Landkreis Verden. Der Naturschutzbund (NABU) ist grundsätzlich für die Förderung nachwachsender Rohstoffe als wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels. Angesichts des aktuellen Booms von Biogasanlagen zeichnen sich jedoch in einigen Regionen Entwicklungen ab, die aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes ein erhebliches Konfliktpotenzial beinhalten und die Artenvielfalt bedrohen.
"Vermaisung stoppen - Artenvielfalt fördern". Uwe Baumert, stellvertretender Landesvorsitzender des Naturschutzbundes (NABU) hat auf eigene Kosten kleine Kalender mit diesem Leitsatz drucken lassen. Die Kalender verschenkt er, um für seine Kampagne zu werben: Die Botschaft kommt an – und hat dem Naturschützer bundesweite Popularität gebracht. Nicht nur das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete über Baumert, sondern auch etliche Fernsehsender und Zeitungen baten um Interviews zum Thema. Außerdem berät der NABU-Vertreter das Bundesumweltministerium in dieser Frage: Am Montagabend war Baumert nun Gast einer SPD-Wahlveranstaltung in Sottrum und nahm auch hier kein Blatt vor dem Mund, um seiner Forderung Nachruck zu verleihen. Hintergrund der Debatte ist der anhaltende Boom von Biogasanlagen in allen Regionen – aber ganz besonders im Landkreis Rotenburg. 140 Anlagen gibt es dort – damit gehört die landwirtschaftliche geprägte Region landesweit zu den TOP 3 in diesem Bereich. Was die Anhänger regenerativer Energien vielleicht freut, ärgert immer mehr Naturschützer. Denn der Biogasanlagenboom hat weitreichende Folgen für die Natur – da Biogasanlagen bevorzugt mit der Nutzpflanze Mais "gefüttert" werden, ist der Maisanbau beträchtlich gesteigert worden. Allein im Landkreis Rotenburg sind 63 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen – also deutlich mehr als die Hälfte – mit Mais bestückt, betonte Baumert und zeigte Fotos aus Regionen, wo auch weiterhin Grün- und Ackerland für den Maisanbau ungehindert umbrochen wird. "Das kann und darf so nicht weitergehen", fordert Baumert. Ansonsten drohe der weitere Verlust von Artenvielfalt.
Verlust der Artenvielfalt
Als Beleg führte er an, dass es noch vor zehn Jahren 11 Brutpaare der Wiesenweihe im Kreis gegeben habe, heute ist der Vogel in der Region nicht mehr anzutreffen. Auch das Rebhuhn "mag keinen Mais", so Baumert, ebenso wie die Schleiereule oder der Weißstorch, die in den Monokulturen keine Nahrung finden. Lediglich das Schwarzwild (Wildschweine) habe sich beträchtlich vermehrt, aber das sei wiederum in vielen Regionen zum neuen Problem geworden. Obendrein habe sich die Gülleausbringung zur Düngung dieser Felder enorm ausgeweitet – Baumert zeigte dazu ein Foto von einem abgeernteten Maisfeld mit Gülle durchtränkten Furchen. Der NABU–Vertreter wollte aber nicht nur die Problemfelder aufzeigen, sondern auch Lösungsmöglichkeiten anbieten. Grundsätzlich begrüßt auch der Naturschutzbund die Förderung nachwachsender Rohstoffe zur Bekämpfung des Klimawandels. Nur müsse verstärkt darauf geachtet werden, dass für eine nachhaltige, umweltschonende Energieversorgung der Anbau von Biomasse nach den Kriterien einer naturverträglichen Landwirtschaft erfolgen muss. "Nur durch die Einhaltung ökologischer Mindeststandards kann der gute Ruf nachwachsender Rohstoffe auch in Zukunft gewährleistet werden", so Baumert. Vor diesem Hintergrund hat der NABU Niedersachsen einen umfangreichen Forderungskatalog erstellt, der unter anderem den sofortigen Stopp für Neugenehmigungen von Biogasanlagen bis zur Vorlage einer Regionalplanung beinhaltet. Gleichzeitig müsse der Anteil einer Fruchtart als Grundlage für die Energiegewinnung in der Biogasanlage auf maximal 50 Prozent beschränkt werden – Energiepflanzen wie Sonnenblumen, Malven oder die Silphie wären mögliche Alternativpflanzen, die Insekten Nahrung bieten und deren Anbau über finanzielle Anreize gefördert werden könnte.
Es war nicht überraschend, dass der Maßnahmenkatalog des NABU in der gut besuchten SPD-Veranstaltung für reichlich Diskussionsstoff sorgte. Während der Sottrumer SPD-Chef Klaus-Dieter Klotz dringend ein Umdenken anmahnte, weil der "ländliche Raum durch die Monokulturen bedroht ist", hielt der Verdener Kreislandwirt Jörn Ehlers dagegen. Ehlers bestätigte zwar, dass der Vortrag sehr viel "Nachdenkenswertes" enthalte. "Diese Diskussion geht auch an uns Landwirten nicht spurlos vorbei", so Ehlers. Dennoch sei dieses Standbein der Energiegewinnung für viele Landwirte unverzichtbar. Von der Förderung von Alternativpflanzen erwartet Ehlers keine Lösung, da der Flächenbedarf für deren Anbau noch größer sei. Positiv bewertete dagegen SPD-Landtagsabgeordneter Ralf Borngräber die NABU-Initiative. "Wir benötigen ganz klar eine Alternative zum Mais und zur Rübe als Energiepflanzen. Ich sehe ein Ende im Gelände für neue Biogasanlagen", so Borngräber.