Der Verein Verdener Jazz- und Bluestage scheint einen Deal mit Petrus zu haben: Die zahlreichen Open-Air-Veranstaltungen dieser Saison gingen stets bei Wärme und Sonnenschein über die Bühne. Beim kleinen Bandfestival in der Innenstadt herrschte am Sonnabend die schönste Spätsommeratmosphäre, und auch bei "Jugend jazzt'" vor dem Rathaus musste am Sonntagnachmittag niemand frieren.
Wobei das bei dem heißen Sound, den die Bigband unter Janning Trumann als Opening des Abschlusskonzertes präsentierte, ohnehin nicht in Frage kam. Anlässlich des 20. Jahrestags von "Jugend jazzt" hatte sich in dieser Band das Who is Who der Verdener Jazztalente versammelt. Die ältesten von ihnen hatten 2004 und 2005 erstmals an den Workshops teilgenommen, einige von ihnen sind bereits Berufsmusiker, spielen in Bands oder studieren noch Musik, um bald selbst für frischen Jazz-Nachwuchs zu sorgen. Mit einem fast einstündigen Programm voller Bigband-Höhepunkte von "Birdland" bis "Oye Como Va" und einem rundum professionellen, mit Soli gespickten Sound begeisterten die jungen Musiker das Publikum, das im Stehen mitgroovte, an den Tischen der umgebenden Gastronomie oder auch einfach auf dem warmen Pflaster vor der Bühne Platz genommen hatte.
Hauptfiguren im Interview
Barbara Kreuzer und Kay Reinhardt wechselten sich in der Moderation ab, informierten über Musiker und interessante Details der Auftritte und interviewten neben Landrat Peter Bohlmann und Bürgermeister Lutz Brockmann die Hauptfiguren des zwanzig Jahre alten und ewig jungen Jazz-Events.
Peter Bohlmanns Dank galt dabei Michael Spöring und Volkmar Koy, die "Jugend Jazzt" seinerzeit aus der Taufe gehoben hatten. "Ich bin sehr froh darüber", ergänzte er, "dass auch alle Workshop-Dozenten, die ja eine besonders schwere Zeit hinter sich haben, 'Jugend jazzt' die Stange gehalten haben." Brockmann ergänzte: "Alle haben Sehnsucht nach Gemeinschaft und Kultur." Allerdings müsse man sich erst wieder trauen, etwas zu erleben.
Vier sechs- bis achtköpfige Workshop-Bands in verschiedenen Besetzungen zeigten gemeinsam mit ihren Dozenten und Dozentinnen Mario Emde, Frank Schöttl, Christian Suter, Daniel Gaser Hauke Schlüter, Joanna Jablonski, Gabriela Koch, Benny Grenz und Stefan Ulrich, was sie an einem langen und intensiven Wochenende miteinander erarbeitet hatten. Mehr als 30 junge Leute hatten an den Workshops teilgenommen, einige erst gerade dem Grundschulalter entwachsen und zum ersten Mal dabei, andere alte Hasen bei "Jugend jazzt" und entsprechend selbstbewusst in ihrer musikalischen Präsentation. Wie zum Beipiel Finn Jakob Schwedhelm mit einem Drum-Solo und das Bläser-Team derselben Combo in Duke Ellingtons "Caravan" oder die Bremerin Lucy Trollope im Jazz-Klassiker "Moanin", deren Stimme für den Jazz wie geschaffen ist.
Michael Spöring und Axel Hartig sind beide von Anfang an bei der Organisation und pädagogischen Umsetzung von "Jugend jazzt" aktiv. Spöring empfand die Treue der Jungjazzer zu dem Event als großes Highlight: "Die kommen immer wieder hierher zurück." Hartig betonte, dass es ihm eine besondere Freude sei, so viele Jugendliche für den besonderen Spirit des Jazz zu begeistern.
Janning Trumann, der das Konzert nicht nur als Bandleader eröffnete, sondern auch mit seinem eigenen professionellen Jazztrio beschloss, erinnerte sich gerne: In Verden hatte er 2004 seinen ersten Workshop besucht.
Erinnerungen an die Kneipennacht
Beim kleinen Bandfestival am Vortag kam sich das Publikum ein bisschen vor wie in einer Zeitmaschine. Alles fühlte sich genauso an wie ein ganz normales Jazz- und Blues-Wochenende: Tolle Bands an jeder Ecke, gut gelaunte Menschen auf der Straße, in den Kneipen und Lokalen. Jeder hatte viel Zeit für einen Klönschnack und fürs Lauschen auf relaxten Dixieland, groovenden Blues und jungen Rock-Mix mitgebracht, und die ganze Stadt war voller Jazz- und Bluesfans.
Die Old Virginny Jazz Band unterhielt die Gäste mit Dixieland, gefühlvollen Jazz-Balladen und Ausflügen in Blues, Tango und Evergreen. Martin Saschek, beim Jazz- und Bluesverein im Technik-Team aktiv, genoss den Tag mit seiner Frau Anne. "Toll dass es endlich wieder losgeht." Froh ist er, dass künftig der 2G-Modus auch den Veranstaltungen des Vereins mehr Planungssicherheit geben wird.
Gleich zweimal Blues from the roots gab es an der Ecke Nagelschmiedestraße und gleich dahinter an der Ecke Brückstraße. Hier wetteiferten die Duos Nomi & Mac sowie Natural Facts um den heißesten Sound, die coolsten Blues-Oldies und den fettesten Groove. Nach der Begeisterung der Zuhörer zu urteilen, waren beide Bands die Gewinner.
Die Sängerin von Nomi und Mac, Federn und Blumen auf dem Hut, verkörperte mit ihrer lebendigen, rauchigen Stimme und begleitet von Macs differenzierter, klangvoller Gitarre und Bluesharp eine lebensbejahende und ansteckende Art von Blues-Feeling und begeisterte nicht nur den Emtinghausener Olaf Dahme. Der war eigens zum kleinen Festival nach Verden gekommen: "Klar fehlt mir die Kneipennacht. Aber das hier macht auch riesig Spaß." Unwiderstehlich war hingegen der Groove der bodenständigen Old School-Bluessongs von Natural Facts.
Auf dem Rathausvorplatz herrschte indes Partystimmung. "Heavy" ja, "Silence" nein, so musste das Fazit über den Sound der fünfköpfigen Akustik-Cover-Band Heavy Silence lauten. Die fünf Jungs, die von Natur aus vor allem punkig-grungig daherkommen, covern alles, was cool ist, von Deutschrock bis Britpop, viel Mainstream, aber auch alte Rock-Legenden wie Queen oder Neil Young.