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Denkmalschutz "Alte Häuser sind auch ein Wirtschaftsfaktor"

Heinz Riepshoff, Landessprecher der IG Bauernhaus, fordert in Verden mehr Einsatz für den Erhalt historischer Bauten. Die sogenannten Focke-Häuser hätten gerettet werden können, sagt er.
02.09.2021, 16:05 Uhr
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Von Andreas Becker

Den Abbruch der sogenannten Focke-Häuser in Verden hat Heinz Riepshoff – anders als viele andere – mit zwiespältigen Gefühlen verfolgt. Der Landesbeauftragte der Interessengemeinschaft (IG) Bauernhaus in Niedersachsen kritisiert, dass die Anzahl der Häuser, die in Verden noch den Baustil des 16. Jahrhunderts zeigen, immer weniger wird. "Das ist im Grunde nur noch eine Handvoll Häuser, darunter zwei in der Fischerstraße, das sogenannte Ackerbürgerhaus und die Focke-Häuser", erklärt der Experte, der sich seit Jahrzehnten mit historischen Bauten beschäftigt.

Zwar stammen etwa 75 Prozent der Häuser in der Großen Straße und den Nebenstraßen aus dem 16. Jahrhundert, die Fassaden seien aber im 19. und 20. Jahrhundert ersetzt oder verkleidet worden. Dadurch sei der damalige Baustil zumindest von vorne nicht mehr zu erkennen. "Alte Häuser sind auch ein Wirtschaftsfaktor, gerade in einer Stadt mit einer so langen Geschichte wie Verden. Wenn die Gebäude erstmal weg sind, sind sie nicht mehr zu ersetzen", warnt Riepshoff. In diesem Zusammenhang räumt Riepshoff mit der Bezeichnung "Ackerbürgerhaus" auf, denn Ackerbürger habe es in Verden gar nicht gegeben. "Die gab es nur in den Dörfern, in Verden lebten Handwerker, Kaufleute, Böttcher", sagt der Experte, der selbst früher in dem Haus Strukturstraße 7 gelebt hat. 

Historischen Bestand erfassen

Der 75-Jährige kommt zu dem Schluss, dass "die historische Bausubstanz in Verden nicht so geschätzt wird, wie es sein könnte". Seit Jahren plädiere er für ein Hauskataster in Verden, in dem der historische Bestand erfasst werde. Andere Städte gleicher Größe seien da wesentlich weiter. Ein weiteres Problem seien die Beschränkungen des Denkmalschutzes. Selbst das Landesamt für Denkmalpflege sei nicht in der Lage, bewahrenswerte Häuser wirklich zu schützen. "Die Denkmalpflege in Niedersachsen geht immer mehr den Bach runter, aber das ist offenbar politisch gewollt. Immer mehr Kompetenzen werden auf die Städte und Landkreise übertragen, und da ist es immer schwieriger, unabhängige Entscheidungen im Sinne des Denkmalschutzes zu treffen, weil die Politik häufig eigene Interessen hat", argumentiert Riepshoff. Er sagt aber auch, dass es beim Erhalten alter Gebäude Grenzen gebe. "Nicht alle alten Kästen sind erhaltenswert".

Riepshoff hofft, dass auch beim Abriss der Focke-Häuser dem Denkmalschutz entsprochen wurde. "Man darf ein Haus nicht einfach wegschieben, sondern muss die Bausubstanz dokumentieren. Zwei Sachverständige müssen hinzugezogen werden, einer für den Bau, der andere für die verwendeten Farben an den Wänden. Das Landesamt für Denkmalpflege ist erpicht darauf, diese Farben zu dokumentieren, da sich wichtige Rückschlüsse daraus ziehen lassen", beschreibt Riepshoff die Vorgaben. Riepshoff hat selbst die Focke-Häuser untersucht. 1999 sei das gewesen, im Auftrag der damaligen Bezirksregierung in Lüneburg. "Damals war schon ein Loch im Dach, durch das es reingeregnet hat", erinnert er sich. Danach habe er die Stadt aufgefordert, die undichte Stelle abzudichten. Das wäre ohne großen Aufwand machbar gewesen, aber passiert sei nichts, kritisiert er. "Die Stadt Verden hätte schon damals der Eigentümerin eine Frist setzen sollen und danach selbst aktiv werden", betont Riepshoff. "Das hätte nicht viel gekostet, und das Haus könnte heute noch stehen. Einem jahrzehntelangen Wassereinbruch kann kein Haus widerstehen."

Problematische Mischung

Die Mischung aus einer "unzugänglichen Eigentümerin und einer zögerlichen Stadtverwaltung" habe zu den Problemen geführt, die letztlich in den Abriss gemündet hätten. Wobei aus historischer Sicht nur das Haupthaus interessant gewesen sei. "Das Gebäude wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut und war ein sogenanntes Bürgerhaus." Überwiegend wurde es nach den Quellen als Wohnhaus genutzt, in den Jahren vor dem Leerstand als Lagerfläche. Das Nebengebäude war ein ehemaliger Schafstall, der im 19. Jahrhundert auf dem Land abgebaut und neben das Wohnhaus gesetzt wurde. "Dann haben die damaligen Eigentümer ein Stockwerk aufgesetzt und das Dach wieder montiert", erzählt Riepshoff. Der Liebhaber historischer Bauten hofft, dass "die Stadt aus Schaden klug wird". Angesichts des zunehmenden Leerstands in der Fußgängerzone, vor allem in der Süderstadt, sei er aber skeptisch.

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