Was? Wie bitte? Und wer spricht da überhaupt? Schwieriger Auftakt, als am Mittwoch das erste Mal in Verden gegen die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette verhandelt wird. Ort des Prozesses ist eine umgewandelte Reithalle, die nicht nur wegen der Akustik bei der Verteidigung Aversionen auslöst. "Ich bin einigermaßen fassungslos, unter welchen Umständen hier verhandelt wird", moniert einer der Anwälte. Sicherheitsaufwand, Dimension der Halle, die Kosten – und nun auch noch Probleme bei der Verständigung: "Wir beantragen, den Gerichtsort an den Hauptsitz des Landgerichts Verden zu verlegen."
Der Vorsitzende Richter, stets um Ausgleich bemüht, seit die Verhandlung läuft, räumt für die Reithalle "Verbesserungsbedarf" ein: "Wir haben nur zwei Zeugen und nutzen das heute als Generalprobe." Klettes Anwälte, auch die Angeklagte selbst, wollen das nicht hinnehmen. Die Größe der Halle, rund 800 Quadratmeter, sei völlig unverhältnismäßig. Es würden Erinnerungen an Stammheim wach, den Ort, an dem vor 50 Jahren gegen Mitglieder der ersten RAF-Generation verhandelt wurde. Auf diese Weise suggeriere der Staat eine Gefahr, die fast 30 Jahre nach Auflösung der RAF nicht vorhanden sei: "Das ist absurd!" Klette sprach von einer "Farce". Einerseits solle der Anschein erweckt werden, dass es sich um ein ganz normales Verfahren handele, andererseits finde es nun in diesem "Monstrum" statt.
Gespenstische Szenerie
In der Tat hat es so einen Aufwand bei einem Prozess gegen eine einzelne Angeklagte, die nicht wegen Terrorismus angeklagt ist, noch nicht gegeben. In der Reithalle sitzen Anklage und Verteidigung mehr als zehn Meter voneinander entfernt. Solche Distanzen, die hohen Decken, der Hall in dem Gebäude, die leeren Flächen – zusammen ergibt das eine gespenstische Szenerie. Dabei geht es um Raub, nicht um die RAF. Klette muss sich wegen 13 Überfällen verantworten, an denen sie beteiligt gewesen sein soll. Ihre mutmaßlichen RAF-Taten sind Gegenstand von Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft.
Die Ankläger in Verden reagieren gereizt, als die Reithalle infrage gestellt wird. Diesen Ort zu wählen, sei Ergebnis einer Gefahrenanalyse der zuständigen Behörden, "wir brauchen das nicht weiter zu diskutieren". Außerdem könne es wegen der Vielzahl von Nebenklagevertretern durchaus sein, dass der Platz eines Tages benötigt werde. Und: "Sie sehen neben sich eine zusätzliche Anklagebank. Es gibt in diesem Verfahren weitere Verfolgte, die dort irgendwann sitzen könnten, ich bin da optimistisch."
Die Anspielung zielt auf Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, ebenfalls Ex-RAF-Mitglieder, die mit Klette nach gemeinsamer Terrorzeit die Raubtaten verübt haben sollen. Eine davon ist der Überfall vor zehn Jahren auf einen Geldtransporter in Stuhr-Groß Mackenstedt. In diesem Fall geht es um den Vorwurf des versuchten Mordes.

Die Reithalle im Ortsteil Eitze ist für mindestens zwei Jahre eine Außenstelle des Landgerichts Verden.
Nach Angaben des niedersächsischen Justizministeriums ist die Reithalle im Verdener Ortsteil Eitze vorerst für zwei Jahre angemietet worden. Kosten: 3,6 Millionen Euro. Klette greift das Thema auf: "Es ist empörend, dass so viel Geld rausgeschmissen wird statt es für Schwimmbäder, Frauenhäuser oder Geflüchtete zu verwenden." Danach folgt von ihr, wie schon beim Prozessauftakt vor zwei Monaten in Celle, eine Brandrede gegen den Staat, den Kapitalismus und die Kriege weltweit, zum Beispiel im Gazastreifen.
Bei der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern löst dieser Auftritt scharfen Widerspruch aus: "Frau Klette, halten Sie sich einen Spiegel vor", sagt die Oberstaatsanwältin, "Sie sind es, die dieses Verfahren politisch aufladen will." Kammer und Klagevertreter würden sich dagegen redlich bemühen, genau das zu vermeiden: "Lassen Sie uns doch in Ruhe verhandeln, natürlich mit der gebotenen Unschuldsvermutung", so der Anwalt eines Nebenklägers.

Ankunft der Angeklagten: Von der JVA Vechta geht es auch künftig nicht mehr nach Celle, sondern nach Eitze - eine Stunde weniger Fahrt.
Drei Männer, die anfangs aufmerksam verfolgen, welchen Punkt die jeweilige Seite macht. Sie sitzen in der ersten Reihe, unmittelbar vor der Glaswand, die bis zur Decke hochgezogen wurde, um das Publikum aus Sicherheitsgründen von den Verfahrensbeteiligten zu trennen. "Wir sind die Rentnergang, alle über 70", sagt einer von ihnen und grinst. Kürzlich habe es im Fernsehen eine hervorragende Dokumentation über Stammheim gegeben, auch das sei ein Grund gewesen herzukommen – "das muss man doch erleben, wenn's vor der Haustür ist". Doch dann geht es in dem Gespräch schnell um etwas anderes. Was der Reporter aus Bremen denn zu Werder sage, und wer nun neuer Trainer werde, "das müssen Sie doch wissen".
Schwere Raubtaten, die Bezüge zur RAF, Angriffe von Verteidigung und Anklage – um am Ende bei Werder zu landen. Und bei einem Küken. Es ist offenbar aus dem Nest gefallen und tschilpt um Aufmerksamkeit. Lautes Piepen im Zuschauerraum, was es noch schwieriger macht, der Verhandlung zu folgen. Eine Frau vom Wachpersonal erbarmt sich, fängt das Küken ein und rettet es nach draußen. Der Piepmatz, einmalig als Gast in einem Gerichtsverfahren, hat den Prozess verlassen.