Großer Auftritt in Hannover. 20 Minuten Zeit hatte Martin Busch, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Walle gegen Gasbohren, um vor dem Umweltausschuss des niedersächsischen Landtages die Position der kreisweit aktiven BI gegen Gasbohren darzulegen. Er nutzte die mündliche Anhörung, um noch einmal stellvertretend für alle die Standpunkte zur Erdbebengefahr, zum Trinkwasserschutz und der Verpressung von Lagerstättenwasser dazulegen. Anlass der Anhörung war der Entschließungsantrag der grünen Landtagsfraktion und der von der regierenden Großen Koalition in Niedersachsen eingebrachte Änderungsantrag zur Erdgasförderung in Niedersachsen.
Die BI aus dem Landkreis Verden unterstützen im Wesentlichen den Entschließungsantrag der Grünen mit der Überschrift „Für den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit: Erdöl und Erdgas in der Erde lassen, Förderende einleiten, unnötige Kosten verhindern“. Zwar greife laut Busch auch der Änderungsantrag der Regierungsparteien SPD und CDU („Energiewende konsequent vorantreiben – Umwelt-, Trinkwasser- und Gesundheitsschutz bei bestehenden Erdöl-/Erdgasförderstätten stärken") wichtige Aspekte der Erdgasförderung auf, bleibe jedoch aus Sicht der BI "zu vage". Beiden Anträgen sei gemeinsam, dass ihnen ein klares Konzept für einen beschleunigten Ausstieg aus der Erdgasförderung fehle, moniert Busch.
Umwandlung des Landesbergamtes
Kernforderung der BI ist, dass bestehende Bohrstätten schnellstmöglich geschlossen und keine neuen Bohrungen und Bohrungserweiterungen – Stichwort Ablenkungsbohrungen – mehr genehmigt werden.
Auf Initiative der heimischen Landtagsabgeordneten Dörte Liebetruth (SPD) war Busch als Vertreter der BI Walle gegen Gasbohren in das Gremium eingeladen worden. Während der mündlichen Anhörung hatten die Ausschussmitglieder unter dem Vorsitz von Axel Miesner (CDU) Gelegenheit, Fragen zu stellen. Auch Vertreter der Erdgas- und Chemieindustrie, Wasserwirtschaft sowie Deutschen Umwelthilfe wurden in Hannover angehört.
Die Kreisverdener BI begrüßen die Forderung der Grünen, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geoinformation (LBEG) von einer Genehmigungsbehörde in eine Aufsichtsbehörde zu verwandeln und dem Umweltministerium zu unterstellen. Bislang ist das Landesbergamt dem Wirtschaftsministerium nachgeordnet. "Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Genehmigung und anschließende Kontrolle der Gasförderung nicht von ein und derselben Behörde geleitet werden kann", betonte Busch vor dem niedersächsischen Umweltausschuss. Außerdem sprechen sich die BI dafür aus, den erhobenen Förderzins in einen Fonds umzuleiten, der die langfristigen Folgen der Erdgasförderung finanziell abdeckt.
Liebetruth regt Bundesratsinitiative an
Darüber hinaus sei das bestehende Bergrecht, das in seinen Grundzügen noch aus dem Kaiserreich stamme, nach Ansicht der BI entsprechend zu ändern und müsse den heutigen und künftigen Interessen von Mensch und Natur Rechnung tragen. Auch Dörte Liebetruth unterstützt diese Forderung. Sie plädiert dafür, dass Niedersachsen hinsichtlich der Modernisierung des Bundesbergrechts eine Bundesratsinitiative ergreift. Gleichzeitig freue sie sich, dass eine Modernisierung des Bundesbergrechts bereits Teil der Koalitionsvereinbarung der Ampel-Regierung in Berlin sei.
„Jetzt werde ich gemeinsam mit meinen Landtagskollegen die Anhörung auswerten, damit wir den vorliegenden Änderungsantrag von SPD und CDU auf Grundlage der Anhörung noch verbessern können. Ich hoffe, dass es für diese Verbesserungen auch Unterstützung vom Koalitionspartner im Land, der CDU, geben wird", erklärt Dörte Liebetruth.
