Grauer Himmel, leere Schaufenster – die Verdener Innenstadt macht seit einiger Zeit einen trostlosen Eindruck. Über 20 Geschäftsräume entlang der Großen Straße stehen aktuell leer. Insbesondere in zentraler Lage am Rathausvorplatz reiht sich ein Leerstand an den nächsten. Während in einigen Immobilien fleißige Handwerker die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Leerstands wecken, sind die Aussichten andernorts schlecht. Und mehr noch: In den kommenden Wochen werden weitere Geschäfte ihre Türen schließen.
"Es geht einfach nicht mehr", erklärt beispielsweise Sylvia Venema. Im Zuge des Pop-up-Projekts hatte sie 2020 in der Verdener Innenstadt Fuß gefasst. Nach der Probephase eröffnete sie dauerhaft eine Boutique an der Großen Straße 81. Mit Kleidung aus erster und zweiter Hand hat sie sich einen Traum erfüllt. Der ist nun geplatzt.
Hohe Kosten, sparsame Kundschaft
Die stetig steigenden Kosten und die Tatsache, dass viele Menschen dieser Tage mehr auf ihr Geld achten müssen, haben ihrer Boutique zugesetzt. "Ich bin wirklich tief traurig", sagt sie. Die Entscheidung sei ihr sehr schwergefallen. Lange habe sie versucht, weiterzumachen, und das allein. Ein Dreivierteljahr lang habe nur ihre Tochter ab und an ausgeholfen, wenn es nicht anders ging. Denn Mitarbeiterinnen seien aktuell schwer zu finden. Die Monate ohne richtigen Urlaub, die viele Arbeit und der finanzielle Druck – all das habe ihr zugesetzt. Nun zieht sie den Schlussstrich. "Gesundheit geht vor", sagt sie.
Den Schlussstrich haben in den vergangenen Monaten mehre Geschäftsleute entlang der Großen Straße gezogen. Das Wäschegeschäft Hunkemöller, der Blumenladen Blickfang, der Schuhhandel Street Shoes und der Spielwarenhandel "Heike und Paule" sind nur einige Beispiele. Es gebe immer wieder Bewegung in der Innenstadt, kommentiert Wirtschaftsförderer Fabian Fortmann die Schließungen. In einigen Fällen sei schon absehbar, dass neue Geschäfte öffnen werden, zeigt er sich optimistisch.
Das ehemalige Schuhgeschäft an der Ecke Große Straße/ Herrlichkeit wird aktuell saniert. Dort soll der Hörgeräteakustiker und Optiker Kind einziehen. Und auch im ehemaligen Spielwarenhandel "Heike und Paule" tut sich etwas. Die Räderei, noch an der Oberen Straße beheimatet, wird sich dort bald vergrößern. Auch an anderen Geschäften machen verklebte Schaufenster Hoffnung, dass hinter ihnen Neues entsteht. Im Fenster des Restaurants Pasta Mia weist derweil ein Schild darauf hin, dass dort ab April indische Speisen serviert werden.
Stadt führt keine Statistik
Eine Statistik dazu, wie sich die Leerstände in der Innenstadt entwickeln, führe das Rathaus nicht, erklärt Fortmann. Die Verwaltung arbeite allerdings an einer Fortsetzung des Programms Probierstadt Verden. Wann und welcher Form das Vorhaben umgesetzt werde, sei allerdings noch nicht spruchreif.
Wie die Räume, in denen Venema nun den Ausverkauf eingeläutet hat, künftig genutzt werden, ist unklar. Lange hatte sie versucht, die Schließung zu verhindern. Ihr Vermieter sei ihr schon entgegengekommen, habe die Miete gesenkt. Dennoch blieben die Kosten zu hoch. "Ich würde sehr gerne weitermachen", sagt sie. Selbst wenn es nur in einfachen, beheizten Räumen auf dem Land sei. Insbesondere den Onlinehandel empfindet sie als große Konkurrenz. "Er macht die Innenstädte kaputt", bringt sie es auf den Punkt.
Bei ihren Kundinnen stößt die Nachricht vom Ende der Boutique auf viel Mitgefühl. In den wenigen Jahren habe sich ein fester Kreis an Stammkundinnen entwickelt, erzählt Venema. Aber das war nicht genug. In den kommenden Tagen müssen jene, die ihre gebrauchte Kleidung über die Boutique verkaufen wollten, ihre Stücke wieder abholen. Neuware verkauft Venema zum reduzierten Preis. Wann genau sie ihre Türen endgültig schließen wird, weiß sie noch nicht.
Neue Chancen
In einem anderen Bekleidungsgeschäft weiterzuarbeiten, das könne sie sich nicht vorstellen. Aber sie zeigt sich zuversichtlich: "Wenn eine Tür zugeht, öffnet sich eine andere."

Während in einigen Geschäften bald wieder Leben einkehren soll, stehen andere seit Jahren leer.
So ist es im übrigens auch bei der Buchhandlung Vielseitig. Geschäftsführerin Anke Lehmkuhl wechselt in wenigen Wochen zu einem Verlag. Auch ihre Kolleginnen seien nach der Schließung der Buchhandlung versorgt, erzählt sie. Während es für Venema steigende Kosten und die knappen Geldbeutel der Kundinnen waren, die sie zur Schließung ihres Geschäfts motiviert haben, macht Lehmkuhl andere Problemquellen aus. "Es macht einfach alles keinen Spaß mehr", klagt sie. Immer neue Baustellen, Straßensperrungen und wegfallende Parkplätze machten die Fahrt in die Innenstadt für viele Kundinnen und Kunden unattraktiv – sehr zum Nachteil der Einzelhändler.
Belebte Schaufenster
In zwei leer stehenden Geschäften entlang der Fußgängerzone gibt es derweil etwas zu sehen. Im ehemaligen Fisch Bremer stellen Susanne und Reinhold Heckmann seit einigen Monaten ihre Fotografien aus. "Ich habe aus eigener Initiative den neuen Eigentümer des Hauses gefragt", erzählt Reinhold Heckmann. Der habe sich über den Vorschlag gefreut, das Schaufenster für die Zeit des Leerstands für eine kleine Kunstausstellung zu nutzen. Auch in einem ehemaligen Haarbedarfsgeschäft in der Süderstadt zeigt eine Fotografin ihre Arbeiten.