Mit einem ruhigen, nachdenklichen Auftritt präsentierte sich der Sänger und Schauspieler Stefan Jürgens in der ausverkauften Aula des Verdener Domgymnasiums. Zweimal hatte der Verein Verdener Jazz- und Bluestage das Konzert des prominenten Künstlers verschieben müssen. Umso größer war nun die Freude bei Volkmar Koy, der die Anwesenden am Freitag im Namen des Vereins begrüßte, sowie beim Künstler selbst und seinem erwartungsfrohen Publikum.
Mit seiner "Was zählt"-Tour mit Musik vom 2019 erschienenen gleichnamigen Album hatte Stefan Jürgens sehr lange pausieren müssen und konnte sie auch jetzt nur als Solotour am Piano fortsetzen. Dadurch erhielt der Auftritt einen sehr intimen Charakter und die Plaudereien, mit denen Jürgens sein Programm zu moderieren pflegt, wurden zu persönlichen Dialogen mit dem Publikum, das sich bei so viel Nähe zu dem Sänger auch einiges traute. Freundliche Plänkeleien und viel Gelächter bestimmten die Atmosphäre zwischen den Songs. Nicht nur aus seinem neuen Album, sondern auch von den übrigen CDs hatte Jürgens die besten und bekanntesten Nummern ausgewählt, wie zum Beispiel "Engel", "Harte Zeiten" oder "Sieben Leben" – Songs voller Erinnerungen und Sehnsucht.
Dazwischen flocht Jürgens seine Anekdoten aus dem Leben als westfälischer Junge, von glücklicherweise ausgefallener Militärkarriere und wilder Zeit, von seiner Schauspielkarriere, vom Kreuz mit drei anspruchsvollen Töchtern und einem Sohn, der so jung und stark sei wie er selbst gern wäre. Und natürlich von der langen einsamen Corona-Zeit, in der er sich oft nur mit sich selbst oder seinen Möbeln habe unterhalten können.
Lied für einen Tisch
Für das treueste und verständnisvollste unter ihnen komponierte er sogar ein Lied: "Mein alter Tisch" erklang in einer Aura von Hall und anderen raffinierten Soundeffekten. Viele andere Nummern erzählten von damals, von erster Liebe oder leuchtenden Jugendtagen, von enttäuschten oder erfüllten Hoffnungen, vom Traum vom Fliegen. Musikalisch glichen sich die ruhigen und empfindsamen Songs zumeist. Echos, über das Piano gelegte elektronische Klänge oder ein echtes Saxofon, gespielt vom langjährigen musikalischen Wegbegleiter Ralf Kiwit, setzten individuelle Akzente.
Viel Spaß machte den Zuhörern die Unbekümmertheit, mit der der einstige Comedian sich mit genüsslichen politischen Unkorrektheiten und befreiend komischen Exkursen ins Land der "gendergerechten Sprache" von seiner ungehobelten Seite zeigte. Die neuen, oft mit größter Aggressivität eingeforderten Sprachvorschriften müsse man offenbar so lange ertragen, bis "jeder Depp und jede Deppin" das Prinzip der gleichen Rechte für alle kapiert habe.
Manchmal allerdings geriet Jürgens etwas zu tief in den Bereich der privaten Intimität. Bei manch einer der schlüpfrigen Anekdoten von erstem Petting, der Filmrolle als akustischer Darsteller eines einschlägigen erotischen Moments, von Gleitcremes oder Viagra wäre weniger wohl mehr gewesen – denn eigentlich ist er doch ein reiner Romantiker. Mit Songs wie "Überm Meer", "Fliegen können" oder eben dem Titelsong des neuen Albums "Was zählt" konnte er sein Publikum dennoch spürbar bewegen, und erst nach mehreren Zugaben endete ein persönlicher und rundum ehrlicher Auftritt, bei dem der charismatische Songwriter inhaltlich ein sehr viel größeres Spektrum zeigte als in der musikalischen Umsetzung.