Verden. Es war ein magischer Moment in der noch jungen Darts-Karriere von Michael Bolland: Beim Turnier in Porta Westfalica checkte der 53-Jährige mit seinen 24 Gramm leichten Darts des Weltklassespielers Dave „Chizzy“ Chisnall 137 Punkte und landete durch dieses furiose Finish auf dem so wichtigen neunten Platz. Dieser genügte nämlich, um sich in der Gesamtrechnung der Niedersachsenrangliste nach sechs Veranstaltungen den elften Rang zu sichern und somit sensationell das Ticket für das German Masters in Kirchheim zu buchen.
In der Nähe von Frankfurt wird der Familienvater nun vom 14. bis 16. Juni die Farben der Dart Dragons TV Weser Rieda vertreten. In der noch jungen Geschichte des Vereins hat es einen derartigen Erfolg noch nie gegeben. „Es war mein erster Versuch, mich für dieses Riesenevent zu qualifizieren. Von daher war es für mich schon stark“, betont Bolland.
Die rund 300 kilometerlange Strecke nach Kirchheim wird der Tattoo- und Werder-Fan alleine antreten. Niemand dürfe ihn in der Vorbereitung auf das wichtigste Turnier seiner erst fünfjährigen Laufbahn stören. Konzentration sei sein Zauberwort. Die wird auch bitter nötig sein, denn die Konkurrenz ist stark – viele Hochkaräter aus der gesamten Bundesrepublik gehen an den Start. In der Vergangenheit gingen unter anderem Michael Unterbuchner, der im Verband BDO bereits ein WM-Halbfinale erreicht hat, oder Kevin Münch, der bei der WM 2018 im legendären Ally Pally völlig überraschend den zweifachen Weltmeister Adrian „Jackpot“ Lewis bezwang, an den Start.
Der in Dörverden lebende Bolland gilt bei seiner Premiere als großer Außenseiter. Ein frühes Aus möchte er aber unbedingt vermeiden. „Mit ein wenig Losglück ist es schon möglich, zwei Runden zu überstehen“, sagt der 53-Jährige selbstbewusst und ergänzt: „Es geht auch darum, dass ich Erfahrung vor einem großen Publikum sammeln kann. Diese Veranstaltung ist ein großer Sprung für mich.“
Als Bolland vor fünf Jahren das erste Mal zu den Darts gegriffen hatte, blieb sein heutiges Talent zunächst lange Zeit verborgen. Die Leistungsexplosion deutete sich vor zwei Jahren an. Durch tägliches Training verbesserte sich „MiBo“, er nahm an Turnieren teil und hat jetzt mit den German Masters die große Chance, den Durchbruch auf nationaler Ebene zu schaffen. Dafür müsse er jedoch an seine Leistungsgrenze kommen. Wenn es super läuft, spielt Bolland einen Punkteschnitt von knapp 90 Punkten pro Aufnahme – also mit drei Pfeilen. Damit gehört er in Niedersachsen zu den besten Spielern seiner Zunft. Als Dartsprofi geht der Bäcker aber noch lange nicht durch, zu viel Zeit verbringt er in der Backstube.
Sein Wecker klingelt um 23 Uhr, kurz danach beginnt die Arbeitsschicht. Um 10 Uhr ist Feierabend. Zu Hause angekommen wirft der 53-Jährige dann im heimischen Dartszimmer ein paar Pfeile, kurz darauf geht er für drei Stunden ins Bett. Am Abend wird dann dreimal wöchentlich in der Vereinshalle trainiert. Es sei nicht einfach den Bäcker-Job und den Dartssport unter einen Hut zu bringen. Vor allem an Sonnabenden steht die Arbeit im Vordergrund – ausgerechnet dann, wenn die meisten Turniere in der entscheidenden Phase sind. Den großen Traum vom Alexandra Palace – in der legendären Halle in London wird jährlich die WM des Verbandes PDC ausgetragen – hat der gebürtige Delmenhorster trotzdem noch nicht aufgegeben: „Es wird sehr schwierig, aber ich habe den Ehrgeiz, es zu versuchen. Dafür müsste ich allerdings mehr spielen.“
Bessere Karten habe dagegen sein 18-jähriger Sohn Til, der ebenfalls gute Darts ins Board wirft. „Ich hoffe, meinen Sohn in den Ally Pally zu bringen“, sagt Bolland lachend, der aktuell noch der etwas bessere Spieler der beiden ist. Die Zeit und die Strukturen des deutschen Dartverbandes sprechen jedoch für den Nachwuchsspieler. „Die Deutschen haben aktuell große Schwierigkeiten an die Weltspitze heranzukommen, weil der Sport hier einfach nicht so gefördert wird, wie beispielsweise in den Niederlanden oder in Großbritannien. Aber im Jugendbereich wird es langsam besser“, erklärt Bolland.
Mit diesen Problemen muss sich „MoBo“ bis zum Jahres-Höhepunkt jedoch nicht beschäftigten. Denn nun gilt es noch intensiver – soweit es die Zeit zulässt – zu trainieren, damit beim German-Masters in Kirchheim weitere magische Momente folgen, um vielleicht irgendwann einmal im Alexandra Palace auf sein großes Vorbild Gary Anderson antreten zu dürfen.