Fast acht Jahre nach dem tragischen Ende einer Hausgeburt in der Gemeinde Siedenburg (Kreis Diepholz) ist die damals zuständige Hebamme am Dienstag zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Verden erkannte auf Totschlag durch Unterlassen in Tateinheit mit Körperverletzung durch Unterlassen. Die Angeklagte (61), die ihre Zulassung aus anderen Gründen bereits verloren hat, habe „völlig versagt“, hieß es in der mehr als einstündigen Urteilsbegründung.
Der Vorsitzende Richter sprach auch von „kapitalem Versagen“ der Hebamme. Bei pflichtgemäßem und nicht falschem Handeln hätte sie den Tod des kleinen Mädchens verhindern und tagelange Schmerzen und Qualen der Mutter lindern können. Abgesehen davon hätten die bei der schon vierfachen, damals 40-jährigen Mutter vorliegenden Risikofaktoren ohnehin gegen eine Übernahme der Hausgeburt gesprochen. Während des komplikationsreichen Verlaufs nach Terminüberschreitung habe die Angeklagte weder die notwendigen Untersuchungen durchgeführt noch die dringend erforderliche Einweisung in ein Krankenhaus veranlasst.
Richter verweist auf Sachverständigen
Auf deutliche Komplikationen habe die erfahrene Hebamme nicht reagiert, stattdessen „beschwichtigt“ und behauptet, es werde schon alles gut gehen. Die zunehmend lebensbedrohliche Situation für das Kind habe sie erkennen können, aber nichts getan, um die Gefahr abzuwenden. Der Richter verwies unter anderem auf die Aussage des Sachverständigen, wonach letztlich klar gewesen sei, „dass das Ganze in einer Katastrophe endet“. Selbst gegen den Willen der Mutter oder bei einem Rauswurf hätte sie als verantwortliche Hebamme noch die gebotenen Rettungsmaßnahmen ergreifen müssen.
Die Kammer blieb mit dem Strafmaß unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die am Vormittag des fünften Prozesstages fünf Jahre und acht Monate Freiheitsentzug gefordert hatte. Auch die Staatsanwältin ging nunmehr von Totschlag durch Unterlassen aus; die Anklage hatte ursprünglich auf Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen gelautet. Aus der Sicht ihres Verteidigers war die Ex-Hebamme allerdings nach dem In-dubio-pro-reo-Grundsatz freizusprechen. Es sei nicht eindeutig erwiesen, woran das Kind genau gestorben sei; zudem trügen die Eltern eine erhebliche Mitverantwortung für den traurigen Ausgang des Geschehens.
Sechs Monate der verhängten Haftstrafe gelten aufgrund rechtsstaatlicher Verfahrensverzögerung als bereits vollstreckt. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Hannover im Zivilverfahren muss die 61-Jährige 30.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.