Auch wenn die Flötotto-Möbel aus den 1970er-Jahren etwas anderes sagen: In der Kreismusikschule Verden weht ein neuer Wind. Birgit Romann, die neue Leiterin der Einrichtung, hat zumindest viel vor. Die Musikschule kennt sie aus dem Effeff. Vor 30 Jahren begann Romann, damals noch Studentin, dort zu unterrichten. 2019 wurde die gebürtige Bremerin stellvertretende Leiterin. Nun sitzt sie ganz offiziell im Chefsessel und hofft, bald eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter an die Seite gestellt zu bekommen.
An ihr Bewerbungsgespräch vor 30 Jahren kann sich Romann noch gut erinnern. Der Gründer der Kreismusikschule habe keine Zeit gehabt und sie kein Auto. So fuhr die Bremerin mit dem Zug nach Verden und traf sich mit ihrem künftigen Chef auf einer Bank am Gleis eins, stellte sich vor, zeigte ihre Zeugnisse und bekam den Job. Dass sie die Einrichtung von klein auf kennengelernt habe, sei nun ein großer Vorteil. Dennoch bringe die neue Position auch viele neue Aufgaben mit sich, in die sie sich erst einmal einarbeiten musste. Bereits im Februar 2021, nach dem Weggang ihrer Vorgängerin Ulrike Petritzki, hatte Romann die Leitung zunächst kommissarisch übernommen.
2021 war ein schweres Jahr
"Wir haben ein schweres Jahr hinter uns", blickt sie zurück. Dennoch sei die Schule verhältnismäßig gut durch das zweite Coronajahr gekommen. Zahlreiche digitale Angebote halfen, den Betrieb am Laufen zu halten. Von den üblichen 1400 Schülerinnen und Schülern kam nur ein kleiner Teil abhanden. Das Lehrpersonal stellte sich schnell auf den digitalen Unterricht um und bemühte sich, die Lehreinheiten trotz aller Unwägbarkeiten gut zu gestalten. Gerade der Gruppenunterricht sei natürlich schwierig, räumt Romann ein. Denn durch Zeitverzögerungen und mangelnde Audioqualität sei es nahezu unmöglich, gleichzeitig zu spielen. Und so spielten Lehrerinnen und Lehrer vor ihren Kameras Stücke vor und die Lernenden spielten sie bei ausgeschalteten Mikrofon in den heimischen vier Wänden nach. "Es war eher Frontalunterricht", sagt Romann.
Da auch Konzerte und Tage der offenen Tür nur schwer umsetzbar waren, setzte die Musikschule auch dafür auf digitale Angebote. In eigens gegründeten Whatsapp-Gruppen konnten sich so Freunde, Eltern und Großeltern an kurzen Videos der jungen Musizierenden erfreuen und diese mit digitalem Applaus honorieren. "Das war schon sehr wertschätzend", erzählt Romann von den Rückmeldungen des Publikums an den Bildschirmen. Auch ein kleines Open-Air-Konzert habe es gegeben. Stichwort Musik unter freiem Himmel: Beim Blick auf die Holztreppen am Gebäude der Verdener Musikschule bekommt Romann gleich die nächste Idee: ein Treppenkonzert.
Hygienekonzept bewährt sich
Inzwischen läuft der Unterricht in den Räumen in Achim und Verden, aber auch an vielen anderen Orten im Landkreis wieder. "Wir haben ein gutes Hygienekonzept", findet Romann. "Bis jetzt sind wir damit gut gefahren." Regelmäßiges Lüften, Hände desinfizieren, Abstand halten – all das sei allen schon ins Blut übergegangen. Spuckschutze gehören inzwischen zum Inventar wie Flügel und Notenständer. Dennoch blickt die Schulleiterin mit Sorge auf die steigenden Corona-Zahlen. Wie lange der Unterricht vor Ort noch möglich bleibe, sei fraglich. Gerade bei den Bläserinnen und Bläsern, aber auch beim Singen seien schließlich viele Aerosole unterwegs. Generell wolle die Schule allerdings weiterhin Präsenzunterricht anbieten und nur im Notfall wieder auf digitale Alternativen umsteigen.
Während früher der Fokus der Kreismusikschule auf Kindern und Jugendlichen lag, möchte Romann die Einrichtung nun für alle Interessierten öffnen. Die KMS sei keineswegs eine elitäre Anlaufstelle. Klar, gebe es auch viele zielstrebige Musizierende, die sich auf das Studium und Wettbewerbe vorbereiteten. Das sei auch gut so. Generell müsse aber "das Leistungsorientierte", das dem Image der Schule anhafte, weg, findet Romann. Denn die Einrichtung soll auch Raum für Menschen bieten, die einfach aus der Freude heraus musizieren wollen. Gesellschaft und Spaß hätten einen großen Stellenwert. "Uns ist ganz wichtig, dass wir eine Musikschule für alle sind", betont Romann. "Wir holen jeden da ab, wo er steht."
Ukulelen-Workshop und DJ-Kurs
Von klassischer Musik bis zu Rock und Pop reiche das stilistische Angebot der Schule, die neben den üblichen Instrumenten auch immer mal wieder Neues ausprobiert. "Im vergangenen Jahr haben wir einen Ukulelen-Workshop angeboten", nennt Romann ein Beispiel. Das hawaiianische Zupfinstrument habe sich in den vergangen Jahren zum Trendobjekt gemausert. Auch die Überlegung, ein Ukulelen- oder Akkordeon-Ensemble zu gründen, treibt die neue Leiterin um. Wer es lieber elektrisch mag, könnte künftig bei einem DJ-Kurs glücklich werden.
"Musik hat eine besondere Wirkung", findet Romann. Sie beeinflusse das soziale Leben, die Emotionen, aber auch die Hirnstruktur. Singen und Musizieren seien ein tolles Training für den Kopf. Daher soll es – sobald sich die Coronasituation verbessert hat – auch musikalische Angebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen geben.
Weg vom Papier
Unabhängig von dem Fortgang der Pandemie bleibt auch das Thema Digitalisierung ein wichtiges Thema für die Bildungseinrichtung. "Wir haben die Homepage aktualisiert", erzählt Romann. Viele Videos geben nun lebendige Eindrücke von der Arbeit der Musikschule. "Wir wollen weg vom Papier", nennt die Leiterin einen weiteren Punkt. Anmeldungen sind nun auch online möglich.
Romann stammt aus einer musikalischen Familie. Und auch viele Schülerinnen und Schüler der Musikschule sind in Haushalten mit Instrumenten aufgewachsen oder haben zumindest Eltern, die sie für das Erlernen eines Instruments begeistern. Damit möglichst viele Kinder die Chance haben, ihr musikalisches Talent oder Interesse zu entdecken, bietet die Musikschule Kurse in Kindertagesstätten an. Mit 16 Einrichtungen im gesamten Landkreis liefen Kooperationen, erklärt Romann. Auch mit Grund- und weiterführenden Schulen werde zusammengearbeitet.
Weitere Informationen zum Angebot der Musikschule gibt es unter www.musikschule-verden.de.