Wenn der Kunde, der im Tierwarenladen Guppy-Futter kaufen will, mit einem Meerschweinchen nach Hause geht und der Arztbesuch zum Horror-Szenario wird, wenn der werdende Vater der Hebamme schöne Augen macht und ein Spätentwickler Fahrstunden nimmt, dann ist Impro-Comedy angesagt. Mit dem kleinen Ensemble vom Impro-Theater Bremen ging am Freitagabend im Bürgertreff am Verdener Hoppenkamp stimmungsmäßig so richtig die Post ab, und 50 Hilfsregisseure aus dem Publikum durften kräftig mitmischen.
Zu der kleinen, fast familiären Theatervorstellung hatte der Verein Tintenklecks anlässlich des Projekts Allerkultur eingeladen. Die Terrasse des Bürgertreffs wurde zur Bühne, für die es sogar ein "Backstage" hinter auf einer Wäscheleine aufgehängten großen Tüchern gab. Das Publikum saß in den improvisierten Rängen auf gemütlichen Gartenstühlen unter Pavillons - Idylle in der Abendsonne!
In kürzester Zeit hatten Boris Radivoj und Kira Hess ihr Publikum im Griff. Zum Kennenlernen mussten alle gemeinsam ihren Namen rufen, und dass Boris sofort einige Zuschauer treffsicher ansprechen konnte, war gleich ein erster Magic Moment. Von nun an blieb es turbulent. Gitarrist Christian Frerichs stellte ein bestimmtes Gitarrensignal vor, das als "Freeze" fungieren sollte. Das Publikum gab Stichworte zu den blitzschnellen Szenenwechseln vor, und über den Ehemann, der den Hundekotbeutel in der Hosentasche vergessen hatte, konnte sich das Publikum ebenso schlapp lachen wie über den Klempner, der unter Stöhnen und Schwitzen die Muffe anflanschte.
Von Zettel zu Zettel
Nun konnten die Besucher erleben, wie die beiden ungleichen Schauspieler – der eine groß, kräftig und gemütlich langsam, die andere klein, drahtig und ein richtiger Wirbelwind – zu einer Person verschmolzen. Jeder von ihnen durfte jeweils nur ein Wort sagen, sodass gemeinsame Sätze entstanden. Es sollte eine "schauerliche Geschichte" werden, und das Publikum hatte als Szenario ein Arzt-Sprechzimmer gewählt. Da spitzte sich die Lage unter dramatischen Gitarrenakkorden exzessiv zu, doch außer dem Arzt wurde am Ende niemand ernsthaft verletzt.
Schon vorher sollten die Anwesenden einzelne Sätze auf kleine Zettel schreiben, "die sie schon immer mal im Theater hören wollten". Die gefalteten Zettel wurden nun aus dem Sammel-Hut auf den Boden geschüttet (und von nun an vom Wind immer wieder durcheinander gewirbelt), und in der nächsten Spielszene dienten sie den Akteuren als Stichwortgeber. Da sollte eine Hebamme einen werdenden Vater beruhigen - klar, dass sich die Stimmung von Zettel zu Zettel änderte. Denn wenn der Vater in spe mitten in der Geburt ausruft: "Ich bin dann mal weg", dann kann das dramatische Folgen haben. Der Charme der Hebamme schaffte da Abhilfe – gegen diese Augen war jeder Widerstand zwecklos!
Ohne Zugabe geht es nicht
In den Quadranten "Trauer", "Freude", "Wut" und "Liebe" mussten die beiden ihre Gefühle von Augenblick zu Augenblick "umswitchen", und das alles auf einem vermüllten Kinderspielplatz. Da wurde es mal so richtig politisch, und die Obrigkeit bekam zum Vergnügen des Publikums ihr Fett weg. Als nächstes mussten die Zuschauer verschiedene Geschäfte nennen, in denen die Darsteller Verkäufer und Kunde sein sollten. Ein Gitarrensignal sorgte für den abrupten Szenenwechsel. Nachdem Boris im Möbelmarkt eine Schrankwand demoliert, einen ziemlich besoffenen Supermarktkunden gegeben, sich hautenge Radler gekauft und sachgerecht eine Melone getestet hatte, verließ er das Tiergeschäft mit einem imaginären Meerschweinchen, so anschaulich, dass es das Publikum auf seiner Brust herumwuseln sah.
Doch am allerschönsten war das Spiel "Das klingt nach einem Lied". Nachdem sich das Duo aus allen vom Publikum angebotenen Szenerien für eine Fahrschule entschieden hatte, mussten die Zuschauer jedes Mal, wenn ihnen ein Satz bemerkenswert erschien, die Szene unterbrechen und verlangen, dass daraus ein Song wurde. Der coole Popsong "Ich hab ein Auto", der tieftraurige Blues "Ich bin ein Spätentwickler" und der Blödel-Schlager "Alle reisen um die Welt, nur ich nicht" nach schönster Helge-Schneider-Manier sorgten für großen Beifall und Jubelrufe, und ebenso plötzlich und unvermittelt wie alles andere, was hier passierte, war der unbeschwerte Theaterspaß auch schon vorbei. Logisch, dass das Publikum das sympathische kleine Ensemble erst nach einer spritzigen Zugabe entlassen wollte!