Das Urteil wird an diesem Tag fallen – da waren sich die Verteidiger der Klimaaktivisten, die vor dem Achimer Amtsgericht wegen Nötigung angeklagt waren, am Donnerstagmorgen einig. Letztlich sollte es aber dennoch mehr als sechs Stunden dauern, bis ihre Prophezeiung tatsächlich eintrat. Denn auch der fünfte und letzte Prozesstag zog sich.
Am Ende stand dann aber tatsächlich eine Verurteilung: Die Richterin sprach die beiden Angeklagten schuldig und verurteilte den 28-Jährigen zu einer Geldstraße von 90 Tagessätzen à zehn Euro. Die 25-jährige Angeklagte erhielt eine geringfügig niedrigere Strafe – hier verhängte die Richterin eine Geldstraße von 70 Tagessätzen à zehn Euro. Da sich der Vorfall allerdings vor mehr als drei Jahren ereignet hatte, ordnete die Richterin in ihrem Urteil an, dass bei beiden Angeklagten 30 Tagessätze wegen Verfahrensverzögerung schon als vollstreckt gelten.
Wie berichtet, hatte die Staatsanwaltschaft den beiden Angeklagten vorgeworfen, Teil einer Gruppe gewesen zu sein, die am 15. April 2021 auf eine Schilderbrücke an der A27 zwischen Achim-Nord und dem Bremer Kreuz geklettert war. Dort sollen sie Transparente festgeklebt und sich von der Schilderbrücke abgeseilt haben. Ähnliche Aktionen fanden damals zur selben Zeit und anlässlich der Verkehrsministerkonferenz in Bremen auch auf der A1 bei Oyten und im Bremer Stadtgebiet statt.
Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe
Die Staatsanwaltschaft hatte die beiden Angeklagten ursprünglich neben Nötigung auch noch wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung angeklagt. Die beiden letzten Punkte waren im Laufe des Verfahrens allerdings fallengelassen worden. Den Vorwurf der Nötigung im besonders schweren Fall sah der Staatsanwalt allerdings bestätigt. "Der Stau, der wegen der Protestaktion entstanden ist, war lang und hat viele Personen in Mitleidenschaft gezogen", begründete er in seinem Plädoyer. Er forderte daher auch eine deutlich höhere Strafe. Für den Angeklagten forderte er eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, für die Angeklagte acht Monate. Beide sollten zur Bewährung ausgesetzt werden. Zusätzlich plädierte er für 120 Stunden gemeinnützige Arbeit.
Die beiden Verteidiger machten indes bereits in ihren Plädoyers deutlich, dass sie alles andere als einen Freispruch ihrer Mandanten nicht akzeptieren würden. Für sie war es nämlich alles andere als erwiesen, dass die beiden Angeklagten tatsächlich bei der Aktion vor Ort waren. Die Zeugen hätten sich ihrer Ansicht nach nicht mehr gut erinnern können. "Nur weil der Ausweis meines Mandanten vor Ort gefunden wurde, heißt das nicht, dass er auch wirklich vor Ort war", sagte die Verteidigerin des 28-Jährigen. Die Angeklagte indes sei sogar nur mithilfe eines Fotos identifiziert worden. "Es gibt Zweifel, die nicht ausgeräumt werden konnten und wir wissen, was das bedeutet: Im Zweifel für den Angeklagten", sagte die Verteidigerin.
Ähnlich sah das auch der Verteidiger der 25-Jährigen, die am letzten Prozesstag selbst gar nicht vor Ort war. "Der ganze Prozess ist rein politisch motiviert", warf er dem Gericht vor. Es sei nicht ausreichend ermittelt worden, dass es für eine Verurteilung der Angeklagten ausreiche. Zudem habe es – mit Blick auf den Vorwurf der Nötigung – an besagtem Tattag keine unüberwindbare physische Hürde auf der Autobahn gegeben. Die Autos hätten theoretisch auch an den Fahrzeugen der Polizei, die den Verkehr auf der Autobahn gestoppt hatten, vorbeifahren können.
Wegen Nötigung schuldig gemacht
Die Richterin sah das aber offensichtlich anders. Die Angeklagten hätten sich der Nötigung schuldig gemacht, indem sie die Autofahrer durch ihre Aktion genötigt hätten, stehen zu bleiben. Die Gefahren, die mit dieser Aktion einhergingen, "können nicht als nicht verwerflich qualifiziert werden". Zudem hätten die Angeklagten vorsätzlich gehandelt. "Es war ihr Ziel, eine möglichst große Aufmerksamkeit auf ihre politische Meinung zu lenken", sagte die Richterin in ihrem Urteil. Einen "besonders schweren Fall" der Nötigung sah sie allerdings – anders als der Staatsanwalt – nicht. Das sei nur der Fall, wenn der Vorfall schwerer wiege als der Regenfall. "Und das sehe ich hier nicht".
Strafmildernd wertete die Richterin die Tatsache, dass der Fall schon sehr lange zurückliegt. Bei der Angeklagten komme außerdem noch hinzu, dass sie nicht vorbestraft sei und sich vor Ort sehr kooperativ verhalten habe.