Eldrid Wiegmann wusste schon am zweiten Tag im Kreißsaal, was sie werden will: Hebamme. Die 20-Jährige aus Bockhop studiert im ersten Semester das Fach Hebammenwissenschaft in Hamburg und ist eine der drei ersten Stipendiatinnen dieses Fachs, die der Landkreis Diepholz finanziell unterstützt. Der Hintergrund: Für das neue Zentralklinikum in Borwede, das 2028 die ersten Patienten aufnehmen soll, ist auch wieder eine Geburtsstation geplant. Und dafür sollen jetzt schon künftige Fachkräfte geworben werden.
Eldrid Wiegmann wusste nach dem Abitur in Sulingen noch nicht so richtig, was sie machen wollte. Ihre Zwillingsschwester entschied sich, Physiotherapeutin zu werden. Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) sollte Eldrid Wiegmann dabei helfen, den richtigen späteren Beruf zu finden. "Ich hab früher viele Babys gesittet", erinnert sie sich. Als sie erfuhr, dass man ein solches FSJ neuerdings auch in einem Kreißsaal machen könne, stand ihr Entschluss sofort fest. Ihre Mutter sei zwar skeptisch gewesen, aber Eldrid Wiegmann machte sich auf nach Hamburg-Barmbek in die dortige Klinik. Wohnen konnte sie bei Onkel und Tante mit deren drei Töchtern. Bei ihren kleinen Cousinen wohnt sie auch heute noch, die jüngste ist gerade erst auf die Welt gekommen. Und für die 20-Jährige stand schon nach zwei Tagen im FSJ fest, dass sie Hebammenwissenschaft studieren wollte: "Es fühlte sich einfach richtig an."
Schon 150 Geburten begleitet
Während des FSJ folgten aber erst einmal 52 Wochen voller Höhen und Tiefen. "Man findet überall etwas Positives", sagt sie. Eldrid Wiegmann machte Nachtschichten genau wie die dort arbeitenden Hebammen. 150 Geburten hat sie seitdem mit begleitet, inklusive geplanten Kaiserschnitten. Neben ganz vielen glücklichen Momenten habe es da natürlich auch schwierige gegeben. Dennoch habe sie die Erfahrung gemacht, dass eine Hebamme immer gebraucht werde, aber besonders in solchen Situationen.
Nach dem praktischen Jahr bewarb sie sich für den Dualen hochschulübergreifenden Studiengang Hebammenwissenschaft an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg (UHH) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg. Am UKE finden die Vorlesungen statt, an der HAW die Seminare. 63 Studentinnen gibt es in ihrem Jahrgang insgesamt.
Eldrid Wiegmann gehört zum fünften Jahrgang. Nach sieben Semestern kann sie mit einem Bachelor of Science und der Berufszulassung als Hebamme abschließen. Anschließend soll die Arbeit in einem Kreißsaal folgen, aber Hebammen dürfen natürlich auch freiberuflich arbeiten. Eldrid kann sich sehr gut vorstellen, dann in Borwede zu beginnen: "Ich sehe mich erst mal in der Klinik", sagt sie. Dort im neuen Krankenhaus müsse sich dann ja auch erst mal das Team neu finden: "Das muss ja wachsen", sagt sie – und findet das spannend. Bis dahin paukt sie Anatomie, Biochemie, Geburtshilfe theoretisch und mit praktischen Übungen. Zwischendurch sind immer Arbeitstage im Kreißsaal, weil die Studiengänge überall dual stattfinden. "Ein Baby auf dem Arm hat man sowieso höchsten fünf Prozent der Zeit", sagt Eldrid Wiegmann. "Hebamme sein ist kein Babykuscheln."
Und immer, wenn die Zeit es zulässt, kommt sie auch mal wieder nach Hause: Eldrid Wiegmann ist Betreuerin der Jugend-Feuerwehr in ihrem Heimatdorf Bockhop und in der Landjugend und im Schützenverein aktiv. "Was man auf dem Dorf eben so macht", lacht sie.
