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Gegen-Demonstration in Verden "Es gibt Verbindungen zu Rechtsradikalen"

Große Kundgebung des Netzwerks Unantastbar und Menschenkette mit mehr als 600 Teilnehmenden in der Verdener Innenstadt für Solidarität und gegen Querdenker und Rechtsradikale.
18.01.2022, 15:56 Uhr
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Von Andreas Becker

Bisher konnten die Gegner der Corona-Politik und Impfskeptiker montagabends ungehindert in der Verdener Innenstadt demonstrieren. Das hat ein breites Bündnis aus mehr als 600 Bürgern und Mitgliedern von insgesamt 15 Parteien und Organisationen in dieser Woche mit einer angemeldeten Menschenkette in der Großen Straße samt Kundgebung auf dem Rathausplatz verhindert. Damit wollten die Organisatoren nach eigenen Worten "ein Zeichen setzen gegen die sogenannten Spaziergänge in Verden, um zu zeigen, dass sich eine große Mehrheit gegen Verschwörungsmythen wendet". Die Corona-Gegner mussten auf eine andere Strecke ausweichen, zu Zusammenstößen beider Gruppen kam es laut Polizei nicht.

Redner wie Eva Hibbeler von der Verdener SPD und Andreas Bortfeldt vom Netzwerk Unantastbar riefen zu Solidarität und Geschlossenheit auf. Auch zahlreiche Mitglieder des Stadtrats, von Fridays for Future, dem DGB, von Amnesty international und Omas gegen Rechts reihten sich in die Menschenkette ein. Rudi Klemm von Wabe (Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage) beschrieb in seiner Rede die Verbindungen zwischen Corona-Kritikern zu Rechtsradikalen und Anhängern von Verschwörungsmythen. 

"Verbindung zu Querdenkern"

"Es gibt direkte Verbindungen zu Rechtsradikalen und der Querdenkerszene, die sich über Telegram organisieren", sagt Klemm auf Nachfrage der Redaktion. So seien dieselben Protagonisten zuerst in Rotenburg aktiv geworden, später dann auch in Verden, Achim und Visselhövede. Unter dem Namen "Freiheitsboten Verden/Achim" werde zu den Montagsdemos aufgerufen. In Verden fand am 8. Dezember die erste Demo statt. "In Verden ist das eine bunte Mischung unterschiedlicher Akteure. Da laufen gewaltbereite Neonazis genauso mit wie Anthroposophen, Reichsbürger, völkische Nationalisten und christliche Fundamentalisten", zählt Klemm auf. Bei den Demos in Verden seien auch Querdenker aus Rotenburg und anderen Landkreisen beteiligt, die sich teilweise offenbar der rechten Szene öffneten. "In Rotenburg beispielsweise hat man den ehemaligen Pastor Friedrich Bode aus Visselhövede auf der Demo reden lassen, der seit Jahren als Rechtsextremer und Unterstützer der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck in Erscheinung tritt", betont Klemm.

Eine weitere Verbindung zur rechtsextremen Szene ist laut Klemm einer der Organisatoren der ersten Verdener Montagsdemo am 8. Dezember, der als Felix auf Telegram postet und dort in einem T-Shirt der Rechtsrock-Band Weiße Wölfe auch Werbung für ein rechtsradikales Musiklabel macht. "Der Mann war vorher schon einschlägig im Umfeld des Heisenhofs in Erscheinung getreten und hat bei der Montagsdemo sogar den Ordnerdienst organisiert", weiß Klemm.

Mehrere Verschwörungsmythen

Bei den Verdener Anti-Corona-Demos seien "harte Rechtsextreme" zwar in der Minderheit und auch viele Bürger ohne rechtsextreme Tendenzen dabei, in den entsprechenden Telegramgruppen seien aber überwiegend Querdenker aktiv, und dort kursierten gleich mehrere Verschwörungsmythen. "Diese Mythen widersprechen sich teilweise sogar. Da ist wirklich alles dabei von der Corona-Diktatur und der geplanten Herrschaft über alle Menschen durch die Impfung, der Geschichte von Bill Gates bis hin zu den Reptiloiden", erzählt Rudi Klemm. Die meisten Mythen endeten mit einer antisemitischen Pointe. Nach außen würden jedoch Liebe, Freiheit und Zusammenhalt propagiert. "Viele stellen aber die ganze Corona-Politik in Frage und verbreiten falsche Informationen übers Impfen und Maske tragen", so Klemm.

Kritik an den Corona-Auflagen sei legitim, aber nicht auf der Grundlage falscher Informationen und Verschwörungsmythen. "Natürlich gibt es auch Impfungen mit negativen Folgen, aber das ist, gemessen an der Gesamtzahl, ein verschwindend geringer Anteil", betont Klemm. Als Schutz vor dem Virus führe an der Impfung kein Weg vorbei. "Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, aber die bürgerlichen Impfgegner müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie kein Problem damit haben, mit Rechtsextremen und Querdenkern zu marschieren", sagt der Leiter des Wabe-Netzwerks, zu dem sich die Städte und Landkreise Verden und Nienburg zusammengeschlossen haben.

Klemm rief sich Teilnehmer der Menschenkette dazu auf, an die vielen Opfer der Pandemie zu denken, "wenn die sogenannten Spaziergänger durch die Stadt laufen". Was sich da als besorgte Bürger tarne, werde auch in Zukunft nicht ohne Widerspruch bleiben. Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann zeigte sich in seinem Grußwort beeindruckt von der großen Beteiligung und sprach von einer "solidarischen Bewegung" in der Pandemie. Zusammenhalt und gegenseitiges Vertrauen seien das Fundament der Gesellschaft. "Die persönliche Freiheit des Einzelnen endet immer dort, wo die Freiheit des anderen beginnt", bemühte Brockmann ein geflügeltes Wort. Es gebe bei vielen Impfgegnern keinen klaren Abstand zu Rechtsradikalen und Demokratiefeinden, kritisierte der Bürgermeister.

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