Obwohl die Staatsanwaltschaft wegen seiner vermutlich starken Alkoholisierung von verminderter Schuldfähigkeit ausgeht, wiegt der Vorwurf schwer: Ein in Verden lebender, 22 Jahre alter Mann soll eine Bekannte in einer Gaststätte in Schneverdingen (Heidekreis) mit den Worten „Ich bring dich um“ bedroht und derart gewürgt haben, dass sie bewusstlos zu Boden ging. Der Angeklagte will an die fast drei Jahre zurückliegende Tat so gut wie keine Erinnerung haben. Bei der betroffenen jungen Frau wurden die Erinnerungen am Mittwoch im Gerichtssaal wieder so lebendig, dass sie bei ihrer Vernehmung mehrfach in Tränen ausbrach.
Der aus Soltau stammende Mann muss sich wegen versuchten Totschlags vor der großen Jugendkammer des Landgerichts Verden verantworten. Die Tat soll er als Heranwachender am 24. März 2019, gegen 1 Uhr nachts, während einer Feier begangen haben. Das mutmaßliche Opfer, inzwischen 23, hatte rund eine Woche später Anzeige erstattet. Warum der Fall erst jetzt verhandelt wird, blieb zunächst offen. Ein für vergangenen September abgesetzter Verhandlungsauftakt war aus nicht genannten Gründen abgesagt worden. Der Angeklagte ist in der Sache nie in Untersuchungshaft gewesen.
Bis zum Filmriss getrunken
Wie stark seine Alkoholisierung damals nach „Vorglühen“ und weiterem Konsum tatsächlich war, lässt sich nicht mehr ermitteln. Nach Angaben von Menschen, die ihn länger kennen und ihn auch an jenem Abend in dem Tanzlokal erlebt hatten, muss er einiges geschluckt haben. Er selbst erklärte in seiner Einlassung, zu jener Zeit mitunter erheblich getrunken zu haben, auch mal „bis zum Filmriss“. Er führte dies auch auf die besondere Belastung durch die sehr schwere Erkrankung seiner Mutter zurück. Aggressiv geworden sei er aber nie, betonte er. Zum angeklagten Tathergang fehle ihm jegliche Erinnerung.
Von Türstehern nach draußen befördert, habe er erst von Beobachtern des Geschehens erfahren, „was ich gemacht haben soll“. Er habe es nicht begreifen können und „direkt dementiert“. Ein Kumpel habe ihn nach Hause gefahren, er habe sich ins Bett gelegt und geschlafen. Am nächsten Morgen, einem Sonntag, begann offenbar im Freundes- und Bekanntenkreis ein reger Nachrichtenaustausch per WhatsApp. Daraus wurde im Zuge der Beweisaufnahme einiges verlesen. „Da klingt es so, als wenn sie sich an die Entstehung der ganzen Geschichte erinnern können“, hielt der Vorsitzende Richter dem Angeklagten vor.
Sicherung durchgebrannt
„Ich musste übernehmen, was man mir erzählt hat“, so der 22-Jährige. Geschrieben haben soll er unter anderem: „Ich habe sie nicht wirklich dolle gewürgt“, „Ich weiß nicht, was da mit mir los war“ und „Da scheint bei mir eine Sicherung durchgebrannt zu sein“. Er soll auch darum gebeten haben, „das nicht gerichtlich zu klären“, denn das würde seine „Zukunft zerstören“. Sein komplettes Leben werde „wirklich zerstört“. Er wolle sein „Fehlverhalten aber nicht runterreden“.
Nun aber versucht das Landgericht zu klären, was seinerzeit wirklich vorgefallen ist. Der Angeklagte und die junge Frau kannten sich aus der Schulzeit, sahen sich gelegentlich bei Feiern und sollen sich auch schon mal gestritten haben. War die 23-Jährige bei ihrer Aussage erst noch sehr gefasst, so erlitt sie einen Weinkrampf, als sie den Hergang in dem Lokal schilderte. Sie habe mit ihrer Freundin am Rande der Tanzfläche gestanden und sich unterhalten, der Angeklagte habe sich hinter ihr befunden. Dann habe sie nur noch gemerkt, wie sich ein Arm um ihren Hals gelegt habe, den sie „nicht wegbekommen“ habe, und dass sie zu Boden gegangen sei. Nach einer kleinen Pause berichtete sie genauer: Der Arm habe „zugedrückt, dass ich keine Luft mehr kriegte und Panik bekam“.
Bei der Polizei hatte die Frau angegeben, es sei die Drohung „Ich bringe dich um“ gefallen. Das wisse sie jetzt nicht mehr so genau, erklärte sie auf mehrfache Nachfrage, aber wenn sie es so gesagt habe. „Es ist verdammt lange her“. Der Prozess wird an diesem Freitag fortgesetzt.