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Dommusiken Verden Jazzgottesdienst und Bachkantate zum Mitsingen

Domkantor Tillmann Benfer will nach seinem Unfall und vor dem Ruhestand noch durchstarten: Bis Ende Juni sind noch einige musikalische Höhepunkte geplant.
02.12.2021, 14:36 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

In seinem letzten Jahr als Domkantor wollte er noch einmal alle Register zie­hen: Mit vielen besonderen Sommerkon­zert-Highlights inklusive dem großen Vierne-Zyklus, einem hochkarätigen Programm zu den Trauer-Sonntagen im Herbst, dem Weihnachtsoratorium und schließlich einem fulminanten Abschied mit Mendelssohns Elias hatte Tillmann Benfer einen eindrucksvollen Endspurt geplant. Doch wieder kam alles ganz anders.

Als es nach der langen Corona-Pause der Domchöre im Sommer wieder richtig losge­hen sollte, kam ein Hindernis aus ganz unerwarteter Ecke: Anfang Juli stürzte Benfer auf der Orgelempore und zog sich einen komplizierten Trümmer­bruch des Schienbeinkopfes zu. Ganze vier Monate war er danach buchstäblich lahmgelegt: "In den ersten neun Wo­chen konnte ich nicht einmal an meinen Schreibtisch gehen. Ich kam nicht die Treppe hinauf." Auch abgesehen davon, dass ein Bruch der Tibia äußerst schmerzhaft ist, war das eine schwere Zeit: "Ich musste viele Dinge liegen lassen. Und das ausgerechnet, als wir ge­rade alle Musikprojekte neu in Angriff genommen hatten."

Viele Aufgaben

Bei der Organisation der Kirchenmusik gab es viele Aufgaben, die Benfer nicht so einfach delegieren konnte. "Nach­dem es mir etwas besser ging, habe ich sehr viel telefoniert und war deshalb nicht vollständig außen vor." Dann kam die Reha, und danach wurde es fast noch schwieriger: "Ich durfte ja immer noch nicht viel machen, obwohl ich mich ei­gentlich gar nicht krank fühlte. Ich konnte einfach nur nicht laufen."

Seit knapp drei Wochen ist Benfer wie­der im Dienst. "Das fühlt sich gut an, eigentlich könnte ich wieder voll durch­starten. Und jetzt, wo alles wieder geht, geht wahrscheinlich bald gar nichts mehr." Besonders bitter: Auch das Weih­nachts­oratorium, das der Domchor gemeinsam mit dem Kammerchor des Domgymna­siums einstudiert, muss wohl ausfallen. "Eigent­lich sollte man das nicht riskieren. Wenn man sich zum Beispiel den Fußball an­schaut, kann man es kaum fassen, dass dort immer wieder ein so hohes Risiko eingegangen wird. Und da möchte ich mich nicht einreihen."

Auch den Gemeindegesang wird es in der Adventszeit im Dom nicht geben. "Aber wir werden viel Orgelmusik ha­ben", so Benfer, "und die Bläser werden wie im vergangenen Jahr im Dom-Innenhof musizieren". Für Ben­fer kommt es dabei nicht nur darauf an, was vielleicht zurzeit noch erlaubt ist. "Na­türlich ist es ein Jammer. Aber mit Kontaktvermeidung ist man immer auf der richtigen Seite." Und ganz gleich wie man entscheide, es werde immer Menschen geben, die mit der Entscheidung nicht gut leben kön­nten. 

"Das Weihnachtsoratorium läuft nicht weg, und deshalb sind auch die Vorbe­reitungen nicht umsonst." Natürlich sehe er die Enttäu­schung derer, die sich so lange darauf vorbereitet hätten. "Aber in der derzeiti­gen Konstellation wäre es einfach un­vernünftig". Dennoch ist es auch für ihn schwer, diese trostlose Pandemiezeit richtig zu begreifen. "Man möchte mal viele Jahre später auf diese Zeit zurück­blicken", sinniert der Domkantor. "Was wird davon bleiben?" 

Letztes Chorprojekt im Mai

Trösten können sich alle Enttäuschten damit, dass das letzte große Chorpro­jekt mit dem scheidenden Kirchenmusikdirektor (KMD) sicher stattfinden wird, weil es erst für Mai 2022 geplant ist. "Wir haben schon ein bisschen mit den Proben zu 'Elias' an­gefangen", erzählt Benfer. "Das ist näm­lich ein Riesenpensum. Der Chor hat darin 21 Nummern zu singen, das ist sehr viel mehr als in anderen Oratorien dieser Art." Außerdem wird es zu Pfingsten einen großen Jazzgottesdienst im Zuge der Weser-Festspiele geben, und eine Bachkantate zum Mitsingen ist für den Mai geplant.

Die Sommerkonzerte, dieses besondere Format, das über drei Jahrzehnte so viele Menschen nach Feierabend in den Dom lockte, sind bis Ende Juni fertig geplant. "Das war immer schön, wenn es im Mai losging", sagt Benfer, der bis auf wenige Ausnahmen bei jedem einzelnen Donnerstagskonzert präsent war. Und lachend ergänzt er: "Im Sep­tember war es dann immer sehr ent­spannt für mich, wenn sie beendet wa­ren, und der Tag wieder frei für andere Dinge war."

Keine Vakanzphase

Für den Dom wird es keine Vakanzphase geben, nahtlos übernimmt am 1. Juli 2022 der neue KMD Robert Selinger. Und dass die Sommerkonzerte weiter laufen werden, ist mit ihm bereits fest verabredet. In regelmäßigen Videokon­ferenzen planen die beiden Kirchenmu­siker eine geregelte Übergabe. Für Benfer wird fortan bei allem, was er tut, viele letzte Male geben. "Dabei hilft das Gefühl: Ich bin nicht unersetz­lich. Und es ist gut, wenn jetzt die jün­gere Generation übernimmt und neue Impulse bringt. Das habe ich damals ja genauso gemacht." Als Tillmann Benfer im Jahr 1990 sein Amt als Domkantor über­nahm, war er exakt so alt, wie sein Nachfolger Robert Selinger es heute ist.

Da Benfer an seinem Wohnort bleibt, wird man ihn auch in Zukunft im Dom treffen: "Vielleicht setze ich mich ja mit meiner Trompete zu den Bläsern, dazu hätte ich große Lust." Im Juni wird Benfer sein großes Ab­schiedskonzert an der Orgel geben. Seine letzten musikalischen Grüße an die Gemeinde sollen mit Max Regers Choralfantasie op. 52/3 heißen: "Halleluja! Gott zu loben".

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