Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Landwirte frustriert über neue Initiative Schweinebauern leiden unter Tierwohl

Die Schweine von Landwirt Hinnerk Denker haben es besser in jüngster Zeit in ihrem Stall in Morsum bei Thedinghausen. Sie haben mehr Platz, können im Stroh wühlen und ihren Drang nach Beschäftigung an Spielzeug abreagieren.
09.05.2015, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Schweinebauern leiden unter Tierwohl
Von Anna Zacharias

Die Schweine von Landwirt Hinnerk Denker haben es besser in jüngster Zeit in ihrem Stall in Morsum bei Thedinghausen. Sie haben mehr Platz, können im Stroh wühlen und ihren Drang nach Beschäftigung an Spielzeug abreagieren. Der Landwirt hat sich bei der bundesweiten Initiative Tierwohl registriert. Die Kosten werden ihm nun aus einem Fördertopf erstattet, in den der Lebensmittelhandel seit dem 1. Januar je verkauftem Kilo Schweinefleisch vier Cent einzahlt. Die Hälfte der Landwirte aus dem Landkreis Verden aber, die für die Initiative in Vorleistung gegangen sind, geht leer aus.

So auch ein Schweinehalter aus Dörverden, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Insgesamt rund 30 000 Euro habe er in die Umrüstung investiert, in seinem Stall stehen nun 500 Tiere weniger, damit der Rest mehr Platz hat. Er hat unter anderem Fensterfläche eingebaut, damit mehr Licht einfällt, die Wasserqualität verbessert und Spielzeug angeschafft.

Weil es zu viele Bewerber gab, ist er nun mit vielen anderen auf einer Warteliste gelandet. „Wo ich stehe, weiß ich noch nicht. Ein Bekannter sagte mir, er stehe auf Platz 1300. Aus meiner Sicht sind die Chancen da gleich Null“, sagt er mit Verbitterung in der Stimme. Er habe damit gerechnet, dass ihm die Ausgaben mit der Förderung durch die Initiative Tierwohl in den kommenden drei Jahren rückerstattet würden, nun bleibe er auf den Kosten sitzen.

In Niedersachsen hatten sich mit 1440 die meisten Landwirte beworben, nur 685 wurden angenommen. Für das Auswahlverfahren war die Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mit Sitz in Bonn zuständig. „Wir hätten nicht gedacht, dass es so viele werden – die Branche ist besser als ihr Ruf“, sagt Pressesprecher Patrick Klein. Bei der Auswahl sei zunächst eine Rangliste erstellt worden, ausschlaggebend sei das Datum der Umsetzung der Kriterien gewesen. Wenn der Stichtag der selbe war, habe das Los entschieden. Auch für die Landwirte auf der Warteliste gebe es aber die Chance, nachzurücken. „Das könnte entweder passieren, wenn wir bei Kontrollen feststellen, dass einige die Kriterien nicht wie beschrieben umgesetzt haben, oder aber, wenn sich noch weitere Einzelhändler beteiligen und der Topf so vergrößert wird“, sagt Klein.

Tobias Horn ist Geschäftsführer beim Dienstleister IQ-Agrarservice in Osnabrück, der Landwirte auch in Bezug auf die Initiative Tierwohl beraten hat. „Es ist ärgerlich, wenn man mit erheblichen Investitionen in Vorleistung gegangen ist“, sagt er. Bei Informationsveranstaltungen seien die Landwirte aber auch darauf hingewiesen worden, dass die Fördermittel begrenzt seien.

Hinnerk Denker aus Morsum hatte sich dafür entschieden, bei der Initiative Tierwohl mitzumachen, obwohl er nun unter anderem durch das Stroh auch mehr Arbeit im Stall hat. Er freut sich, dass er einen positiven Bescheid bekommen hat, kann aber auch verstehen, dass andere Landwirte nun frustriert sind. Er kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Erwartungshaltung der Gesellschaft gegenüber den Landwirten. „Es gibt inzwischen etliche Verbraucher, die sich Gedanken über die Herkunft der Nahrungsmittel machen, aber bei der Kaufentscheidung dennoch zum günstigeren Produkt greifen, obwohl dies aus den von ihnen kritisierten Haltungsbedingungen stammt“, sagt er. Die Bauern würden in der öffentlichen Wahrnehmung alles verkehrt machen, erhielten dann aber nur wenig Unterstützung. Lediglich drei bis vier Cent pro Kilo Fleisch seien nötig, um die Verbesserungen beim Tierwohl zu finanzieren.

Bei einer Informationsveranstaltung im Niedersachsenhof zum Thema Tierwohl in Verden war der Saal voll. Kreislandwirt Jörn Ehlers hat bemerkt, dass viele Tierhalter inzwischen desillusioniert sind. „Ich denke, die Resonanz ist ein tolles Signal. Die Landwirtschaft ist bereit, Tierwohl umzusetzen. Nun muss sich zeigen, ob das, was uns immer gesagt wird, leere Worthülsen der Verbraucher und Politik sind“, meint er und fragt: „Trägt die Gesellschaft das System mit, oder sind vier Cent pro Kilo Fleisch schon die Schmerzgrenze?“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)