin ein Volumen von rund vier Millionen Euro.
Unter Top-5-Steuerzahlern
Zudem erinnerte er die Ratsleute daran, dass an einem Achimer Amazon-Standort 300 hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstehen würden, während die Zielvereinbarung zwischen Bürgermeister Rainer Ditzfeld und dem Rat 25 Arbeitsplätze pro Hektar beinhaltet. „Das wären im Uesener Feld insgesamt 450, wir hätten mit Amazon allein 300 im hoch qualifizierten Sektor und noch 2000 weitere.“ Amazon zahle mindestens 500 000 Euro Gewerbesteuern jährlich und würde somit zu den Top-5-Gewerbesteuerzahlern in Achim zählen. „Weil sie Mieter wären, fließt die Gewerbesteuer auch vom ersten Tag an“, sagte er. Andere Betriebe hätten zunächst keine Gewinne, sondern hohe Abschreibungen wegen ihrer Investitionen. Das gesamte Gewerbesteueraufkommen in Achim beläuft sich auf rund 19 Millionen Euro jährlich.
Bevor es zur Abstimmung kam, äußerten sich die einzelnen Fraktionen. Für die SPD erklärte ihr Fraktionschef Herfried Meyer, dass Amazon durch die Vielzahl der Arbeitsplätze für gering Qualifizierte die Sozialkassen entlaste, in die Achim per Kreisumlage einbezahlen muss. Die Gruppe SPD/Mindermann habe sehr genau recherchiert, um sich ein Bild zu machen, Amazon könnte zu „einer Werkbank der Region“ werden. Aber der ÖPNV müsse bedarfsgerecht an den Standort herangeführt sowie ein Feldweg zum Radweg gemacht werden.
Die neue Fraktionsvorsitzende der CDU, Isabel Gottschewsky, machte deutlich, dass man nun über einen B-Plan zum Straßenausbau zu beschließen habe. „Was Amazon für ein Arbeitgeber ist und wie mit den Mitarbeitern verfahren wird, ist unsere Sache nicht“. Denn die Grundlage, dass sich ein Betrieb im Uesener Feld ansiedeln könne, sei vor ein paar Jahren mit der Ausweisung des Gewerbegebiets geschaffen worden. „Es wäre nun kontraproduktiv, dem nicht zuzustimmen.“ Gleichwohl in der CDU, wie berichtet, nicht alle ihrer Meinung sind. So sagte etwa Annameta Rippich, dass sie gegen den B-Plan ist, weil sie das Verkehrskonzept für nicht schlüssig hält. „Ich bin nicht gegen Amazon, aber gegen Amazon an dieser Stelle“, betonte sie. Zwiegespalten sind auch die Achimer Grünen, Ute Barth-Hajen etwa stört sich an Amazon als Arbeitgeber und möchte „lieber den Mittelstand stärken“.
Auch Zweifel am Verkehrskonzept
Wolfgang Heckel führte im Namen der WGA aus, dass die Fraktion Vorbehalte habe und das Verkehrsgutachten nicht nachvollziehen könne. „Dass die heute schon schlimme Situation durch den Straßenausbau und Amazon besser wird – das muss uns erst einmal einer belegen“, sagte Heckel.
Ingo Müller (FDP) äußerte, dass man zu Amazon stehen mag, wie man will. Aber: „Wir reden hier über ein Verkehrskonzept.“ Und nun hätte man die Möglichkeit, den Verkehr, der kommt und den man genau kennt, zu planen.
Wie berichtet, will Amazon einen Mietvertrag für 15 Jahre unterschreiben, Eigentümer des Logistikzentrums mit dem Namen BRE 1 wird Garbe Industrial Real Estate sein. Das Gebäude besteht aus einer für Amazon maßgeschneiderten dreistöckigen Halle und wird 40 000 Quadratmeter des Grundstücks einnehmen. Im Normalbetrieb werden bis zu 2000 Angestellte dort beschäftigt sein, für das Weihnachtsgeschäft sollen es bis zu 3600 sein. Wenn nun nichts dazwischen kommt, rechnet Amazon damit, dass das Unternehmen im ersten Quartal des Jahres 2020 in Achim in Betrieb gehen kann. Ursprünglich hatte Amazon bereits das Weihnachtsgeschäft 2019 mitnehmen wollen und musste bereits Verzögerungen in Kauf nehmen.