Mark Fischer, Sprecher für den Förderbetrieb Gas Nord, bestätigte auf Nachfrage der VERDENER NACHRICHTEN, dass Wintershall Dea an seiner Aussage festhalte, die Produktion im Erdgasfeld Völkersen/Völkersen-Nord nicht weiter auszubauen und bis 2036 ganz auslaufen lassen. Neubohrungen seien nicht mehr vorgesehen, die Gasförderung im Kreisgebiet solle schrittweise sinken und die Anlagen in den kommenden Jahren sukzessive zurückgebaut werden. Zu Beginn des Jahres hat nach Aussage des Unternehmens beispielsweise eine neue Abteilung für Rückbau ihre Arbeit am Standort Barnstorf (Landkreis Diepholz) aufgenommen.
"Bohrloch-TÜV"
Die Koalition in Hannover spricht sich dafür aus, dass die Überwachung bestehender Erdgasförderstätten über die Einführung eines sogenannten "Bohrloch-TÜVs" noch weiter gestärkt wird. Die Sozialdemokratin Dörte Liebetruth erinnert daran, dass sie mit Unterstützung der kreisweit aktiven BI gegen Gasbohren eine Messkampagne rund um Erdgas- und Erdölförderstätten durchgesetzt habe.
"Trotz wiederholt verschärfter Sicherheitsauflagen kommt es immer wieder zu Unfällen und Leckagen. Der massive Austritt von Lagerstättenwasser in Emlichheim (Landkreis Grafschaft Bentheim), der vier Jahre lang unbemerkt blieb und das Grundwasser verschmutzt hat, zeigt dies besonders deutlich", schreibt Helge Limburg, früherer Parlamentarischer Geschäftsführer der niedersächsischen Grünen-Fraktion, im Entschließungsantrag.
Weit über 90 Prozent der deutschen Erdgasförderung finden in Niedersachsen statt. Laut Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) wurden 2020 im Erdgasfeld Völkersen rund 620 Millionen Kubikmeter Erdgas gefördert. "Bezogen auf das Land Niedersachsen sind das 12,4 Prozent der gesamten Förderung", rechnet Martin Busch vor.
Deutsche wollen an Gasförderung festhalten
Einer aktuellen Umfrage des Institutes für Demoskopie Allensbach zufolge sind 71 Prozent der deutschen Bevölkerung der Auffassung, dass auch künftig Erdgas in Niedersachsen gefördert werden sollte. Laut Erhebung wird diese Einschätzung sogar von 59 Prozent der Anhänger der Grünen geteilt.
„Ohne die heimische Erdgasproduktion müssten die Importe deutlich erhöht werden. Aber mehr Importe bedeuten automatisch auch höhere Kohlendioxid-Emissionen. Die heimische Förderung ist somit ein Garant für Versorgungssicherheit und eine klimaschonendere Energieversorgung“, erklärte Robert Frimpong, Geschäftsführer von Wintershall Dea Deutschland, im Ausschuss. 60 Prozent der niedersächsischen Wohnungen werden dem Energieversorger zufolge heute mit Erdgas geheizt.
Stichwort Erdbebengefahr: "Vonseiten der Erdgasindustrie wurde in der Anhörung auf meine Nachfrage hin zugegeben, dass die Industrie das Ausbleiben von Erdbeben nicht garantieren kann", erklärt Liebetruth und unterstreicht, dass noch mehr zur Verringerung des Erdbebenrisikos getan werden müsse.
Limburg erinnerte im Entschließungsantrag der Grünen noch einmal daran, dass die Niederlande wegen des "gravierenden Erdbebenrisikos" in der Region Groningen früher aus der Erdgasförderung aussteigen wollen. Auch Dörte Liebetruths erklärtes Ziel ist es, im Landkreis Verden sobald wie möglich aus der Erdgasförderung auszusteigen. "Mir ist es wichtig, die Energiewende gemeinsam mit den Menschen und örtlichen Unternehmen voranzutreiben.“