Es war bitterkalt, aber immerhin ließ sich die Sonne blicken, als sich am Sonnabendvormittag auf dem Flugplatz in Verden-Scharnhorst ein ausladendes X formierte. Dort vermuten die sieben Bürgerinitiativen (BI) gegen Gasbohren und Fracking das Epizentrum der drei Erdbeben vom 20. November. Mit möglichst vielen roten Xen, dem Symbol der Widerstandsbewegung, sollte dort konsequenterweise auch ein riesiges X den Unmut und die Forderungen der BIs zum Ausdruck bringen.
Unter dem Motto „Lasst uns ein Zeichen setzen!“ hatte die Bürgerinitiative Walle gegen Gas-Bohren zu der auf eine Stunde begrenzten Aktion aufgerufen. Deren Sprecher Martin P. Busch wusste sich mit den Mitgliedern der sechs anderen BIs auf einer Linie, als er vor knapp 100 Teilnehmern den acht Punkte umfassenden Forderungskatalog verlas. In einer gemeinsamen Pressemitteilung hatten sich Walle, Völkersen (No Fracking), Lintler Geest (Gegen Gasbohren) Intschede (Wesermarsch ohne Bohrtürme), Langwedel (Gegen Gasbohren), Thedinghausen/ Achim (Rote Hand) und Bassen/Oyten (NoGas) in der vergangenen Woche schon klar positioniert.
Die Epizentren der bislang schwersten Erdbeben im Kreisgebiet hätten sich „alle innerhalb der Schutzzone II im Wasserschutzgebiet Panzenberg“ befunden. „Diese Tatsache wird der Öffentlichkeit gegenüber bisher verschwiegen." Die Befürchtung: Mit den Beben könne eine „deutliche Gefährdungserhöhung für das Grundwasser“ in diesem Gebiet einhergegangen sein. Schließlich habe der Energieversorger Wintershall Dea dort „in der Vergangenheit rund 300 000 Kubikmeter Lagerstättenwasser verpresst“. Dieses könnte über „Aufstiegspfade“ in das Grundwasser gelangen und es verseuchen.
Forderungsliste
„Die sofortige Einstellung der Förderung von Erdgas in Trinkwasserschutzgebieten“ steht denn auch an der Spitze der Forderungsliste. Es folgen „Ein Verbot für weitere Bohrungen nach Erdgas“ und der „Aufbau eines umfassenden Messsystems zur Erfassung weiterer Beben“. Die BIs wollen darüber hinaus – unter anderem – auch die Einführung einer verbindlichen Umweltweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für alle bestehenden Förderstellen erreichen, und sie fordern „rechtliche und politische Voraussetzungen für einen Ausstieg aus der Erdgasförderung in unserer Region und anderswo und zeitgleich“ sowie den Ausbau regenerativer Energiequellen“. Zudem müsse „auch und gerade nach dem Ende der Erdgasförderung“ der Ausgleich künftiger Schäden sichergestellt werden.
Die Bürgerinitiativen dürfen sich der Unterstützung der Bewegung Fridays for Future (FFF) gewiss sein. Diese war am Freitag bei der Verdener Demo sehr deutlich geworden. Im langen Zug vom Bahnhof bis zum Allerpark waren eine Fülle der markanten roten X mit der Aufschrift „Keine Gasförderung“ auszumachen. Die FFF-Ortsgruppe Verden, die den globalen Klimastreik vor Ort organisierte und rund 1200 Teilnehmer registrierte, hat in Zusammenarbeit mit den BIs auch einen offenen Brief an die Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth (SPD) überreicht – und per Mail an den Bundesgeordneten Andreas Mattfeldt (CDU) gesandt.
Darin richten sie sich mit den besagten Forderungen direkt an die zuständigen Landes- und Bundesminister und verweisen nachdrücklich auf die „schwerwiegenden Folgen“ der hiesigen Erdgasförderung, „Folgen mit nicht kalkulierbaren Risiken für Mensch und Umwelt“.
Dörte Liebetruth war auch am Sonnabend in Scharnhorst zur Stelle und konnte bereits zusagen, dass sich etwas tun werde. Die Landtagsfraktionen von SPD und CDU hätten vor einigen Tagen beschlossen, „wie der Vorrang des Gesundheits- und Trinkwasserschutzes vor der Erdgasförderung durchgesetzt werden soll“. Der Fraktionsbeschluss wird am heutigen Montag in den öffentlich tagenden Umweltausschuss eingebracht, Mitte des Monats soll er das Landtagsplenum passieren.
Die Bürgerinitiativen veranstalten in Kooperation mit der Stadt am Mittwoch, 11. Dezember, eine Informationsveranstaltung in der Verdener Stadthalle. Ab 19.30 Uhr geht es um Fragen zu Erdbeben generell, mögliche Schäden sowie rechtliche Aspekte.