Dem Leben nicht mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben – dieses Ziel verfolgt die Hospiz-Bewegung. Formuliert hat diesen Satz Cicely Saunders (1918-2005), eine britische Ärztin, die als Begründerin der modernen Hospizbewegung gilt. Ihr Zitat ist auch der Leitspruch des Verdener Hospizkreises. 24 Menschen haben die ehrenamtlichen Sterbebegleiter des Vereins im vergangenen Jahr in ihrer letzten Lebensphase unterstützt. Auch im aktuellen Jahr kamen über 20 Männer und Frauen auf den Verein zu, um sich Hilfe zu holen. Doch um weiterhin allen Sterbenden, die sich melden, gerecht werden zu können, braucht der Verein Verstärkung.
"Fast alle Menschen lernen Erste Hilfe", stellt Wolfhard König, der Vorsitzende des Hospizkreises Verden fest. Während diese Kenntnisse mit Glück allerdings nicht gebraucht würden, sei ein jeder früher oder später mit dem Tod konfrontiert. Doch Kurse in letzter Hilfe seien rar und generell seien viele Menschen beim Umgang mit dem Tod hilflos. Die Ehrenamtlichen des Hospizvereins sind genau darauf spezialisiert.
Viele wollen zu Hause sterben
Über 80 Prozent der Menschen wollen zu Hause sterben, sagt König. Doch nicht immer sei das möglich. Die Sterbebegleitung soll Angehörige, aber vor allem die Sterbenden selbst entlasten. Die Arbeit ist vielfältig. "Man unterhält sich, lacht zusammen oder spielt Karten", erzählt Monika Röge-Egbers. Sie ist eine der zehn Ehrenamtlichen, die für den Verein Sterbende begleiten. Es gebe viele schöne Momente, aber natürlich werde auch manchmal geweint. Und das sei dann auch in Ordnung. Vielen Sterbenden sei es ein Bedürfnis, ihr Leben noch einmal Revue passieren zu lassen, lautet Röge-Egbers Erfahrung. Andere hätten Angst vor dem Tod. Oft gehe es auch nur darum, für die Menschen da zu sein.
"Manchmal möchten sich die Betroffenen nicht an ihre Familienmitglieder wenden", ergänzt Gabriele Yost, ebenfalls Sterbebegleiterin. Die Sorge, Angehörigen zur Last zu fallen, sei groß. Da sei das Gespräch mit den Ehrenamtlichen eine gute Alternative. Allerdings seien es nicht immer die Sterbenden selbst, die sich Unterstützung wünschten. Oft suchen Angehörige den Kontakt zum Hospizkreis.
Der Tod ist ein Tabu
Die Arbeit für den Verein habe ihr gezeigt "wie wertvoll das Leben ist", erzählt Yost. In manchen Fällen laufe die Begleitung über Monate, in vielen bleibe es allerdings bei einer einmaligen Begegnung. "Das liegt daran, dass wir zu spät gerufen werden", erklärt König. Der Tod sei ein ganz großes Tabu. "Viele laufen davor weg, wollen es sich nicht eingestehen, dass sie sterben müssen", gibt Röge-Egbers ihren Eindruck wieder. Entsprechend schwer falle es vielen, darüber zu sprechen oder mit Sterbenden umzugehen.
"Man kommt nicht immer in einen Gesprächsfluss", erzählt Yost von ihrer Erfahrung. Aber das sei auch nicht immer nötig. Manchmal reicht es auch einfach, anwesend zu sein, den Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Generell gelte bei den Einsätzen, dass sich alles nach den Wünschen des oder der Sterbenden richte. König erinnert sich an einen Mann, den er über Wochen begleitet hatte, ohne dass dieser Reaktionen gezeigt habe. Eines Tages habe er dann unvermittelt nach Königs Hand gegriffen und zeigte so, dass er seinen Gast sehr wohl wahrgenommen hatte.
Jede Begleitung ist anders
"Es gibt kein Schema F", macht Röge-Egbers deutlich. Jede Begleitung sei ganz individuell. Sie selbst mache sich nach jedem Treffen Notizen. Ein jeder habe seine eigene Zeremonie. Eines eint allerdings alle Sterbebegleiterinnen und -begleiter: Regelmäßige Supervisionen sind Pflicht.
Die Begleitung dient oftmals nicht nur den Sterbenden, auch Angehörige profitieren. "Ich erlebe immer wieder, dass Angehörige über ihre Kraft hinausgehen", erzählt der Vereinsvorsitzende. "Sie betreiben Raubbau an sich selbst." Den Sterbenden für ein paar Stunden in guten Händen zu wissen, gebe ihnen eine Verschnaufpause. "Es sind oft ganz triviale Sachen, wie wieder zum Friseur zu gehen", für die so wieder Zeit entstehe.
"Die Sterbebegleitung ist keine schwere Arbeit, kein Hexenwerk", sagt König. Ob sich jemand für das Ehrenamt eigne, zeige sich oft in einem Vorgespräch. "Man muss innerlich ausgeglichen sein", findet Yost. Außerdem sei es wichtig, den zu Betreuenden mit Wertschätzung und Respekt zu begegnen. Bei der Arbeit gelte es zudem eine professionelle Distanz zu wahren.
Ausbildung zur Sterbebegleitung
Die Sterbebegleitenden arbeiten ehrenamtlich. Der Hospizverein bietet seine Dienste kostenfrei an. Finanziert wird die Arbeit über Spenden. Die Ausbildung zum Sterbebegleitenden umfasst theoretische und praktische Einheiten. Die Teilnehmenden erfahren, wie sie mit Sterbenden umgehen sollten und was beim Sterben überhaupt passiert. "Angehörige machen sich oft Sorgen, wenn die Sterbenden nicht mehr essen und trinken wollen", nennt Yost ein Beispiel. Sie hätten Angst, der Betroffene könne verhungern. Dabei sei es eine ganz natürliche Reaktion des sterbenden Körpers, keine Nahrung mehr aufnehmen zu wollen. "Der Körper fährt dann seine Funktionen zurück", weiß die Sterbebegleiterin.
Zusätzlich zur Theorie absolvieren die angehenden Sterbebegleitenden Praxisstunden in unterschiedlichen Einrichtungen. Zunächst beschäftigen sie sich allerdings damit, was sie für die Ausbildung motiviert.
Wer sich für die Arbeit als Sterbebegleiter interessiert oder den Hospizverein anderweitig unterstützen möchte, kann sich montags zwischen 16 und 18 Uhr während der Sprechstunde im Büro (Holzmarkt 13) melden. Alternativ ist der Hospizkreis unter der Rufnummer 01 51/ 18 60 02 74 sowie per E-Mail an post@hospizkreis-verden.de zu erreichen. Weitere Informationen zur Arbeit des Vereins gibt es auch unter www.hospizkreis-verden.de.