Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Obdachlose in Verden Betreuung ist in der Pandemie erschwert

Die Mitarbeiter des Herbergsvereins Verden sprechen über ihre Arbeit mit Obdachlosen und die Situation in Notunterkünften. Trotz der Pandemie konnten etliche Menschen in eine Wohnung vermittelt werden.
24.02.2022, 13:53 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Andreas Becker

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben auch im vergangenen Jahr die Arbeit des Herbergsvereins in Verden nicht einfacher gemacht. Die Betreuer und Betreuerinnen kümmern sich um Wohnungslose im Landkreis Verden und bemühen sich vordringlich, die Betroffenen wieder in Arbeit und Wohnung zu vermitteln. Auch der Stadtrat Verden appellierte in seiner jüngsten Sitzung an die Vermieter, freien Wohnraum auch für Menschen ohne Obdach zur Verfügung zu stellen. "Unsere Arbeit ist durch die Pandemie nicht gerade leichter geworden, trotzdem konnten wir im vergangenen Jahr sehr vielen Betroffenen eine Wohnung besorgen", berichtet Stefan Ihnen, der sich gemeinsam mit der Suchtkrankenhelferin Janina Schröder um die Menschen in den fünf Verdener Notunterkünften kümmert.

Am Ende des vergangenen Jahres lebten nach Angaben der Einrichtung 30 Menschen in einer Notunterkunft – 13 weniger als zu Jahresbeginn. Im Laufe des Jahres wurden 21 Menschen aus unterschiedlichen Gründen ordnungsrechtlich in die Notunterkünfte eingewiesen, 34 zogen aus. "Anfang 2021 waren die Unterkünfte voll belegt, da waren wir etwas verzweifelt. Ende des Jahres lag die Belegung bei 60 Prozent", beschreibt Ihnen die positive Veränderung. Es gibt aktuell insgesamt vier Häuser und eine Wohnung, die verteilt im Verdener Stadtgebiet als Notunterkünfte zur Verfügung stehen. Das Haus in der Jahnstraße fiel einem Brand zum Opfer, eine Unterkunft in Walle wird mittlerweile anders genutzt, eine Unterkunft kam hinzu. Unter den 30 Bewohnern sind 16 alleinstehende Männer, drei alleinstehende Frauen, eine Frau mit minderjährigem Kind, ein Mann mit volljähriger Tochter, ein Ehepaar mit minderjähriger Tochter sowie ein Ehepaar mit zwei minderjährigen Kindern. 

Von Obdachlosigkeit bedroht

"Das betrifft überwiegend Männer im mittleren Alter, weil Frauen eher bei Verwandten oder Bekannten unterkommen. Männer versuchen meist, alleine zurechtzukommen und suchen erst Hilfe, wenn gar nichts mehr geht", erzählt Norma Burfeind-Hinck, die als Sozialarbeiterin in der Eingliederungshilfe arbeitet und Menschen betreut, die zwar noch eine Wohnung haben, aber von Obdachlosigkeit bedroht sind. Trotz der guten Vermittlungszahlen im vergangenen Jahr sei die Wohnungslage in Verden seit Jahren "eine Katastrophe". Viele ihrer Klienten haben eine Suchterkrankung mit Alkohol und Drogen und durch den jahrelangen Konsum mittlerweile gesundheitliche Probleme. "Der natürliche Alterungsprozess führt, verbunden mit der Sucht, dazu, dass irgendwann ohne Hilfe nichts mehr geht", sagt sie. Dazu komme nicht selten als erschwerende Faktoren eine psychische Erkrankung, etwa Depressionen, sowie Langzeitarbeitslosigkeit hinzu. Gerade von Suchterkrankungen seien alle gesellschaftlichen Schichten betroffen.

"Bei den Leuten, die schon länger ohne Obdach sind, ist auch eine Schwierigkeit, dass sie mitunter Jahrzehnte in einem bestimmten Milieu gelebt haben. Und da rauszukommen, die Sprache und das Verhalten wieder abzulegen, ist nicht leicht", ergänzt Stefan Ihnen. Vor allem das Leben in einer Notunterkunft sei prekär, ein Gefühl von Zuhause komme da kaum auf. "Auf der anderen Seite wollen manche Bewohner da gar nicht weg, weil sie nichts anderes kennen." Hier setzen die Mitarbeiter des Herbergsvereins an, um den Betroffenen das Wohnen wieder beizubringen. "Dabei geht es um Rechte und Pflichten als Mieter, um die Einhaltung der Nachtruhe, Sauberkeit und Mülltrennung", erklärt Janina Schröder.

Mehr Aufwand bei Abläufen

In der Corona-Pandemie hätten sich zwar die Arbeitsabläufe nicht geändert, durch die Hygieneauflagen seien diese aber aufwendiger geworden. "In den Notunterkünften ist ein Drittel der Bewohner nicht gegen Covid geimpft, dadurch ist die Gefahr einer Ansteckung natürlich höher. Bislang hat es aber bei den Mitarbeitern keinen Krankheitsfall durch Corona gegeben", erklärt Ihnen. Zwei Impfaktionen seien im vergangenen Jahr aber von einem Teil der Bewohner gut angenommen worden. Jedenfalls müssten sich die Bewohner sowie Neuankömmlinge jeden Tag testen lassen, um eine Ansteckung möglichst auszuschließen.

Als Folge der Pandemie wurde die Beratung in den Räumen Nikolaiwall 10 umgestellt. "Die Leute müssen klopfen und werden dann eingelassen, wenn sie einen Beratungstermin haben", erzählt Ihnen. Regelmäßige Angebote wie der Frühstückstreff mussten abgesagt werden. "Früher konnten sich die Wohnungslosen während der Öffnungszeiten hier treffen und austauschen. Das ist wegen der Pandemie zurzeit nicht möglich", sagt er. Das sei für ein Betreuungsangebot, das auf persönlichen Kontakt und Vertrauen setze, natürlich nicht optimal.

Erschwerter Kontakt

Erschwert wurde nach Angaben der Einrichtung auch der Kontakt zu den Ämtern. "Termine zu bekommen, ist nicht mehr so einfach. Gerade, wenn es darum geht, kurzfristig Papiere zu erhalten wie ein Ausweis oder eine Geburtsurkunde", erzählt Stefan Ihnen. Denn nicht alle Klienten seien in der Lage, sich im Internet zu bewegen oder mehrfach eine Hotline anzurufen.

Nicht geändert haben sich in der Pandemie jedenfalls die Gründe für Wohnungslosigkeit. Die meisten Betroffenen besitzen keinen eigenen Mietvertrag und stehen dann, etwa im Falle einer Trennung, plötzlich auf der Straße. Zwangsräumungen, der Verlust des Arbeitsplatzes, Sucht und psychische Erkrankungen sind weitere Faktoren, die häufig zur Obdachlosigkeit führen.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)