Brotreste lassen sich viel nachhaltiger nutzen als nur zum Entenfüttern. Was man nach Ansicht der Tierschutzorganisationen ohnehin nicht tun sollte. Aus Brot wird Bier und aus Bier wird wiederum Brot – diesen Ansatz verfolgen nun zwei alte Handwerke, nämlich die Mitglieder der Verdener Brau Manufaktur und Bäckermeister Horst Rotermundt aus Holtum (Geest). Kerngedanke der Zusammenarbeit ist die Verwendung von nicht verkauftem Brot vom Vortag.
Bevor die Brotkruste in den Braukessel kommt, muss sie natürlich erst getrocknet und gemahlen werden. "Das Altbrot ersetzt dabei bis zu einem Drittel den für das Brauen benötigten Malz", erläutert Richard Schulte. Mit seinem weißblauen Mund-Nasen-Schutz erinnert der Luttumer ein wenig an den bayerischen Ministerpräsidenten. So weit hergeholt ist der Vergleich gar nicht, denn Schulte ist früher schließlich im berühmten Weihenstephan ganz tief in die Kunst des Brauens eingetaucht.
"Im Grunde steckt in jeder Flasche eine Scheibe aussortiertes Bio-Brot", erläutert sein Kompagnon, der frühere Lebensmittel-Chemiker Eberhard Walther aus Verden. 6,8 Umdrehungen weist eine Flasche "Flüssig Brot" auf. Und wie mundet der kastanienfarbene Trunk? "Natürlich gut", sagt Horst Rotermundt und hebt das besondere Aroma hervor. Weihenstephan-Absolvent Schulte kann es noch ein wenig blumiger beschreiben: "Der samtene Charakter dieses schlank-malzigen und süffigen Bieres erinnert an die weiche, fluffige Kruste eines frischen Bauernbrotes." Die wohldosierte Restsüße verbinde sich dabei mit einem "feinen Marzipan-Aroma sowie Nuancen von fruchtigen Aprikosennoten". Der Trunk verbinde die Geschichte des Bieres untrennbar mit der Geschichte des Brotes. Bier und Brot bestehen nämlich weitgehend aus den denselben Inhaltsstoffen.
Für ihre neue Craft-Beer-Sorte probierten die Handwerksbrauer verschiedene Brotsorten aus. Herzstück des handwerklich hergestellten Bieres sei dabei das Endstück, Kante oder Kruste, das dem Sud eine gewisse Süße verleihe. Auch wenn die Kombination aus Bier und Altbrot nur ein kleines Zeichen einer "gelebten Nachhaltigkeit" ist, gefällt den Protagonisten beider Handwerke der Gedanke, aus ungenutzten Lebensmitteln neue Produkte zu kreieren.
Sie gehen selbstverständlich auch den umgekehrten Weg, also vom Bier zum Brot. Das beim Brauen ausgekochte Malzschrot, der sogenannte Treber, wird in der Holtumer Handwerksbackstube nämlich auch regelmäßig zum Bierbrotbacken verwendet. Rund eine Stunde lang kommt es bei 250 Grad in den Steinbackofen. "Unser würziges Verdener Brotbier gibt es nicht nur in der Brau Manufaktur an der Oberen Straße 24 zu kaufen, wir servieren es natürlich auch bei unseren regelmäßigen Verkostungen", verrät der für das Marketing zuständige Rolf Zepp.
Die Domstadt Verden war einmal eine richtige Bierstadt. Vor 200 Jahren gab es dort noch sage und schreibe 62 Brauereien. Die Biersteuer machte damals sogar rund ein Viertel aller städtischen Einnahmen aus. Rund 100 Jahre nach der Schließung der letzten Verdener Brauerei machte die Verdener Bräu-Connection das alte Handwerk mit seiner gläsernen Brauerei im historischen Zentrum von Verden wieder sichtbar. Was im Herbst 2016 aus einer Bierlaune heraus entstand, zunächst in Daverden gebraut und im Gewölbekeller des Verdener Domherrenhauses zwischengelagert wurde, ist inzwischen im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. „Das Verdener Wasser eignet sich hervorragend zum Brauen“, schwärmt das waschechte Münchner Kindl Richard Schulte vom besonders weichen Nass.
Auch Kerstin Junge, Geschäftsführerin des kleinen Brauhauses im Verdener Genuss-Dreieck ist auf den Geschmack gekommen und gönnt sich in der Pause gern einmal eine Scheibe Bierbrot.