Ein wenig sah es danach auch, als wollte sich Simon Gloger verstecken. Er saß auf der überdachten Auswechselbank des TSV Etelsen und war dort kaum noch zu entdecken. Gloger nahm als Fußballer der Schlossparkkicker am 31. Mai ein letztes Mal Platz auf der Bank des Landesligisten. Denn der Kapitän hat sich von seinem Herzensverein verabschiedet. Berufsbedingt ging er diesen Schritt. Er arbeitet nun im Hamm und lebt in Münster.
Bevor er sich am 31. Mai – der TSV Etelsen traf an jenem Freitagabend zum Saisonabschluss auf den FC Hagen/Uthlede – auf die Bank setzte, stand er aber noch einmal 82 Minuten lang auf dem Platz. Dann nahm Trainer Björn Mickelat den Mannschaftsführer vom Feld und brachte Marcel Siegler. Es war keine alltägliche Auswechslung: Die gesamte Etelser Mannschaft stellte sich zum Spalier auf, um ihren Kapitän zu verabschieden. Vom Feld begleitet wurde Gloger zudem vom Applaus der Zuschauer.
Dass es danach so wirkte, als wollte er sich auf der Auswechselbank verstecken, hatte Gloger gar nicht so empfunden. "Ich weiß auch gar nicht mehr, was mir da so alles durch den Kopf gegangen ist", sagt Gloger einige Tage nach seinem Abschiedsspiel am Schlosspark. Vielleicht habe er in diesem Moment einfach ein bisschen Ruhe gebraucht. Denn es war ein sehr emotionaler Freitag für den 31-jährigen Fußballer, der beim TSV Etelsen zehn Jahre lang die Außenbahn beackert hat. "Schon auf dem Weg zum Sportplatz habe ich mit mir gekämpft", gewährt Gloger einen Blick in seine Gefühlswelt.
Es sollte sich sogar noch steigern. In der Kabine bei der letzten Besprechung sei es sehr emotional gewesen. Dort wurde ihm eine ganz besondere Kapitänsbinde übergeben: eine knallorangene, mit der Aufschrift 211. Das ist die Anzahl an Ligaspielen, die Gloger nach Recherchen der Etelser für den TSV absolviert hat. "Das mit der Binde war schon eine sehr coole Geste. Die hat in der Vitrine schon ihren Platz gefunden", erzählt Gloger. "Es hat mich extrem gefreut, die Binde zu bekommen."
Und nicht nur über die Kapitänsbinde hatte er sich gefreut. Auch über die Abschiedszeremonie nach dem Hagen-Spiel war er glücklich. Als dabei sein langjähriger Mitspieler Christopher Petzold und Nils Goerdel, der Gloger über seine gesamte Etelser Zeit in verschiedenen Funktionen begleitet hat, Reden für den Kapitän gehalten haben, "war das schon sehr ergreifend", sagt Gloger.
Sowohl Petzold als auch Goerdel hoben hervor, dass sich der 31-Jährige während seiner Zeit in Etelsen menschlich enorm entwickelt habe und in sportlicher Hinsicht stets Verlass auf ihn gewesen sei. Beide machten unmissverständlich klar: Mit Simon Gloger hat auch eine der Identifikationsfiguren den Verein vom Schlosspark verlassen.
Dass er dem Verein so lange die Treue hielt, hat einen großen Anteil an dieser Wertschätzung. In der Saison 2011/2012 tauchte sein Name erstmals im Landesligakader des TSV Etelsen auf. Ein Jahr später verschwand er aus diesem jedoch wieder. Gloger wechselte zum Rivalen FC Verden 04. Damals habe er das Gefühl gehabt, dass er von Trainer Bernd Oberbörsch nicht genügend Chancen bekommen habe. "Da war ich schon extrem gefrustet. Ich wollte als junger Spieler einfach mehr Spielpraxis", nennt er den Grund für seinen Wechsel.
In Verden blieb er zwei Jahre und kehrte zurück an den Schlosspark. Dort hielt es ihn dann eine Dekade lang. Mal waren die Zeiten erfolgreich, mal weniger. Den sportlichen Tiefpunkt mit Etelsen erlebte Gloger im Sommer 2018. Die Schlossparkkicker stiegen in die Bezirksliga ab. Gloger verließ den TSV aber nicht. "Sicher gab es mal in den vergangenen Jahren die eine oder andere Anfrage. Ob ich nach der Saison aber ernsthafte Gespräche mit einem anderen Verein geführt habe, weiß ich gar nicht mehr", sagte Gloger. "Etelsen war schon damals mein Herzensverein. Ich wollte die Suppe mit auslöffeln und nicht den einfachen Weg gehen."
Für diesen Entschluss wurde er zwei Jahre später belohnt: Mitten in der Corona-Pandemie ging es zurück in die Landesliga. "Ich bin damals übrigens auch mit Verden abgestiegen und noch ein Jahr geblieben", erinnert sich Gloger. Überhaupt sei der Wechsel an die Aller in der Nachbetrachtung der richtige Schritt gewesen. "Ich bin mit einem anderen Standing und als reiferer Mensch zurückgekommen. Die Etelser hatten damals selbst gesagt, dass sie mich falsch eingeschätzt haben."
Phasenweise deutete sich sogar an, dass der Sprung in die Oberliga gelingen könnte – was jedoch nicht geschah. Dass er mit den Schlossparkkickern nie fünftklassig gespielt hat, bedauert der 31-Jährige nicht: "Traurig bin ich darüber nicht. Die Landesliga ist eine super Liga. Und ich kann mich selbst auch ganz gut einschätzen: In der Oberliga wäre ich an meine Grenzen gestoßen. Auch für den Verein wäre das ein sehr großer Schritt gewesen."
So entwickelte sich Simon Gloger vor allem in der Landesliga mehr und mehr zum Führungsspieler. "Ich habe mit den Jungs so viele Gespräche geführt, die mich geprägt haben. Führung zu übernehmen, hat mir auch außerhalb des Fußballs sehr geholfen", sagt Gloger, der in Etelsen vor allem das "besondere Umfeld" stets geschätzt hat. "Es sind so viele Leute im Verein ehrenamtlich tätig, die alles geben. Auch wenn man von diversen Leuten auf das Sportliche angesprochen wurde, hat mir das immer ein gutes Gefühl gegeben."
Nun ist der TSV Etelsen – zumindest aus rein sportlicher Sicht – für Simon Gloger Geschichte. Sie endete emotional, aber auch ein wenig gegen die Normalität im Fußball. Denn als er gegen den FC Hagen/Uthlede das Feld verließ, gab er seine Kapitänsbinde nicht an einen Mitspieler ab. Sie baumelte halbgeöffnet noch an seinem Arm, als er sich scheinbar auf der Auswechselbank unter dem kleinen Dach versteckte. Dabei wollte Gloger wohl nur den Moment der Ruhe und seine finalen Minuten mit den Schlossparkkickern genießen.