Sichtlich stolz blickt Petra Müller auf die Störche, die es sich in zwei Autoreifen gemütlich machen. Obwohl sie erst um die neun Wochen alt sind, sind die Tiere bereits von niedlichen Küken zu stattlichen Jungvögeln herangewachsen. „Sobald sie ihr Nest verlassen, sieht man aber, dass sie eigentlich noch klein sind“, verrät die Storchenmama. „Das sind noch ganz stolprige Gehversuche, die noch nichts Majestätisches an sich haben.“
Auch Fliegen können die jungen Vögel noch nicht. Jeden Abend lässt Müller die Störche auf die Wiese, um ihr Laufen zu trainieren. „Man darf sie aber nicht drängen und sie müssen alles aus eigener Motivation machen, da sind sie Kindern sehr ähnlich“, erzählt sie lachend. Seit 17 Jahren kümmert sich die Stationsleiterin um verwaiste Vögel und hat zurzeit ein neues Quartett in ihrer Obhut.
Zwei der vier Störche seien Geschwister und würden aus einem Gehege in Armsen stammen. Ein Elternteil sei in einem Windpark verunglückt. „Da mussten wir das Gehege leider auflösen, denn ein altes Elternteil alleine kriegt den Nachwuchs nicht groß“, offenbart Müller. Ein anderer Storch sei in Blender gefunden worden und ein kleiner Nachzügler gewesen. Das Nesthäkchen der Truppe stamme aus Rethem und sei aus seinem Nest in einer Dachrinne gelandet. „Er war bereits blau und eiskalt, also habe ich ihn in Kamillenwasser langsam aufgewärmt und mit einem Föhn getrocknet“, erinnert sich die Tierfreundin.
Bald werden die Störche flügge
Seit dem Jahr 2013 bekommen die aufgepäppelten Störche einen Paten. Diese Patenschaft kostet 50 Euro. „Wir haben uns damals überlegt, wie viel das Futter und die Versorgung für einen Storch in etwa kosten und haben uns auf den Betrag geeinigt.“ Aus vielen Bewerbungen werden die Gewinner ausgelost. Diese erhalten ein Foto von ihrem Patenkind, eine Urkunde über die Patenschaft sowie die Ringnummer ihres Storchs, mit der sie nachvollziehen können, wo dieser später Halt macht. Die Vögel seien in der Vergangenheit schon auf Gibraltar, in Madrid oder besonders häufig in Israel gesichtet worden.
Etwa 70 Bewerber habe es dieses Jahr für die vier jungen Störche gegeben und die Patenschaft sei immer wieder sehr beliebt. Doch woher kommt diese Faszination für den Adebar? „Ich glaube, der Storch ist für viele ein positives Tier und ich kenne niemanden, der keine Störche mag“, klärt Müller auf. Oft werde sie von Menschen angesprochen, die die Patenschaft zur Taufe oder Konfirmation verschenken möchten. Trotzdem macht sie keine Ausnahmen, wie sie sagt. Auch in diesem Jahr haben sich glückliche Paten gefunden, die die Störche auf die Namen Gustav, Linus, Dexter und Jonas getauft haben.
In zwei bis drei Wochen werden ihre Schützlinge die Station verlassen und nur noch morgens und abends zur Fütterung kommen. Ab Mitte August gehen die Vögel laut der Storchenmama dann ganz ihren eigenen Weg. „Viele Menschen fragen mich, ob es nicht traurig ist, die Kleinen wie Kinder aufzupäppeln und dann gehen zu sehen“, erzählt sie. „Für mich ist es allerdings nicht traurig, denn die Erfahrung kommt jedes Jahr wieder und ist jedes Mal ganz anders.“ Dieses Jahr habe sie insgesamt sechs Störche aufgepäppelt, im Jahr 2014 seien es sogar stolze 21 Adebare gewesen.
Die ganze Familie habe damals mithelfen müssen und die verwaisten Tiere vier Wochen lang von morgens bis abends alle zwei Stunden gefüttert. „Obwohl es anstrengend war, hat mich der Ehrgeiz gepackt und am Ende sind alle Störche groß geworden“, erinnert sie sich zufrieden. Die Tiere seien für sie ohnehin nie eine Belastung, sondern stets eine große Freude gewesen: „Noch heute sitze ich gerne bei den Störchen, wenn ich Stress habe und lasse die Seele baumeln.“