Es ist still auf der hinteren Terrasse des Imkerzentrums im alten Hirtenhaus. Trotz der Nähe zur Verdener Innenstadt sind weder Verkehr noch sonstiger Stadtlärm zu hören. Nur das Summen und Brummen der Bienen, die in ihren Stock hinein- und wieder herausfliegen, ist zu hören. Auf dem Boden vor den Bienenstöcken liegen zahlreiche tote Bienen, das sei allerdings kein Grund zur Besorgnis, wie Wilhelm Haase-Bruns, stellvertretender Vorsitzender des Imkervereins Verden, erklärt: "Das sind Drohnen, also männliche Bienen, die nicht mehr gebraucht werden. Im nächsten Frühjahr werden neue gemacht, so müssen sie über den Winter nicht ernährt werden."
Die Bienenstöcke gehören zur praktischen Ausbildung der Jungimker. In den vergangenen Monaten konnte der Imkernachwuchs wegen der Pandemie nur online geschult werden, jetzt soll die Praxis folgen. Mehr als 50 Frauen und Männer haben mit der Ausbildung begonnen, im praktischen Teil bekommt jeder ein Bienenvolk, 18 erfahrene Imker kümmern sich um die Neulinge. Das ist aber nur eine der Funktionen, die der Verein mit dem Imkerzentrum verbindet. Auch Fortbildungen für Bienenfreunde hat es bereits gegeben, dazu kommen Veranstaltungen für Schulen und Kindergärten. Geplant ist auch eine Dauerausstellung zur Entwicklung der Imkerei, für die der Verein jüngst ein paar etwa 100 Jahre alte Bienenkörbe erwerben konnte. Sogar eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Biologie der Uni Bremen ist geplant. "Dort forscht man auch in Sachen Bienenkunde. Die Leute dort sind an einer Kooperation mit uns sehr interessiert", erklärt Haase-Bruns.

Diese etwa 100 Jahre alten Bienenkörbe sollen Teil einer Ausstellung werden.
Marode Bausubstanz
Seit Mai ist das Imkerzentrum auf der grünen Wiese direkt an der Aller fertig. Anfang 2018 hatten Umbau und Sanierung des maroden Gebäudes begonnen. "Wie schlimm der Zustand damals war, haben wir erst gemerkt, als wir mit der Sanierung angefangen haben", erinnert sich der stellvertretende Vorsitzende. Fotos aus der Anfangszeit dokumentieren den Zustand. Durchgefaulte Balken sind ebenso zu sehen wie labile Wände. So wurde eine Seitenwand des heutigen Lagerraums wegen des schlechten Zustands kurzerhand umgeworfen und neu gemauert. "Wir haben riesige Mengen Schutt und Dreck aus dem Haus geschafft", erzählt Haase-Bruns. Das Stroh, dass aus dem Dachboden entfernt werden musste, füllte alleine fünf Treckeranhänger. Das Material, vermischt mit Lehm, sei zwischen den Deckenbalken gewesen, um die Zwischenräume abzudichten. Zum Teil, so Haase-Bruns, fanden die Imker bei der Arbeit alte Steine, die aus der Verdener Stadtmauer stammen könnten. "Teile der Stadtmauer wurden ja in früheren Zeiten abgerissen, die Steine haben sich die Leute dann weggeholt", erzählt er. Wie alt das Hirtenhaus letztlich ist, kann er nicht abschätzen. Denkbar sei, dass es erst als Fährhaus und erst später als Hirtenhaus genutzt worden sei. "Das wollen wir alles noch im Stadtarchiv überprüfen", kündigt Haase-Bruns an.

Früher eine marode Bauruine, erstrahlt das Imkerhaus nach zwei Jahren Arbeit wieder.
Jedenfalls stand das heutige Imkerzentrum anfangs auf wackligen Füßen. "Wir mussten erstmal 30 Tonnen Beton ins Fundament gießen, damit das Haus sicher stehen konnte. Insgesamt seien etwa 200.000 Euro ins Imkerzentrum geflossen, Spenden und Eigenanteil an den Arbeiten inklusive. "Ohne die zahlreichen Materialspenden hätten wir das gar nicht geschafft", betont Haase-Bruns.
Geschützt hinter Glas
Durchdacht ist jedenfalls die Terrasse mit dem Lehrbienenstand. Bei Veranstaltungen für Schulen oder Kitas können die Kinder hinter einer Glasscheibe geschützt sitzen, während die Imker draußen bei den Bienen etwas erklären. Besonders stolz ist der Verein auf den Schleuderraum. Die Einrichtung besteht komplett aus Edelstahl und erinnert an eine sterile Küche. Neben der üblichen Handschleuder, mit der per Kurbel der Honig aus den Waben geschleudert wird, gibt es neuerdings auch eine automatische Maschine. "Die Jungimker sollen aber erst lernen, die Handschleuder zu bedienen", sagt Haase-Bruns und lacht. Außerdem hat der Vereine eine Presse angeschafft, mit der neue Waben aus Wachs gepresst werden können. "Früher mussten wir immer neue Waben bestellen und wussten nie, ob da nicht Reste von Chemikalien oder Antibiotika enthalten waren. Wenn wir unsere eigenen Waben wiederverwenden, sind wir auf der sicheren Seite", sagt Haase-Bruns. Das Honigschleudern in diesem Jahr haben die Verdener Imker bereits beendet. Das Bienenjahr geht zuende, zurzeit bereiten sich die Völker auf den Winter vor. "Jetzt bekommen die Bienen ihr Winterfutter und werden gegen die Varroamilbe behandelt", beschreibt Haase-Bruns die verbleibenden Arbeiten.
Offiziell eröffnet wird das Imkerzentrum wohl erst 2022. Musste eine Feier – auch zum 150-jährigen Bestehen des Vereins – wegen der Pandemie verschoben werden, planen die Bienenfreunde aus Sicherheitsgründen bereits fürs kommende Jahr.