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Landgericht Verden Milde Strafe wegen Körperverletzung

Ein 22-jähriger Verdener wird verwarnt und muss eine Geldstrafe bezahlen. Das Landgericht folgt damit dem Gutachten, das dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit bescheinigt hatte.
20.01.2022, 16:49 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Der Staatsanwalt hatte auf vorsätzlichen Vollrausch plädiert, der Verteidiger Freispruch gefordert. Doch es kam anders. Ursprünglich wegen versuchten Totschlags durch Würgen angeklagt, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, hat ein 22-Jähriger am Donnerstag wegen vorsätzlicher Körperverletzung eine Verwarnung nach dem Jugendstrafrecht erhalten. Das Landgericht erteilte außerdem eine Geldauflage: Der in Verden lebende junge Mann, zur Tatzeit noch Heranwachsender, muss 1500 Euro an die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen zahlen.

„Hier sind heute drei unterschiedliche Rechtsauffassungen aufeinandergetroffen.“ So leitete der Vorsitzende Richter der großen Jugendkammer seine mündliche Urteilsbegründung ein. Dass der Angeklagte bei der mittlerweile fast drei Jahre zurückliegenden Tat stark alkoholisiert gewesen sei, stehe außer Frage. Der Grad der Alkoholisierung sei aber nicht derart hoch gewesen, dass von einer gänzlichen Aufhebung der Steuerungs- und Schuldfähigkeit auszugehen sei. Diese sei allerdings mit Sicherheit erheblich vermindert gewesen. Die Kammer folgte dabei weitgehend dem Gutachten des Sachverständigen, der unterm Strich nicht genug Anhaltspunkte für die Annahme eines Vollrausches sah. Von einem „ungezielten Bewegungssturm“ könne nicht die Rede sein.

Druck gegen Kehlkopf

Zur Überzeugung des Gerichts hat der Angeklagte einer Bekannten in der Nacht zum 24. März 2019 während einer Feier in einem Lokal in Schneverdingen (Heidekreis) von hinten einen Arm um den Hals gelegt und „mit erblichem Kraftaufwand“ gegen den Kehlkopf gedrückt, vermutlich mehrere Sekunden. Die Frau habe sich nicht selbst befreien können, zwei Umstehende hätten eingreifen müssen. Sie sei zu Boden gegangen, sei aber weder bewusstlos gewesen, noch habe sie physische Verletzungen erlitten. Äußerlich sichtbare Folgen habe das Vorgehen des damals 19-Jährigen nicht gehabt. Das Opfer habe durch das Würgen kurzzeitig Atemnot verspürt, sei erschrocken gewesen und habe geweint, aber wenig später weitergefeiert und -getrunken bis in den frühen Morgen.

Die inzwischen 23-Jährige hatte am nächsten Tag wie geplant einen einwöchigen Urlaub angetreten und den Vorfall erst danach zur Anzeige gebracht. Dass der Angeklagte mit den Worten „Ich bringe dich um“ vorging, wie die Frau bei der Polizei angegeben hatte, sei „eindeutig nicht feststellbar“, betonte Richter Lars Engelke: „Niemand hat diesen Ausspruch vernommen“. Man habe zudem auch nicht festgestellt, dass der Angeklagte die Gefährlichkeit seines Handelns erkannt habe und diese überhaupt „auf Lebensgefährlichkeit angelegt“ gewesen sei. Es sei auch eine für ihn „völlig fremde Vorgehensweise“ gewesen.

Erinnerungslücke

Der aus Soltau stammende 22-Jährige, der vor allem berufsbedingt nach Verden umgesiedelt war, hatte in seiner Aussage am ersten von drei Prozesstagen eine komplette Erinnerungslücke geltend gemacht. An den Tathergang könne er sich nicht entsinnen. Damit war er jedoch in jener verhängnisvollen Nacht schon von Mitfeiernden, die das Geschehen beobachtet hatten, sofort konfrontiert worden. „Ich musste übernehmen, was man mir erzählt hat“, sagte er unter anderem. Am nächsten Vormittag hatte im Freundes- und Bekanntenkreis auch ein reger elektronischer Nachrichtenaustausch stattgefunden. Daraus sei hervorgegangen, „wie sauer und enttäuscht“ man von dem Angeklagten gewesen sei, sagte Engelke, aber auch, dass dieser schon Reue empfunden habe.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft ging letztlich doch von einem Fall des Vollrausches aus. Da wollte die Jugendkammer mit Verweis auf das Ergebnis des Gutachtens aber nicht mitziehen. Die Verwarnung, das „mildeste Zuchtmittel“ im Jugendstrafrecht, erfolgte wegen vorsätzlicher „einfacher“ Körperverletzung. Bei dem nicht vorbelasteten jungen Mann, der einen „stringenten Lebensweg“ vorzuweisen habe, seien keine schädlichen Neigungen erkennbar. Ihm sei außerdem zugute zu halten, dass er sein Trinkverhalten geändert und schon vor etwa einem Jahr eine Aussprache mit dem Opfer gesucht habe. Die Geldauflage sollte der 22-Jährige tunlichst erfüllen, so das Gericht. Ratenzahlung wurde ihm eingeräumt. Gerät er damit in Verzug, könnte er noch den Jugendarrest kennenlernen.

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