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Museumspädagogin Brigitte Hartmann verlässt das Verdener Domherrenhaus nach fast einem Vierteljahrhundert Sie lebt nicht in der Steinzeit

Verden. Er rollt. Brigitte Hartmann schiebt den Apothekerwagen durch den Aktionsraum des Verdener Domherrenhauses, zieht eine Schublade nach der anderen auf, hantiert mit den Arzneien, stellt sie auf die Ablage.
27.01.2016, 00:00 Uhr
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Von Jörn Dirk Zweibrock

Er rollt. Brigitte Hartmann schiebt den Apothekerwagen durch den Aktionsraum des Verdener Domherrenhauses, zieht eine Schublade nach der anderen auf, hantiert mit den Arzneien, stellt sie auf die Ablage. „Den hat die damalige zehnte Klasse der Störtebeker-Schule anhand eines Modells nachgebaut“, erinnert sich Verdens Museumspädagogin an ihre Erfindung. Dafür wurde sie sogar ausgezeichnet. Mit dem Förderpreis Museumspädagogik des Bundesverbandes Museumspädagogik. Das war bereits vor über zehn Jahren.

Damals war Brigitte Hartmann schon 14 Jahre an Bord des Historischen Museums. Nach genau 24,5 Jahren wird sie das geschichtsträchtige Haus an der Untere Straße nun zum 1. März verlassen. Wer die 62-Jährige kennt, weiß, dass sie nicht gern zurückblickt, in Erinnerungen schwelgt, an dem hängt, was gewesen ist. Nein, die gebürtige Altmärkerin konzentriert sich voll und ganz auf die Zukunft, auf das, was kommt. „Wir ziehen im Frühjahr von Verden nach Magdeburg“, freut sich die langjährige Museumspädagogin des Domherrenhauses. Quasi zurück zu ihren Wurzeln, heim nach Sachsen-Anhalt. „In Magdeburg gibt es etwa ein Dutzend interessanter Museen“, kann sie es kaum erwarten, bis sie endlich in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt angekommen ist, weil sie nun einmal auch „überhaupt keine Kleinstadtpflanze“ sei. In der Domstadt am Elbestrand könne sie ihre gewonnenen Erfahrungen bestimmt schon an der ein oder anderen Stelle einbringen, sich weiterhin freiwillig engagieren.

Brigitte Hartmann kommt aus der Frauenbewegung, hat sich darüber hinaus mit ganzem Herzen dem Tierschutz verschrieben. Deshalb ist es ihr auch wichtig zu betonen, dass es sich beim riesigen Elefanten im Altsteinzeit-Zimmer des Verdener Museums keineswegs um echtes Elfenbein, sondern vielmehr um Plastik handele. Ja, auch diese Räumlichkeit hat Brigitte Hartmann maßgeblich mitgestaltet, ihren persönlichen Stempel aufgedrückt. Kunststück, hat sie doch in den 1970er-Jahren die Fachoberschule für Gestaltung in Bremen besucht. „Ich bin in meinem Leben immer zwischen diesen beiden Bereichen – Gestaltung und Erwachsenenbildung – hin- und hergesprungen“, lässt Brigitte Hartmann ihre berufliche Vita Revue passieren. Denn bevor die diplomierte Sozialpädagogin in der Allerstadt Verden angeheuert hat, war sie lange in der Erwachsenenpädagogik aktiv, unter anderem bei der Bremer Volkshochschule tätig.

„Du wohnst hier aber schön“ habe ihr früher mal ein Drittklässler bei seinem Besuch im Verdener Domherrenhaus zugerufen, erinnert sich Brigitte Hartmann mehr als gern an „dieses schöne Erlebnis“ zurück. Als sie so durch ihr museumspädagogisches Refugium, den Aktionsraum des Domherrenhauses, schlendert, spricht sie darüber, was es mit dieser Teildisziplin der angewandten Pädagogik eigentlich auf sich hat. „Einer redet, der Rest schweigt und scharrt mit den Hufen – Führungen durchs Museum – das war gestern und hat überhaupt nichts mit Museumspädagogik zu tun“, stellt die 62-jährige Noch-Verdenerin klar. Wozu gebe es schließlich die gerade bei Einzelbesuchern so beliebten Audioführungen im Domherrenhaus. Sie würden im 21. Jahrhundert das abdecken, was früher ehrenamtliche Museumsführer geleistet hätten. Ehrenamtlich versteht sich. Aber Brigitte Hartmann war in Verdens Historischem Museum stets hauptamtlich tätig, hat lange in Vollzeit gearbeitet, bevor sie ihre Stunden letztendlich reduziert hat.

Als Museumspädagogin arbeite sie eben „handlungsorientiert“, verstehe ihre Tätigkeit als „experimentelle Archäologie“. So der Name für diesen „wissenschaftlichen Zweig“. Ihre Zielgruppen, das seien immer Schüler jeglichen Alters, jeglicher Schulform gewesen. Gleich nach Aufnahme ihrer Tätigkeit im Domherrenhaus, damals noch als Verdener Heimatmuseum bekannt, habe sie eine Steinzeit-Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Kreisarchäologie auf die Beine gestellt. „Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser.“ Und bei der Hebammen-Schau habe sie damals gleich eine Schwangere eingeladen. „Die hat sich dann von den Kindern über ihren dicken Bauch streicheln lassen.“

Im für die Museumspädagogik reservierten Aktionsraum können die jungen Besucher heute beispielsweise mit einem Steinzeitmesser Leder schneiden oder in der mittelalterlichen Apotheke vorbeischauen. „Früher war nicht etwa die Schlange, sondern vielmehr das Krokodil Symbol für eine Apotheke“, erzählt die Museumspädagogin, die schon mit unzähligen Kindern einen Steinzeit-Speer nachgebaut hat. Würde so ungefähr 3,5 Stunden dauern. Oder einen Faustkeil, ihrer Ansicht nach der „Black and Decker der Steinzeit“. Ein bis zwei Kindergeburtstage pro Woche – von der Steinzeit über das Mittelalter bis hin zum Piratentum – hat die Museumspädagogin in den vergangenen Jahren für die Lütten aus der Reiterstadt und umzu im Verdener Museum ausgerichtet.

Steinzeit oder Mittelalter? Wenn sie eine Zeitreise antreten könnte, in welcher Epoche würde Verdens langjährige Museumspädagogin dann gerne leben wollen? „Im Mittelalter, das ist einfach wesentlich vielfältiger als die Steinzeit, schon allein wegen der vielen rauschenden Feste.“

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