Das war anders als alles, was je zuvor im Verdener Dom erklungen ist: Ein Messekonzert, bei dem die drei großen monotheistischen Weltreligionen friedlich neben- und miteinander zu Worte kamen. Aufgeführt wurde der interreligiöse Zyklus "Missa Melasurej" vom Asambura-Ensemble, dem Vokalconsort Leipzig, der Bremervörder Kinder- und Jugendkantorei St. Liborius und einer Verdener Kindergruppe der kurdischen Vereinigung Hebun.
Die Idee der Missa, deren Name auf hebräische und arabische Weise rückwärts gelesen das Wort "Jerusalem" ergibt, stammt von Maximilian Guth. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter des internationalen Asambura-Ensembles. Neben ihm waren Ehsan Ebrahimi, Justus Czaske und Abdulrahim Aljouja an der Komposition beteiligt. Jerusalem stand in diesem Werk im Fokus, zugleich als spirituelles Zentrum der drei Religionen sowie als Stadt im Brennpunkt des Nahost-Konflikts.
Messe stammt von Komponist Palestrina
Musikalischer Ausgangspunkt des Zyklus ist die "Missa Papae Marcelli" des Renaissance-Meisters Giovanni Pierluigi da Palestrina, der im Jahr 1562 mit dieser Komposition die Kirchenmusik rettete: Sein Werk überzeugte den damaligen Papst so sehr, dass er sein generelles Verbot polyfoner Gesänge in der Kirche zurücknahm.
Unter Leitung von Franziska Kuba erklangen die Messegesänge Palestrinas und die Gebete sowie Gesänge der jüdischen und islamischen Tradition. Mit dem ersten Teil "Babylonia" leitete ein christlich-orthodoxer Gesang aus der Region des heutigen Syrien und ein jüdisches Melodiefragment, beides gesummt und in komplizierter Einsatztechnik übereinander geschichtet, das Konzert ein. Eine Flageolett-Sequenz des Cellos mündete in vielsprachigen Gebetstexten.
Das Asambura-Ensemble entfaltete schließlich sein ganzes rhythmisches und spieltechnisches Geheimnis: Das Marimbafon wurde mit dem Bogen gestrichen, heiser flüsternde Streichertöne erklangen und eine Bassklarinette imitierte den Laut des Schofar. Mit der arabischen Zither Santur und der aus Persien stammenden Oud waren der Gitarre und der Laute zwei klanglich ganz einzigartige Schwestern beigefügt. Zudem spielte eine Violinistin in einigen Sätzen die Kamantsche, also die Stachelfiedel der persischen und aserbaidschanischen Tradition. Die Musiker des Ensembles beherrschten die ganze Vielfalt ihres interkulturellen Instrumentariums und brachten Klänge hervor, die das Publikum in ganz neue Musikwelten entführten.
In der raumgreifenden Kraft und Energie des Chores, oft ergänzt durch die hell aufblühenden Kinderstimmen von der Orgelempore, entfaltete sich die geistliche Würde und Substanz der Palestrina-Messe ebenso wie ihre Klarheit und bewegende Schönheit.
Auf ein arabisches Friedensgebet mit so vielfältiger wie geheimnisvoller Instrumentalbegleitung folgte das jüdische Segensgebet "Hawdala" mit einem Violinen- und Klarinettenduo im wehmütigen Moll der jüdischen Musiksprache. Auf ein ruhevolles arabisches Gedicht, klar vorgetragen vom Solisten Hamidreza Rahnavard, folgte eine geradezu leidenschaftliche, mitreißende Interpretation des Kaddish-Gebets. Danach ließen die Musiker einen Instrumentalsatz voll aufregender rhythmischer Akzente erklingen.
Schließlich wurden die Gebete aller drei Religionen ineinander geflochten; die Kinder hoben von der Empore mit einem leisen, auf einem Ton gesungenen "Credo in unum deum" die entscheidende Gemeinsamkeit der drei Religionen hervor. Immer noch weiter steigerte sich die Energie und ein spannender Moment entstand mit dem wieder von Rahnavard vorgetragenen Gedicht "Sabaoth", dessen ekstatischer Tonfall sich unter dem zarten "Sanctus, Sanctus" des Chores in einem Crescendo bis hin zu hohen, in Silben ausgestoßenen Schreien steigerte. Dem angstvollen Hilferuf folgte ein in seiner Ruhe umso berührenderes "Agnus Dei". Mit der 2000 Jahre alten Bitte um Frieden, gefolgt von wieder geflüsterten Gebeten, schloss das Konzert, nach dem das Publikum noch in ehrfürchtigem Schweigen verharrte.