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Musikfest Bremen Kombination aus Kraft und Zartheit

Für das Publikum war das Gastkonzert des Bremer Musikfests in Verden eine Sternstunde. Besonders Sopranistin Nardus Williams verzauberte die Zuhörer.
02.09.2021, 15:45 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

Es kommt vor, dass die ausführenden Musiker in einem Konzert noch mehr begeistern als das Werk selbst. Doch dann stammt dies wohl kaum von den ganz großen Meistern des Komponisten-Olymps. Das Dunedin Consort unter John Butt jedoch hat dieses Kunststück vollbracht: Mit der "Großen Messe in c-Moll" von Wolfgang Amadeus Mozart wurde das Gastkonzert des Bremer Mu­sikfests im Verdener Dom zu einer Sternstunde, die nach der schmerzlich langen Konzert-Abstinenz umso strah­lender glänzte.

Gleichsam als Vorspeise zu dem köstli­chen Menü verteilte sich das Gesangsen­semble in den Seitenschiffen und sang den gregorianischen Gesang zum An­fang des Monats September, wobei die ideale Domakustik die Wirkung der klaren, lupenreinen Stimmen noch unterstrich.

Schon bei den ersten Takten des "Kyrie" meinte man sich, anschnallen zu müssen: Diese Kombination aus Kraft und Zartheit, dieser intensive dynamische Anschub schuf eine Atmosphäre gespannter Erwartung, die sogleich beim Einsatz der Sopranistin Nardus Williams zum ersten Mal eingelöst wurde: Mit gleichsam naturgewachsener Schönheit durchmaß die Sängerin ihre drei Oktaven und verband Strahlkraft mit beglückender Weichheit und Wärme.

Eindrucksvoll und ausgewogen

So persönlich und ein­drucksvoll die Sopranistinnen Nardus Williams und Mhairi Lawson, Tenor Benjamin Hulett und Bassist Robert Da­vies ihre Soloarien und Ensembles ges­talteten, so ausgewogen und stimmig sangen sie in den Chorpassagen mit der exzellenten Ripieno-Gruppe des Dune­din Consorts.   

Denn in der Rekonstruktion des Musikwissenschaftlers Clemens Kemme wird auf den Chor verzichtet, dessen Part von einem siebenköpfigen Ri­pieno-Vokalensemble gestaltet wird. Gemeinsam mit ihm singen auch die Solisten das gesamte Werk durch – kaum zu fassen, mit wel­cher ausdauernden Präsenz und Intensi­tät sie diesen sängerischen Marathon meisterten!

Das Kammerorchester der schottischen Barockspezialisten, selbstverständlich auf Originalinstrumenten musizierend, zeigte in diesem außergewöhnlich hete­rogenen Werk ungezählte Facetten der Dynamik, der Empfindsamkeit, der Dramatik und der solistischen Brillanz. Dirigent John Butt dirigierte mit beste­chender Präsenz und jeden einzelnen Ton formender Aufmerksamkeit nicht nur das Orchester, vor dem er stand,  sondern auch das Gesangsensemble, das direkt vor dem Publikum Aufstellung nahm.  Nur während der Soloarien beziehungsweise -ensembles konnten die Zuhörer einen Blick auf die Musiker werfen und beobachten, mit welcher Leidenschaft und Freude auch sie ihren Part gestalteten.

Dramatik pur

Am Schluss des Credo-Satzes ließ Nardus Williams das "Et incarnatus est", den zu Recht bekanntesten Part dieser Messe, zum unvergesslichen Höhepunkt des Abends werden. Eine derart hohe und kraftvolle Stimme mit solch zarter Innigkeit zu führen, die hinreißend schöne Arie auch optisch so würdig und ruhevoll, ohne jede große Geste oder sichtbare Anstrengung zu gestalten, das kann nicht genug bewundert werden!

Dramatik pur war dagegen Mhairi Lawsons "Laudamus te": Wie eine von Leidenschaft sprühende Opernarie war der Lobgesang gestaltet, und selbst wenn sie im Duett oder mit dem Tenor im Terzett sangen, schienen die beiden Sopranistinnen in dieser Aufführung zwei stark kontrastierende Rollen zu spielen. Mit inniger Geschlossenheit war das Terzett "Quoniam tu solus Sanctus" musiziert, das durch das Tacet der Blechbläser besonders schlank und durchhörbar war und nach dem aufrüttelnden "Qui Tollis" eine besonders intensiv spürbare Harmonie atmete. 

Im Vergleich mit dem Mozart-Requiem, das, ebenfalls mit dem Dunedin Consort, im Jahr 2015 im Dom erklang, ist die Große Messe über weite Strecken sehr opernhaft gestaltet, mit viel Dramatik und überraschenden, zum Teil geradezu musikalisch konterkarierenden Umset­zungen der Textinhalte. Aus zwei Zeilen werden lange Arien oder Ensembles, dann wieder sind lange Passagen ganz durchkomponiert; es gibt in Motivik, Harmonik und Instrumentation sehr viel Innovatives und Überraschendes, und doch ist zu spüren, dass Mozart bei der Komposition des nur fragmentarisch überlieferten Werkes kein durchgängig stringentes Konzept verfolgte. Schließlich blieb es ja auch unvollendet: Begonnen im Über­schwang seines jungen Eheglücks, dann jedoch rasch hinter den vielen neuen Verpflichtungen seines glanzvollen Wiener Debüts zurückgeblieben und letztlich unvollendet, wurde die Messvertonung zu seinem Lebzeiten nie aufgeführt.

Dass das Bremer Musikfest im Dom zu Verden mit einer derart überzeugenden, vom ersten bis zum letzten Moment spannenden und beglückend schönen Version der Messe auftrumpfen konnte, zeigt vor allem eines: Verden ohne Bremer Musikfest ist und bleibt undenkbar und für die Musikfreunde der Region unverzichtbar.

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