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Verkehrsdelikte vor dem Landgericht Verden Miese Qualität des Blitzerfotos rettet Angeklagten

Zwei Verkehrssachen wurden vor dem Landgericht Verden verhandelt: Ein Angeklagter hatte Glück, dass die Qualität des Blitzerfotos so schlecht ist, ein anderer Mann bekam eine Sperrfrist aufgebrummt.
27.06.2021, 14:34 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Er war fraglos der Halter des geblitzten Kleintransporters, aber saß er beim Rotlichtverstoß auch selbst am Steuer? Dann wäre es für den Verdener doppelt dumm gelaufen, denn sein Lappen war ihm damals längst entzogen worden. Da die Qualität des Blitzerfotos aber arg zu wünschen übrig ließ und die Aufnahme auch einen seiner sieben Brüder zeigen könnte, wurde der 34-Jährigen nun vom Landgericht zum zweiten Mal vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen. Weniger Glück mit seiner Berufung im Fall eines Verkehrsdeliktes hatte dagegen ein 32-jähriger Bremer, der besonders mit der verhängten Führerscheinsperre haderte.

Darum brauchte sich der Verdener, der seine Fahrerlaubnis inzwischen zurückhat, nicht zu sorgen. Ihm ging jedoch der Strafbefehl gegen den Strich, der ihm ins Haus geflattert war, nachdem eines seiner Firmenfahrzeuge im Mai 2019 in Wunstorf (Region Hannover) bei Rot eine Kreuzung überquert und prompt geblitzt worden war. Er sei auch der Fahrer gewesen, befand die Straßenverkehrsbehörde anhand der Aufnahme und stellte zudem fest, dass es dem Mann bereits seit 2013 an einer Fahrerlaubnis mangelte. 60 Tagessätze á 20 Euro sollte er berappen.

Einspruch eingelegt

Gegen den Strafbefehl legte der Verdener Einspruch ein. Und siehe da, die fällige Verhandlung am Amtsgericht führte zu einem Freispruch. Die Freude darüber währte indes nicht lange, denn der seinerzeit zuständige Staatsanwaltschaft mochte die Sache nicht ad acta legen. Er hielt an seiner Überzeugung fest, auf dem Lichtbild den Angeklagten erkannt zu haben, und focht das Urteil an. So hatte sich in zweiter Instanz die 5. kleine Strafkammer des Landgerichts mit dem Foto-Fall zu befassen.

Dass es mit der Beweiskraft des Originalbildes aus der Blitzkamera an der Wunstorfer Kreuzung nicht zum Besten bestellt war, darüber herrschte in der Berufungsverhandlung bald Einigkeit. Zudem konnte sich auch der jetzige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht dem Ergebnis des Vergleichs mit einigen Aufnahmen aus der Akte entziehen. Es waren Fotos von Brüdern des Angeklagten: Familienähnlichkeit unverkennbar, besonders bei einem Bruder. Und der saß, neben zwei Geschwistern, im Publikumsbereich und war auch bereit, kurz seine Corona-Schutzmaske abzunehmen. Als Zuschauer wäre er zur „Mitwirkung“ nicht verpflichtet gewesen.

Nach der Devise „Im Zweifel für den Angeklagten“ wurde der 34-Jährige erneut freigesprochen. Letztlich sei es nicht auszuschließen, dass jemand anderes den Transporter gelenkt habe, sagte die Vorsitzende Richterin. Bei besserer Qualität des Blitzerfotos hätte man eine Entscheidung treffen können, so aber nicht. Mit Verweis auf die Ausgangslage, „viele Brüder und viele Autos, die von verschiedenen Personen genutzt werden“, erklärte die Richterin: „Es ist mal wieder so ein Fall, wo Volkes Stimme sagen würde: Sind sie wieder damit durchgekommen…“  Dies dürfe aber nicht zur Folge haben, „dass wir unsere Ansprüche herunterfahren“.

176 km/h statt der erlaubten 120

Den Anspruch, endlich gänzlich von einer Führerscheinsperre befreit zu werden, stellte ein Bremer an die Berufungskammer. Der einschlägig vorbestrafte Mann war im März vergangenen Jahres von der Polizei aus dem Verkehr gezogen worden, nachdem mit deutlich erhöhter Geschwindigkeit in einem Porsche über die Autobahn 7 gebrettert war: 176 Kilometer pro Stunde, wo 120 erlaubt waren. Eine Fahrerlaubnis hatte er seit 2014 nicht mehr. Am saftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Walsrode störte ihn vornehmlich die zweijährige Sperrfrist, bis er überhaupt einmal eine neue Lizenz beantragen könnte. Im Prozess erreichte er zumindest eine Reduzierung auf ein Jahr Sperre, doch er wollte gar keine.

Diesen Willen durchzusetzen, überließ er aber vor dem Landgericht gänzlich seinem mit entsprechender Vollmacht ausgestatteten Verteidiger. Der Rechtsanwalt führte für das Fernbleiben seines Mandanten zunächst vollmundig ins Feld, dieser sei „Opfer einer Messerattacke“ geworden. Als schon Schlimmstes zu befürchten stand, räumte der Anwalt ein, der Mann sei so weit wohlauf, die Sache vor einem Supermarkt auch schon vor zwei Monaten passiert. „Der Angeklagte legt keinen Wert darauf, bei der Berufungsverhandlung anwesend zu sein“, diktierte die Richterin zu Protokoll. Einstweilen muss der führerscheinlose Raser, der angeblich reumütig aufs Stahlross umgestiegen ist, sich noch auf das langsamere Fortbewegungsmittel beschränken. Die Sperrfrist wurde aber nochmals halbiert. Zur Kasse gebeten wird der Postzusteller auch: Die Geldstrafe beträgt 2700 Euro.

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