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Straßenmusik-Festival in Verden Das Ende der Sehnsucht

Einen klangvollen Vormittag hat das Straßenmusik-Festival in der Verdener Innenstadt am Wochenende interessierten Besuchern beschert. Das Angebot kam gut an.
11.07.2021, 14:52 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

Die ganze Innenstadt voller Musik – Jazz, Pop, Rock und handgearbeitete Songs zur Gitarre – überall fröhliche Menschen, die es sich im Außenbereich der Cafés und Restaurants gemütlich machten oder als Zaungäste genüsslich von Act zu Act schlenderten: Das war das kleine Stra­ßenmusik-Festival, organisiert vom Ver­ein Verdener Jazz- und Bluestage und von der Stadt Verden. Diese lebendige Stadt mit ihrem lebendigen Klang ließ hoffen, dass sie schon bald wieder ganz wie früher klingen könnte – mit den Jazz- und Bluestagen, der Domweih und all ihrer vielfältigen Kultur.

Wer aus Richtung Norderstadt kam, blieb zuerst am Rathaus hängen, wo die Rotenburger Band Wooden Music mit Michael Zehl (Gesang, Gitarre und Flöte), seiner Tochter Lene Arrasz-Zehl (Gesang), Carsten Neubauer (Gitarre) und Ralf Braschkies (Bass) spielte. Mit sehr eigenständigen Covers zwischen Rock, Pop und Blues und vielen eigenen Stücken sorgte die Band für tolle Festival-Atmosphäre. Links vom Rathaus im Restaurant Pi­azza und rechts gegenüber im Café Tamke waren die Menschen bei Kaffee, Bier oder Wein versammelt. Jeder hatte Zeit und gute Laune mitgebracht, und Songs wie "Summertime" oder Michael Bublés "I'm feeling good" waren Pro­gramm. "Es ist schön, dass es wieder losgeht", freute sich Michael Zehl. "Endlich sieht man wieder ei­nen Sinn in den Proben, setzte er hinzu. "Bei unserer letzten Probe konnten wir gar nicht aufhören: Ich glaube, wir haben 27 Stücke geprobt." Und das hat sich gelohnt: Immerhin lief das Festival von 10.30 bis 13.30 Uhr, und die Musiker spielten mit kurzen Pausen einfach alles, was sie draufhatten. Sie lieferten einen ausgewogenen und professionellen Sound, der immer wieder von Michael Zehls ge­sanglichem Flötenklang veredelt wurde. 

Auch Johanna König, stellvertretende Bürgermeisterin, zeigte sich von dem Geschehen sehr ange­tan: "Wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich nur zufriedene Gesichter. Alle lächeln und sind entspannt. Man merkt: Die Leute wollen wieder draußen sitzen und sich begegnen." Damit hat das kleine Festival ganz genau den Nerv der Verdener getroffen – und für jeden Musikgeschmack etwas geboten. Vor der Tchibo-Filiale saß die erst 18-jährige Verdener Singer-Songw­riterin Jette Reihe. Sie sang eigene Songs und Cover romantischer Balladen. Gerade intonierte sie "Stand by me" und begleitete sich selbst auf ihrer Gi­tarre. Ihre langen blonden Haare wehten im Sommerwind – ein Bild zum Inne­halten. Es folgte ein eigener Song über ihre Abi-Entlassung im Corona-Modus. "Wir wa­ren viel allein", erzählte Jette, "und wir mussten vieles vermissen, was sonst selbstverständlich war. Aber wir nehmen auch viel Hoffnung mit, in Zukunft ein selbst bestimmtes Leben führen zu kön­nen und dazu beizutragen, dass die Welt ein besserer Ort wird". Von all dem han­delte ihr Lied, das die vielen Menschen, die sich um sie versammelt hatten, sichtlich berührte.

Mal leiser, mal lauter, wehten melan­cholische Saxofonklänge heran. Nur gut 100 Meter weiter stand ein Musiker, der fast 20 Jahre zuvor ebenfalls am Verdener Domgymnasium Abitur gemacht hat. Der freie Schauspieler und Saxofonist Christian Walther alias Chris Kawa hatte 2018 eine mehrere Monate lange Konzerttour durch Neuseeland gemacht und sich dort mit dem Straßen­musik-Virus infiziert. Allein oder mit dem ebenfalls bei Verden aufgewachse­nen Sänger Tim Conrad ist er überall im Land unterwegs, unverkennbar in seiner regenbogenbunten Hose und mit seinem warmen, eindringlichen Saxofon-Ge­sang. Mit seiner kleinen Familie – vor 16 Monaten ist sein Sohn geboren – ist er wieder in Verden gelandet und froh, in Deutschland zu leben. "Wir wurden gut unterstützt, wir können überleben. Das ist mehr, als die meisten Künstler von sich sagen können", sagt er. Den Klang sehr individuellen und far­benreichen Interpretationen hörte man ­weithin. Selbst in der Nagelschmiede war er gut zu verstehen. Die Verdener Rentnerin Renate Hesse war begeistert: "Dass es endlich wieder Musik gibt, das ist einfach herrlich. So ein schöner Tag!" Ihr Freund Jürgen Händler ergänzte: "Alles ist wieder so belebt, das genießen wir sehr. Die Corona-Zeit hätten wir in unserem Alter wirklich nicht gebraucht!" Ebenso empfand es der Verdener Christian Melsheimer: "Das ist so herr­lich entspannt heute. Nach dem langen Tunnel sehen wir wieder ein bisschen Licht. Das genieße ich sehr."  

Vor dem Portofino hatte die Asendorfer Trio-Formation Die kleine Dorfkapelle mit Boris Wagner (Klarinette und Saxo­phon) Reiner Arndt (Kontrabass) und Bernd Sagell (Banjo und Gesang) ihren Auftritt. Rundum voll besetzte Tische unter Sonnenschirmen, jede Menge Laufpublikum daneben, und die Herren hinter Notenständern mit Bierglas-Haltern spielte den gemütlichsten Sound zwi­schen Dixieland, Jazz und Soul-Oldies, während Arndts cooler Hut auf der Schnecke seines Kontrabasses tanzte. Mit "What a Wonderful World" sang Wagners Saxofon den Menschen direkt aus der Seele, und "In the Mood" waren nicht nur die sympathischen Musiker und ihre Instrumente, sondern auch alle, die dabei sein konnten.

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