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Ehemalige RAF-Terroristin Klette-Prozess zieht nach Verden um

Eine Stunde weniger Fahrt für Daniela Klette von der JVA Vechta bis zum Ort ihrer Gerichtsverhandlung: Ab Mittwoch wird gegen die Ex-RAF-Terroristin statt in Celle in einer Reithalle in Eitze prozessiert.
26.05.2025, 05:53 Uhr
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Klette-Prozess zieht nach Verden um
Von Jürgen Hinrichs

"Am Mittwoch wird's interessant." Eine Feststellung, die er nüchtern trifft, ohne Aufregung. Der Mann, 46 Jahre alt, steht auf dem Grundstück seiner Schwester, den Blick so gerichtet, dass er genau auf den Flecken Erde schaut, der in Eitze gerade in aller Munde ist: ein Anwesen mit riesigem Grundstück und verschiedenen Gebäuden, darunter eine 1000 Quadratmeter große Reithalle. Mittwoch ist der Tag, an dem in dieser Halle ein denkwürdiger Gerichtsprozess fortgeführt wird – nach dem Auftakt in Celle das erste Mal in Eitze und künftig immer wieder dort.

Verhandelt wird gegen Daniela Klette. Und weil sie zur RAF gehörte, was zwar noch nicht bewiesen ist, wozu sie sich bei ihrer Festnahme vor gut einem Jahr aber bekannt hat, sind die Sicherheitsvorkehrungen enorm. In malerischer Umgebung mit Wald, Wiesen, einer Mühle und den Mühlenteichen, mit Häusern, die Wohlstand verraten oder mindestens gepflegte Bürgerlichkeit, zeigt der Staat unverhohlen seine Zähne.

Diverse Vorkehrungen eingerichtet

Höhe Zäune, Stacheldraht, Videoüberwachung, eine eigens hergerichtete weitere Zufahrt für den Notfall, Sicherheitsschleusen, um die Prozessbesucher penibel zu durchsuchen und ihnen alles abzunehmen, was gefährlich sein könnte – lauter Vorkehrungen, die üblich sind, wenn Terrorismus im Spiel ist. An den Prozesstagen kommt noch eine Heerschar Polizisten hinzu, in der Regel vermummt und bis zu den Zäunen bewaffnet. Das kann heiter werden in Eitze.

Der Mann auf dem Nachbargrundstück berichtet, dass seit Wochen rund um das Anwesen Streife gefahren wird: "Dreimal am Tag, jetzt ist sie auch gerade da." Doppelt nähen, was zu hundert Prozent sicher sein soll. Denn weiß man's? Flucht, Befreiung, irgendeine Verzweiflungstat – alles möglich und denkbar für die Behörden, wenn sie ihre Szenarien entwickeln.

Üblich für diese Art von Prozess

"Viele Leute denken wegen des Aufwands, dass es ein RAF-Verfahren ist. Stimmt aber nicht, verhandelt wird wegen der Raubüberfälle nach Auflösung der RAF." Der Mann steckt offenbar tief drin in der Materie, er weiß Bescheid und kennt diese Art von Gerichtsprozessen: "Das wird sich schnell beruhigen."

Eitze, ein Ort mit rund 1500 Einwohnern, der zur Stadt Verden gehört, dem zuständigen Gerichtsbezirk im Fall Klette, kehrt dann zwar noch nicht zur Normalität zurück, die Ausschläge werden aber kleiner sein. Erst am Ende, wenn die Anwälte ihre Plädoyers halten und das Gericht sein Urteil spricht, bricht erfahrungsgemäß wieder Trubel los. Prozessbeobachter rechnen damit, dass das Verfahren unter anderem wegen der Vielzahl angeklagter Taten und allerlei Winkelzügen der versierten Berliner Anwälte von Klette zwischen zwei und drei Jahren dauern könnte.

Zahlreiche Einsatzkräfte im Einsatz

Eine lange Zeit, in der insbesondere die Polizei beansprucht wird. Für Eitze ist die Inspektion Verden/Osterholz zuständig. "Aus Sicherheitsgründen werden keine konkreten Angaben zu den polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Prozess gegen Frau Daniela Klette gemacht", heißt es auf Anfrage von dort. Um einen reibungslosen Ablauf des Verfahrens zu gewährleisten, arbeite man eng mit der Justiz zusammen. "Es sind auch externe Kräfte aus den Polizeibehörden der Polizei Niedersachsen im Einsatz." Nach derzeitiger Einschätzung seien Straßensperrungen oder die Umleitung des ÖPNV nicht erforderlich. Gleichwohl würden Halteverbotsbereiche um den Verhandlungsort eingerichtet.

"Wir wissen alle nicht, was auf uns zukommt und hoffen, dass es gut abläuft", sagt die Eitzer Ortsbürgermeisterin Anja König. Es gebe da eine gewisse Spannung: "Die einen schätzen es kritischer ein, die anderen weniger." Für Aufregung sorgen vor allem die Kosten, die für das umfunktionierte Anwesen mit Reithalle entstehen. Das niedersächsische Justizministerium hat mitgeteilt, dass für die nächsten zwei Jahre eine Miete von 3,6 Millionen Euro anfällt – Verlängerung nicht ausgeschlossen. "Eine immense Summe", findet König. Und es werde dafür ja kein bleibender Wert geschaffen: "Die Reithalle muss zurückgebaut werden, das kann auch baurechtlich kein immerwährender Zustand sein."

Das Landgericht Verden muss nach Eitze ausweichen, weil es an seinem angestammten Ort nicht genügend Platz für so ein großes Verfahren mit diesem Sicherheitsaufwand hat. Es brauchte Zeit, bis die Halle und das Drumherum hergerichtet waren, deshalb wurde an den ersten Prozesstagen in einem Hochsicherheitssaal am Oberlandesgericht Celle verhandelt.

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In Celle gab es für das Publikum nur ein sehr begrenztes Kontingent an Plätzen. Das ist in Eitze anders. Dort können nach Auskunft des Gerichts bis zu 66 Medienvertreter das Geschehen während der Verhandlung verfolgen. 23 Plätze sind für weitere Zuschauer vorgesehen. Die Premiere in der Reithalle beginnt am Mittwoch um 10 Uhr, Einlass ist ab 8.30 Uhr. Das Gericht rechnet wegen der aufwendigen Sicherheitsüberprüfung mit langen Wartezeiten und bittet darum, nicht erst auf dem letzten Drücker zu kommen.

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