Die Männer zechten seit Stunden im Schatten des Kreissparkassen-Containers am Berliner Ring. Der Vorrat an Wodka und Bier ging bedenklich zur Neige, die Nachschubquelle lag so nahe. Dass sich der Angeklagte den Elektroscooter des Kumpels schnappte, um damit auf dem Parkplatz die Ministrecke zum Discounter zurückzulegen, sollte sich jedoch als fatale Entscheidung herausstellen. An jenem Oktoberabend vergangenen Jahres waren nämlich zufällig Polizeibeamte vor Ort, und die zogen den fahruntüchtigen, vielfach vorbestraften Verdener flugs aus dem Verkehr. Beim Amtsgericht fing sich der ohne Verteidiger erschienene 35-Jährige jetzt prompt die nächste Verurteilung ein.
Wegen Trunkenheit im Straßenverkehr wurde ihm nach zügiger Verhandlung eine Freiheitsstrafe von vier Monaten aufgebrummt, ausgesetzt zur Bewährung. Es hätte auch schlimmer kommen können. Richter Jan-Hendrik Stein entsprach mit dem Strafmaß dem Antrag des Vertreters der Staatsanwaltschaft. Die Herren waren sich am Ende einig und berücksichtigten auch, mit der gebotenen Vorsicht, die Beteuerungen des gerade wieder arbeitslosen Angeklagten, bei ihm gehe nun wirklich „alles bergauf“. Man verzichtete darauf, diesbezüglich noch Rücksprache mit der zuständigen Bewährungshelferin zu halten.
Stattliches Vorstrafenregister
Oberstaatsanwalt Thomas Löding hatte eine Zeitlang durchaus erwogen, diesmal eine Haftstrafe ohne Bewährung zu beantragen. „Eigentlich müssten Sie ins Gefängnis“, erklärte er in seinem kurzen Plädoyer mit Verweis auf das stattliche Vorstrafenregister des Verdeners und besonders die Tatsache, dass er zum Zeitpunkt des stockbetrunken unternommenen E-Scooter-Trips schon unter Bewährung gestanden hatte. „Sie können sich nicht zusammenreißen, Saufen geht vor.“ Aber Löding wollte dem geständigen und reumütigen Mann auch Glauben schenken, „dass er wohl insgesamt doch auf einem guten Weg ist“.
Erst Mitte 2021 war der Angeklagte wegen Beleidigung zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Dem Vernehmen nach war er gegenüber Zugpersonal ausfallend geworden, nachdem man ihn ohne Ticket erwischt hatte. Beleidigungen haben ihm schon öfter Geldstrafen eingebracht, wie der obligatorische Blick ins Bundeszentralregister (BZR) ergab. Verurteilt wurde er, vorwiegend vom hiesigen Amtsgericht, unter anderem auch wegen Drogenstraftaten, Diebstahls und Hehlerei. Losgegangen war es 2006 mit drei Wochen Jugendarrest wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung. Im BZR sei schon ein reichliches Spektrum „abgearbeitet“, bemerkte Richter Stein.
Ehrenamtliche Arbeit
Mit den drei Monaten auf Bewährung war ihm im Sommer auch aufgegeben worden, 150 Stunden ehrenamtliche Arbeit abzuleisten. Dies geschieht nach Kenntnissen von Gericht und Staatsanwaltschaft in einer "segensreichen Verdener Einrichtung" zu allgemeiner Zufriedenheit. Vielleicht kann er daran gleich nahtlos anknüpfen, denn auch diesmal ging es nicht ohne eine solche Auflage ab. Bis Ende Mai muss er noch einmal 80 Stunden ableisten, um sich nicht in erneute Schwierigkeiten zu bringen.
Und im Idealfall lässt er künftig die Finger von Alkohol und Betäubungsmitteln. Als er damals auf dem Parkplatz, mithin im öffentlichen Verkehrsraum, mit dem E-Scooter herumkurvte, befand er sich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit. Dies zeigte der sofortige Atemalkoholtest und bestätigte später die an der Medizinischen Hochschule Hannover vorgenommene Analyse der Blutprobe: rund 1,9 Promille. Das Standardscreening habe zudem, so hieß es, einen Hinweis auf Cannabiskonsum erbracht. Mit der strafbaren kleinen Fahrt im betrunkenen Zustand habe er sich wegen der laufenden Bewährung in eine „schwierige Situation“ gebracht, so der Richter. „Zeigen Sie, dass es wirklich bergauf geht“, riet er dem Angeklagten. „Nochmal kriegen Sie von mir keine Bewährung."