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Tradition Ein Tropfen auf den heißen Stein

Wieder einmal bleibt das Goldmann-Grab auf dem Domfriedhof ungeschmückt. Die 30 Taler fließen in die Stadtpflasterkasse.
11.05.2021, 16:30 Uhr
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Ein Tropfen auf den heißen Stein
Von Jörn Dirk Zweibrock

Wer über den Verdener Domfriedhof schlendert und auf dem Goldmann-Grab nach üppigem Blumenschmuck sucht, wird in diesen Tagen enttäuscht. Ebenso wie 2015 und 2017 hat sich auch im Corona-Jahr 2021 keine Braut gefunden, die das berühmte Grab am Tag vor ihrer Hochzeit schmücken wollte. "Leider sind unsere Anfragen und Aufrufe ohne Erfolg geblieben", bedauert Angelika Revermann, Leiterin der Verdener Tourist-Information.

Doch auch für diesen Fall hatte der weitsichtige Vater Goldmann einst vorgesorgt: "Sollte kein Mädchen gefunden werden, gehen die 30 Taler an die Stadtpflasterkasse", steht in der Vereinbarung, die der Senior im 19. Jahrhundert mit dem Magistrat der Stadt Verden getroffen hat. Gut, die Stadtpflasterkasse ist zwar ein Relikt aus grauer Vorzeit, aber die Tradition wird in der Domstadt auch 200 Jahre nach dem Tod von Franz Goldmann gepflegt. Das Säckchen mit den Talern, die inzwischen Euro heißen, haben Holger Hoins und Pascal Lange vom städtischen Betriebshof Dienstagvormittag aus den Händen von Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann entgegengenommen. "30 Taler wären heute umgerechnet 45 Euro", rechnete Lena Albers aus der Tourist-Information vor. Wenn man bedenkt, wie viel Geld die Stadt Verden jährlich in die Straßenunterhaltung pumpt, ist dies wahrlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Findet sich eine sogenannte Goldmann-Braut, schmückt sie der Tradition zufolge das gleichnamige Grab am Tag vor ihrer Hochzeit, sprich am 10. Mai, und verrichtet ein stilles Gebet. Im vergangenen Jahr, also 2020, ist die Zeremonie pandemiebedingt ausgefallen. "Schweren Herzens hatte das Brautpaar seine Hochzeit verschoben", erinnert sich Revermann. Eine verschobene Hochzeit ist bisher sicherlich einmalig in der über 200-jährigen Tradition des Goldmanngrabes. Die bislang letzte Goldmann-Braut war im Jahr 2019 die Verdenerin Wiebke Moje.

Der 20-jährige Franz Goldmann war am 11. Mai 1818 tödlich auf der Jagd verunglückt. Er starb an den Folgen eines Schusses in den linken Oberarm. Daraufhin wurde der Jüngling auf dem Domfriedhof beigesetzt. Um das Andenken an seinen Sohn zu bewahren, traf Vater Goldmann mit dem damaligen Verdener Bürgermeister Carl-Christian Münchmeyer eine Verabredung. Die besagt, dass das Grab jährlich von einer unbescholtenen, tugendhaften Braut, die am Todestag seines Sohnes heiratet, mit Blumen geschmückt wird. Und zwar am Vortag ihrer Hochzeit, sprich am 10. Mai. Gleichzeitig stiftete Vater Goldmann damals 1000 Taler. Von den Zinsen sollte die jeweilige Braut 30 Taler erhalten.

Auch für den Fall, dass sich mehrere Bräute für die Grabschmückung finden, hatte der alte Goldmann Vorsorge getroffen. Hätte sich neben Wiebke Moje 2019 noch eine weitere heiratswillige Verdenerin gefunden, wäre die Auswahl laut Vermächtnis auf das Stadtoberhaupt gefallen. „Leider ist von den gestifteten 1000 Talern heute nichts mehr übrig geblieben“, plauderte Lutz Brockmann bei der bislang jüngsten Grabschmückung auf dem Gottesacker aus dem Nähkästchen. „Bereits 1823 hat die Stadt Verden das Geld aus der Goldmann-Stiftung für die Bezahlung von Kriegsschulden ausgegeben.“

Es habe immer wieder Jahre gegeben, in denen sich keine Braut bereit erklärt habe, das Grab zu schmücken, erinnert sich die Leiterin der Tourist-Information. Aber auch dieser Fall sei in der Vereinbarung nicht ungeregelt geblieben: "Die 30 Taler, die die Braut neun Monate nach ihrer Hochzeit erhalten hätte, fließt dann eben an die Stadtpflasterkasse." Moderner Nachfolger und somit Empfänger der umgerechnet 45 Euro ist heute natürlich der Fachbereich Straßen und Stadtgrün.

"Die vergangenen Jahre zeigen, dass die Tradition wertgeschätzt wird, aber in den Jahren, an denen der Hochzeitstag auf einen zum Heiraten eher unattraktiven Wochentag, in diesem Jahr auf einen Dienstag fällt, ist es natürlich besonders schwierig, eine Braut zu finden", weiß Revermann.

Viele Menschen aus Verden und umzu wissen dagegen heute immer noch nicht, wo sich das Goldmann-Grab genau auf dem Domfriedhof befindet. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Direkt hinter dem Zugang von der Eitzer Straße, in Höhe der Gärtnerei, liegt die letzte Ruhestätte von Franz Goldmann. Auf der Rückseite seines Grabsteines steht folgende Inschrift: „Oh Jüngling, der Du dieses liest, lerne mit Feuergewehren vorsichtig umgehen, wenn Du Deinen Eltern Schmerz verhüten und die Laufbahn Deines Lebens nach der weisen Einrichtung des großen Weltschöpfers vollenden willst.“

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