Für die Mädchen und Jungen in der Kindertagesstätte am Sachsenhain ist Till Lässig wie jeder andere Erwachsene in der Einrichtung: ein beliebter Spielkamerad, einer der ihnen bei eben jenen Problemen hilft, denen Kinder im Kita-Alltag ausgesetzt sind, einer der zuhört, wenn sie Sorgen haben. Doch für ihn ist seine Tätigkeit etwas Besonderes. Trotz Handicap hat er sich eine Festanstellung erkämpft. Der Weg dahin war kein einfacher, erzählt er nun.
Nach seinem Schulabschluss habe er nicht so recht gewusst, in welche Richtung er beruflich gehen wolle, blickt der heute 25-Jährige zurück. Ein Praktikum in der Kita am Sachsenhain habe dann alles geändert. "Ich hatte richtig Lust auf die Arbeit hier", erzählt er. Doch eine Festanstellung war nicht so einfach möglich.
Job-Coach vermittelt
Hilfe fand Till Lässig bei Marco Schwandt, Job-Coach bei der Lebenshilfe Verden-Osterholz. Über fünf Jahre sei es her, dass sich Lässig bei ihm vorgestellt habe, erinnert sich Schwandt. Der junge Mann wollte arbeiten, aber eben nicht in einer Behindertenwerkstatt, sondern in eben jener Kita, in der er sich schon beim Praktikum so wohl gefühlt hatte.
Mit seinem Wunsch rannte er bei Kita-Leiter Lars Kück offene Türen ein. Denn schon im Praktikum habe sich Lässig als engagierte Hilfe erwiesen. Mit Unterstützung der Lebenshilfe absolvierte er schließlich ein eineinhalbjähriges berufliches Bildungsangebot, erhielt ein Zertifikat und die Chance, in der Kita zu bleiben.
Neue Erfahrung für alle Beteiligten
"Es war für uns eine neue Situation, mit einer ungelernten Kraft zu arbeiten", blickt Kück nun auf die Anfangszeit zurück. Lässigs Stelle wurde ein sogenannter Außenarbeitsplatz der Behindertenwerkstatt in der Kita. Er ging den Kindern beim Anziehen zur Hand, kümmerte sich um den Teewagen und wurde schnell zu einer beliebten Anlaufstelle der kleinen Nöte im Kita-Alltag. Doch bis zur sozialversicherungspflichtigen Anstellung sollten insgesamt über fünf Jahre vergehen. In der freien Wirtschaft, zieht Schwandt den Vergleich, sei das Prozedere leichter.

Bürgermeister Lutz Brockmann (v.l.), Till Lässig, Lars Kück und Marco Schwandt freuen sich, dass es mit der Festanstellung geklappt hat.
"Die Hürde ist: Wir als Stadt brauchen Leute mit einer Ausbildung", erklärt Bürgermeister Lutz Brockmann die Herausforderung der Verwaltung. Lässigs Ausbildung werde dafür nicht anerkannt. Schließlich ermöglichte ein Finanztopf die Festanstellung: Die Personalkosten werden zu drei Vierteln über das "Budget für Arbeit" finanziert. Das Budget des Landkreises Verden soll dabei helfen, Menschen mit Behinderungen den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern und gleichzeitig dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen.
Alternative zu Werkstätten
Schon einigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die ihre Zukunft außerhalb einer Behindertenwerkstatt sahen, habe das Budget für Arbeit zum Traumberuf verholfen, erzählt Schwandt. Die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Dienst sei allerdings eine Premiere gewesen und nun hoffentlich Vorbild für weitere Karrieren.
Auch Brockmann ist überzeugt von dem Projekt: "Unsere Gesellschaft braucht das", sagt er. Lässig ist nun vierte Kraft in der Igelgruppe und unterstützt das Team, wo er kann. "Es ist ein inklusiver Arbeitsplatz und wir stärken damit die Kita", betont Brockmann.
Beeinträchtigung ist kein Thema
Für die Kinder sei seine Beeinträchtigung kein großes Thema. Einmal habe ihn eines gefragt, ob er Aua an der Hand habe. Dann habe er erklärt, dass alles in Ordnung sei und seine Hand schon als Baby so ausgesehen habe. Die Arbeit mit den Mädchen und Jungen mache ihm viel Freude. "Wenn ein Kind Hilfe braucht, dann helfe ich", erzählt er.
Die Kita möchte ihn nicht mehr missen. In einer Zeit, in der es viele personelle Veränderungen in der Gruppe gegeben habe, sorgte Lässig für Kontinuität, erzählt Kück. Auch bei einem Ausflug in das Verdener Rathaus habe sich Lässig als große Hilfe erwiesen. Als ein Kind weinend auf dem Weg in den Turm zurückblieb, blieb er bei ihm.
Lässig wird weiterhin von Jobcoaches begleitet. Regelmäßig formuliert er Ziele, die er bei der Arbeit erreichen möchte. Aktuell ist es, Elterngespräche führen zu können.
Bei der Suche nach Arbeitsplätzen abseits von Behindertenwerkstätten stünden immer die Stärken der Betroffenen im Fokus, erklärt Schwandt. Er freue sich sehr über die Entwicklung von Lässig und hofft, künftig vergleichbare Karrieren begleiten zu können. Nicht immer sei das Projekt erfolgreich. Aber es sei wichtig, auch Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen die Möglichkeit zu geben, sich beruflich auszuprobieren.
Positive Rückmeldungen.
"Was ihn auszeichnet, ist sein Interesse an der Arbeit", hebt der Kita-Leiter hervor. Er beobachte genau, was andere tun und wolle das dann auch lernen. Die Rückmeldungen von Eltern, Kolleginnen und Kindern seien durchweg positiv. Nur ein kleines Problem gebe es hin und wieder: Lässig mache die Arbeit so viel Freude, dass er nur ungern Urlaub nehme, erzählt der Kita-Leiter augenzwinkernd.