Was machen Musiker, wenn Corona ihnen all ihre Pläne vermasselt? Sie nehmen eine CD auf. Auch die Big Band des Domgymnasiums hat die Zwangspausen der vergangenen Jahre dazu genutzt, eine Reihe von Videos in Online-Sessions zu produzieren, die nun zu einer weihnachtlichen CD zusammengefügt werden. Und dass die Fans dabei Profi-Qualität erwarten dürfen, hat zwei Gründe.
Zum einen spielen die Mitglieder der Big Band des Domgymnasiums auf bekannt hohem Niveau. Viele von ihnen erproben und erweitern ihr Können alljährlich beim Nachwuchsfestival Jugend jazzt des Vereins Verdener Jazz- und Bluestage, in dem Bandleader Michael Spöring selbst für die Organisation des Festivals verantwortlich zeichnet. Zum anderen konnte Spöring, der die Big Band im Jahr 2005 übernommen hatte, im Zuge der Förderung digitaler Medien neue leistungsstarke Mikrofone, Interfaces und professionelle Studio-Software anschaffen. "Dadurch können wir auch online auf sehr viel höherem technischen Niveau arbeiten", erklärt der Musikpädagoge, der auch die Produktion der CD organisiert. "Ich musste meine Kenntnisse ein bisschen upgraden, und dann habe ich die Beiträge, die in den Einzelsessions aufgenommen wurden, zusammengebastelt."
Musikalisches Wochenende
Eigentlich wäre die gesamte Big Band zur alljährliche Band-Freizeit gefahren – doch die musste Corona-bedingt ausfallen. Stattdessen gab es in der Aula des Domgymnasiums mit gebotenem Abstand ein musikalisches Wochenende, an dem man sich endlich mal wieder als Ensemble erleben und in gemeinsamen Proben weitere Aufnahmen für die CD erarbeiten konnte.
Mit dabei ist Gesche Ritschel, die sich seit Schuljahresbeginn als FSJ-lerin (Freiwilliges soziales Jahr) für Musik und Kultur am Domgymnasium und ganz besonders für den Jazz engagiert. Ihren musikalischen Einstand konnte sie im September 2021 mit der Big Band auf der Jugend-jazzt-Bühne vor dem Rathaus geben. "Das war sehr cool", erzählt die 19-Jährige, die nach dem FSJ Instrumentalpädagogik mit Schwerpunkt Jazz studieren möchte. "Meine Trompetenstimme war eine echte Herausforderung, und ich habe es sehr genossen, hier mal etwas spielen zu können, was über den Horizont von Schulmusik derart weit hinausgeht."
Auch Cathy Knurra (16) und Cora Spöring (17), beide seit der 7. und 8. Klasse Mitglieder der Big Band, haben den Jazz längst für sich entdeckt. Beide nehmen regelmäßig an den Jugend-jazzt-Workshops teil. "Ich finde, das ist eine richtig gute Art zu lernen", sagt Cathy Knurra. "Man knüpft Beziehungen zu vielen neuen Leuten, man lernt ganz andere Dinge, die die Teilnehmer mitbringen."
Cora Spöring fährt musikalisch sozusagen zweigleisig, weil sie auch eine klassische Ausbildung erhalten hat. Und gerade deshalb profitiert sie ganz besonders von den Workshops: "Ich lerne dort viel über das Improvisieren, und das war für mich ein völlig neuer Erfahrungsbereich." Sie habe dadurch ihren musikalischen Horizont sehr erweitert. Das kann auch Cathy Knurra bestätigen: "Seit ich selbst so viel Jazz mache, höre ich auch zu Hause viel mehr Jazz." Nach dem Abitur möchte sie Musiklehrerin werden.
Workshops im Domgymnasium
Jugend jazzt, das überregional anerkannte Nachwuchs-Event des Vereins Verdener Jazz- und Bluestage, gibt es bereits seit 20 Jahren. In Workshops, die in den Räumen des Domgymnasiums mit professionellen Dozenten angeboten werden, erhalten die Teilnehmer Gelegenheit, ihre eigenen solistischen Ideen zu verwirklichen, sich in individueller Improvisationskunst zu üben, eigene temporäre Bands zusammenzustellen und sich in einem Open Air-Festival der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Viele ehemalige Teilnehmer haben inzwischen als Berufsmusiker Karriere gemacht, andere sind als Musiklehrer über das ganze Land verteilt. "Man sieht: Unsere Nachwuchsarbeit wirkt nachhaltig", freut sich Volkmar Koy, Vorsitzender des Jazz- und Blues-Vereins. Das findet auch Julia Schley, die 2014 am Domgymnasium Abitur gemacht hat und gerade ihre Masterprüfung als Musiklehrerin für Gymnasien in Oldenburg vorbereitet. Dieser Weg sei nicht zuletzt durch ihre Jugend-jazzt-Erfahrung vorgezeichnet worden, meint die 26-Jährige. Ihre Band Funk Diffusion, die bis heute besteht, hat sich vor vielen Jahren auf einem der Workshops gefunden. "Mit ihr haben wir im Jahr 2019 den Bandwettbewerb in Oldenburg gewonnen," erzählt die Saxofonistin. "Durch Jugend jazzt ist Jazz zu meinem großen Steckenpferd geworden."
Stiftung bleibt im Boot
Volkmar Koy nimmt sich viel Zeit, um sich für die Förderung des Jazz-Nachwuchses zu engagieren: "Ohne finanzielle Unterstützung wären die Workshops mit hochkarätigen Dozenten sowie die gesamte Organisation und Ausstattung des Festivals gar nicht machbar." Gerade hat er einen wichtigen Erfolg erzielt: Auch nach dem Ausscheiden von Rolf Fellermann als Geschäftsstellenleiter in Verden wird die Stiftung der OLB, die das Nachwuchsevent seit 2014 mit jeweils 4000 Euro unterstützt hat, weiter im Boot bleiben.
Der Termin für Jugend jazzt in diesem Jahr steht bereits fest. Am verkaufsoffenen Sonntag, 25. September, wird das Festival der Jungjazzer wieder den Verdener Rathausplatz rocken.