Seit Jahren wird in Verden über die Entsorgung des eigenen Klärschlamms diskutiert, und es schien so, als wäre das Problem gelöst, nachdem der Stadtrat 2018 einstimmig für eine Beteiligung Verdens an der geplanten Kommunalen Nährstoffrückgewinnung Niedersachsen (KNRN) in Hildesheim gestimmt hatte. Doch jetzt wollen die Fraktionen von Grünen und CDU mit einem gemeinsamen Antrag das Paket wieder aufschnüren. In dem Schreiben an Bürgermeister Lutz Brockmann (SPD) fordern sie, aus der KNRN auszusteigen und "die Entsorgung von entwässertem Klärschlamm unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten auszuschreiben". Unter diesen Vorgaben sollen auch Alternativen zur Klärschlammverbrennung mit Phosphor-Recycling geprüft werden, so die Fraktionen.
"Damals haben alle Fraktionen zugestimmt, weil wir zu dieser Zeit eine Entsorgungsnotlage hatten", begründen Rasmus Grobe (Grüne) und Olaf Kluckhuhn (CDU) die Entscheidung im Stadtrat für die Hildesheimer Lösung. Allerdings hätten ihre Fraktionen immer wieder kritisch nachgefragt und gefordert, dass auch andere Lösungen geprüft würden. "Wir haben schon länger den Eindruck, dass sich die Verwaltung auf die KNRN festgelegt hat und Alternativen nicht ausreichend geprüft worden sind", kritisiert Grobe. Zudem sei die geplante Entsorgung in Hildesheim mit vielen Fragezeichen verbunden, vor allem finanzielle und ökologische. Wie berichtet, ist die Verbrennungsanlage in Hildesheim als interkommunales Projekt geplant, an dem sich die Stadt Verden beteiligen könnte. "Die Idee hat durchaus Charme, aber es gibt zurzeit so viele Unklarheiten, dass wir Probleme hätten, uns für 30 oder 40 Jahre an die Gesellschaft und ein Verfahren zu binden."
Andere Rahmenbedingungen
Das sieht auch Olaf Kluckhuhn so. "Auch die CDU hat im Betriebsausschuss immer wieder kritische Fragen gestellt, die nicht erschöpfend beantwortet werden konnten. Und da wir in diesem Jahr unsere Beteiligung an der Investition in Hildesheim beschließen müssen, ist es Zeit, Farbe zu bekennen", sagt er. Vor allem hätten sich seit dem Beschluss im Stadtrat 2018 die Rahmenbedingungen geändert. "Es sind so viele Entsorgungsanlagen im Bau oder in Planung, dass von einer Notlage keine Rede mehr sein kann", argumentiert Kluckhuhn. Mittelfristig würden die Kapazitäten um etwa 50 Prozent höher als der Bedarf liegen. Das soll sich nach Ansicht der beiden Fraktionen die Stadt zunutze machen und lieber die Entsorgung des Klärschlamms ausschreiben, von dem im getrockneten Zustand etwa 6000 Tonnen pro Jahr anfallen. Bei der Ausschreibung soll jedoch nicht unbedingt das finanziell günstigste Angebot zum Zuge kommen. Stattdessen könnte Verden bei der Ausschreibung Vorgaben machen, etwa ökologische Standards oder die sinnvolle Nutzung von Abwärme bei der Verbrennung. "Dadurch würde Verden Zeit gewinnen, um Alternativen gründlich zu prüfen, denn die Verfahren entwickeln sich technologisch schnell weiter", betont Kluckhuhn.
Zu den Risikofaktoren in Bezug auf die geplante Anlage in Hildesheim gehören nach Ansicht der Antragsteller nicht zuletzt die Kosten. Denn aktuell liege nur eine Prognose vor, die allerdings nicht auf aktuellen Daten beruhe, wie Kluckhuhn kritisiert. Die Planungs- und Baukapazitäten in diesem speziellen Marktsegment seien erschöpft, es sei mit größeren Kostensteigerungen zu rechnen. "Da im Bausektor insgesamt die Preise stark ansteigen, wissen wir erst, wie teuer es tatsächlich wird, wenn die Angebote vorliegen." Zudem habe sich in Hildesheim eine Bürgerinitiative gegen den Bau der Anlage gegründet, mögliche Klageverfahren würden die Planung weiter verzögern und unter Umständen zu mehr Kosten führen. Auch die Stadt Hildesheim versuche "nachvollziehbar" ihre eigenen Interessen durchzusetzen und Risiken zu vermeiden. So sei der Erbpachtvertrag für das Baugrundstück noch nicht unterschrieben, und Lkw dürften nicht auf direktem Weg zu der Anlage fahren. "Die Gesamtzahl der Lkw-Fahrten zum Betriebsgelände der KNRN ist begrenzt. Die Vollauslastung der Monoverbrennungsanlage ist bei Anlieferung mit entwässertem Schlamm nicht möglich. Die Anlieferungslogistik ist stark beeinträchtigt", heißt es in dem Antrag.
Weitere offene Fragen sehen Grüne und CDU unter anderem in der Zwischenlagerung der Klärschlammasche sowie in der vorgeschriebenen Phosphor-Rückgewinnung, für die es noch kein Verfahren gebe. Der Antrag wird voraussichtlich in der nächsten Sitzung des Stadtrats behandelt.