Rotenburg. Um seinen Bürgern Klimaschutz und nachhaltige Mobilität näher zu bringen, geht der Landkreis Rotenburg neue Wege: Er bringt Elektro-Autos unters Volk.
Nach einem Beschluss des Kreistags unter der früheren Mehrheitsgruppe aus SPD, Grünen und Wählergemeinschaft hat der Landkreis ein Förderprogramm auf die Beine gestellt, das in dieser Form wohl einmalig sein dürfte: Zehn Tage kostenlos und unverbindlich kann jeder aus dem Kreisgebiet, der einen Führerschein hat, ein modernes Elektroauto Probe fahren.
Zumindest theoretisch, denn die Nachfrage übertrifft die Erwartungen der Verantwortlichen und erst recht deren Möglichkeiten: Schon in den ersten drei Tagen nach Bekanntgabe des Projekts gab es 300 Bewerbungen, und bis Freitag haben sich mehr als 600 Menschen beworben. 46 von ihnen werden insgesamt zum Zuge kommen bis zum Ende der Aktion. „Ich habe mit so einer guten Resonanz nicht gerechnet, insbesondere nicht im ersten Quartal“, sagt Ulrike Jungemann, die das Projekt beim Landkreis betreut. Altersmäßig seien alle Gruppen vertreten.

Ulrike Jungemann.
Die erste Verlosung soll kommende Woche stattfinden, Glücksfee werde die Klimaschutzmanagerin Meike Düspohl sein. Zur Verfügung stehen ein Jahr lang zwei eigens geleaste VW-Elektroautos: ein e-Up (82 PS, Reichweite 120 Kilometer) und ein e-Golf. Dieser hat 115 PS und eine Reichweite von etwa 160 Kilometern, soll aber so schnell wie möglich gegen das in Kürze lieferbare Nachfolgemodell mit 136 PS und rund 230 Kilometern Reichweite ausgetauscht werden. Dabei kooperiert der Landkreis mit dem Tarmstedter Autohaus Warncke, das sich bei einer Ausschreibung gegen zwei Mitbewerber durchgesetzt hat. Der Autohändler übernimmt die gesamte Abwicklung, also auch die Reinigung der Fahrzeuge und die Übergabe an die Nutzer und deren Einweisung.
Start am 6. Februar
Um das Stromauto-Projekt im Landkreis bekannt zu machen, wurden die beiden VWs auffällig gestaltet: „10 Tage unter Strom, teste mich“ steht in großen grünen Buchstaben an den Seiten der beiden Autos, dazu weist ein grüner Stecker samt Kabel am Heck auf die Antriebstechnik hin. Außerdem wurde ein Aufruf angebracht, der offensichtlich eher ein jüngeres Publikum ansprechen soll: „Bewirb dich unter www.lk-row.de“. Ab dem 6. Februar sollen die Stromwagen an die Gewinner übergeben werden. Die Hälfte des Kontingents werde unter Bewerbern mit Ehrenamtskarte verlost. Alle Teilnehmer dürfen in einem Feedbackbogen angeben, was ihnen gefallen und was sie gestört hat. „Wer nicht dabei ist, bekommt bei der nächsten Quartalsverlosung eine neue Chance“, erklärt Jungemann, die nach ihrer ersten Fahrt mit einem E-Auto schwärmt: „Der fährt sich total leise, richtig entspannt.“
„Wir wollen mit diesem Projekt für eine nachhaltige und klimafreundliche Mobilität werben“, sagt Landrat Hermann Luttmann. Elektroautos seien eine Zukunftstechnologie, die sich auch im ländlichen Raum durchsetzen werde, betont der Verwaltungschef. Er selbst sei zwar noch nie in einem Stromauto gefahren, wolle das aber bald nachholen. Schließlich habe der Landkreis zwei Dienstwagen vom Typ BMW i3, die von Mitarbeitern „gerne genutzt werden“, so Luttmann.
"Das ist wirklich sehr beeindruckend"
Das Projekt findet längst auch außerhalb des Landkreises Beachtung. Aus Hannover schreibt Anja Piel, Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag: „Gerade im ländlichen Raum ist Werbung für Elektromobilität entscheidend für den Erfolg des Projektes moderne Mobilität.“ Wolfgang Huber, der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, gratuliert: „Herzlichen Glückwunsch zu diesem nächsten Schritt in der Elektro-Mobilisierung des Landkreises, das ist wirklich sehr beeindruckend!“ Markus Spiekermann vom Bremer Carsharing-Anbieter Move About sagt: „Toll, wenn man e-Autos mal länger probieren kann.“
Dass der Elektromobilität die Zukunft gehöre, sei unbestritten. Spannend bleibe der Weg dorthin, sagt Marco Prietz, Sprecher der neuen Mehrheitsgruppe aus CDU, Wählergemeinschaft und FDP im Rotenburger Kreistag, auf Anfrage. Die große Resonanz auf die Verlosung des Landkreises zeige, dass viele Bürger neugierig seien und gern einmal Erfahrungen mit E-Autos sammeln möchten. Das mache Mut für den weiteren Ausbau der E-Mobilität.
Entscheidend für den Durchbruch von Elektromobilität blieben die Faktoren Reichweite, Anschaffungspreis und Ladeinfrastruktur, sagte Sprecher Prietz. Kommunen und Unternehmen könnten vor allem mit der Schaffung von Ladesäulen und dem Einsatz von E-Autos in ihren Fuhrparks Beiträge leisten. Auch im Landkreis Rotenburg werde der Ausbau der Elektromobilität eine immer wichtigere Aufgabe, was auch im Koalitionsvertrag festgehalten sei.