Statt Medizin lieber Hebammenwisschaftsstudium

Auch sie sind Hebammenstipendiatinnen: Joyce Ferderer (links) und Rieke Hagemann.
Auch Rieke Hagemann aus Syke und Joyce Ferderer aus Heiligenloh bei Twistringen studieren Hebammenwissenschaft und gehören zu den Stipendiatinnen des Landkreises. Erfahren haben sie davon im übrigen "aus der Zeitung", sagt Rieke Hagemann (27). Und auch Joyce Ferderer (28) hat ein Bekannter den Zeitungsausschnitt vorgelegt mit dem Hinweis, dafür käme sie doch infrage. Beide studieren im ersten Semester, Hagemann in Bremen an der Hochschule, Ferderer an der Hochschule Osnabrück. Ihre Studiengänge sind ebenfalls beide dual, das heißt, Hagemann ist am Krankenhaus in Bremerhaven-Reinkenheide angestellt und Ferderer am St.-Marienhospital in Vechta.
Hagemann stammt aus Falldorf bei Syke. Aufgewachsen mit drei älteren Brüdern, lernte sie nach dem Abitur zunächst den Beruf der Verwaltungsfachangestellten und zog nach Bremen. Doch schon bald sei ihr klar geworden, dass sie lieber einen anderen Beruf ergreifen würde, etwas Praktischeres. Dass sie dadurch auch wieder in die Heimat ziehen könnte, zumal ihr Partner aus Schwarme kommt, war ein positiver Nebeneffekt: "Da passte auch das Stipendium super." Denn nach Ende des Studiums möchte sie auf jeden Fall im neuen Klinikum in Borwede arbeiten. "Ich freue mich darauf, wenn man sich da noch ein bisschen einbringen kann", sagt sie und ist froh darüber, dass die Geburtsstation dort ja auch "zusammen mit Hebammen geplant" worden sei.
Die ersten Erfahrungen im Kreißsaal hat sie während des dreimonatigen Praktikums in Verden und Rothenburg gemacht, die ihrem Studium vorgeschaltet waren. "Das hat mich nur bestärkt", sagt sie. Jetzt gefallen ihr die kleinen Lerngruppen, Kohorten genannt, die nur aus knapp 30 Hebammenstudierenden bestehen. Ihr Studium wird acht Semester einschließlich eines Auslandssemesters dauern. Dazu könnte sie nach Dänemark oder sogar Australien gehen.
Dass es überhaupt ein Hebammenstudium als separaten Studiengang neben der Medizin gibt, begrüßt Joyce Ferderer sehr. Die 28-Jährige hat zwei Jahre Medizinstudium hinter sich, für das sie eine Menge auf sich genommen hat – um letztlich festzustellen, dass sie ihren Wunsch, Frauen bei Geburten zu begleiten, als Hebamme besser verwirklichen könne denn als Gynäkologin. "Man kann sein Wissen gleich in der Praxis anwenden", sagt sie und empfindet das als "etwas ganz Besonderes".
Ferderer stammt aus Heiligenloh und wohnt jetzt wieder dort, "in der derselben Straße wie meine Eltern", und will dort auch wohnen bleiben. Kurze Wege derzeit zur Klinik nach Vechta und später ein noch kürzerer Weg nach Borwede ins neue Zentralklinikum seien unschätzbare Vorteile. Vor allem sei sie während des Medizinstudiums in Rostock immer von Heimweh geplagt worden, sodass sie jedes zweite Wochenende zurückgefahren sei. Zunächst hatte die 28-Jährige nach dem Abitur den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin erlernt und dazu im Schwesternwohnheim in Osterholz-Scharmbeck gelebt. Anschließend studierte sie zwei Jahre lang Pflegewissenschaft auf Lehramt, bis es schließlich für den Medizinstudienplatz reichte. "Ich sehe mich definitiv in Borwede", sagt sie und hofft jetzt nur noch, dass der Bau auch rechtzeitig fertig wird. Denn ihr Studium dauert nur sieben Semester.