"Ich beantrage, den Antrag abzulehnen." Diesen Satz sagt der Staatsanwalt am Achimer Amtsgericht sehr häufig am vierten Verhandlungstag im Prozess gegen zwei Aktivisten, die im April 2021 an einer Protestaktion am Bremer Kreuz beteiligt gewesen sein sollen. Rund 30 Beweisanträge stellten die Verteidiger, um zu belegen, dass die Angeklagten an dem fraglichen Tag keine Straftaten begangen haben. Rund 30 Beweisanträge wurden nicht nur ordnungsgemäß dem Gericht gefaxt, sondern auch Wort für Wort verlesen. Und rund 30-mal gab die Anklage ihre ablehnende Haltung zu Protokoll. So zeitraubend das Prozedere im Gerichtssaal war, lieferte es auch wichtige Erkenntnisse für das weitere Verfahren. Denn am Ende des Tages war klar, welche Strategie die Aktivisten verfolgen, um einer Verurteilung zu entkommen.
Die Staatsanwaltschaft Verden wirft einem 28-jährigen Mann und einer 25-jährigen Frau aus Gießen vor, Teil einer Gruppe gewesen zu sein, die am 15. April 2021 auf eine Schilderbrücke an der A27 zwischen Achim-Nord und dem Bremer Kreuz geklettert war. Dort sollen sie Transparente festgeklebt und sich von der Schilderbrücke abgeseilt haben. Ähnliche Aktionen fanden damals zur selben Zeit auch auf der A1 bei Oyten und im Bremer Stadtgebiet statt. Für die Anklage ergaben sich aus dieser Aktion drei Straftatbestände: Nötigung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung.
Allerdings werden zwei der Tatvorwürfe in dem Verfahren nicht weiter verfolgt. Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Vorschlag der Richterin zu, sich nur noch die Nötigung in einem besonders schweren Fall zu konzentrieren. Und auch dieser Vorwurf steht – zumindest aus Sicht der Verteidiger – auf tönernen Füßen.
Argumente der Verteidigung
Die Strategie der Klimaaktivisten lässt sich in drei Punkten zusammenfassen. Erstens sehen sie bislang nicht, dass den Beschuldigten die Tat nachgewiesen werden kann. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die Frage, ob sie am fraglichen Tag auf die Schilderbrücke geklettert waren, sondern ob dieses Verhalten strafbar war. Zweitens halten sie dem Vorwurf der Nötigung entgegen, dass es nicht ihre Entscheidung war, die Autobahn aufgrund ihres Protests zu sperren. Bei anderen Protesten im Bereich von Autobahnen, zum Beispiel 2022 auf der A100 bei Berlin, habe sich die Polizei dafür entschieden, den Verkehr nicht zu stoppen, so das Argument. Die Beschuldigten meinen, es wäre sogar in ihrem Interesse gewesen, wenn die Autos weitergefahren wären, denn dann hätten mehr Menschen ihren Protest wahrgenommen. Drittens rechtfertigen sie ihre Aktionen mit einer Notlage. Weil die Regierung nicht genug unternimmt, um die Menschen vor den Gefahren des Autoverkehrs zu schützen, sehen die Aktivisten sich dazu berechtigt, diesen Schutz mit Protesten einzufordern.
Es ist eine Argumentation, die sich zuletzt auch Mitglieder der Letzten Generation zunutze gemacht hatten, wenn sie sich wegen Straßenblockaden verantworten mussten. Die meisten Gerichte folgten dieser Logik allerdings nicht. Der Achimer Fall ist jedoch etwas anders gelagert, denn auf der A27 hatte sich niemand auf der Fahrbahn festgeklebt. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass die Autobahn von den Demonstranten anderweitig blockiert worden wäre. Die Aktivisten behaupten, sich zu jeder Zeit mindestens fünf Meter über der Fahrbahn aufgehalten zu haben – also außerhalb des Verkehrsraums.
Ob die Richterin diesen Argumenten etwas abgewinnen kann, wird sich frühestens am Donnerstag, 29. August, zeigen. Um 8.30 Uhr beginnt der fünfte Prozesstag am Amtsgericht Achim. Dann wird sich auch herausstellen, wie viele der gut 30 Beweisanträge in dem Verfahren noch zugelassen werden. Allzu viele dürften es nicht sein, denn die Richterin bat Staatsanwalt und Verteidiger, sich darauf vorzubereiten, ihre Plädoyers zu halten. Mehr als drei Jahre nach vorgeworfenen Tat soll sich das Verfahren nun zügig seinem Ende nähern.