Nach der aktuellen Corona-Verordnung können Einrichtungen, Betriebe und Veranstalter in Niedersachsen ihr Hausrecht ausüben und selbst entscheiden, ob sie die 2G- oder die 3G-Regel anwenden. Wird die 2G-Regel angewendet, dürfen im Grunde nur Geimpfte und Genesene (mit Nachweis) das Haus betreten beziehungsweise die Veranstaltung besuchen, bei der 3G-Regel steht diese Möglichkeit auch nachweislich negativ getesteten Menschen offen. Dass die Corona-Pandemie schon lange zu emotional geführten Grundsatzdebatten und gegensätzlichen Meinungen führt, ist bekannt, nun aber geraten insbesondere in sozialen Netzwerken wie Facebook einzelne Veranstalter ins Kreuzfeuer – aktuell das Kasch in Achim.
Wie könne ein selbst ernanntes soziokulturelles Haus, dass sich damit rühmt, offen für alle unterschiedlichen Menschen zu sein und diese zu verbinden, bei einzelnen Veranstaltungen die 2G-Regel anwenden und so dann doch Menschen ausgrenzen wollen? So lautet die dort aufgeworfene Kernfrage, die online emotional und zum Teil auch sehr unfreundlich geführt wird. "Wir hier im Haus sind dauernd im Gespräch darüber und haben uns dazu entschieden, 2G nur dann anzuwenden, wenn es nicht anders geht", erklärt Silke Thomas vom Kasch-Team auf Nachfrage. Generell gelte im Kasch 3G und bei Sitzveranstaltungen müssen die Masken bis zum Erreichen des Sitzplatzes getragen werden. "Das geht, wenn es sich beispielsweise um Kabarett handelt, das geht aber nicht bei einem Rockkonzert oder beim Schmetterabend, an dem gemeinsames Singen angesagt ist". Denn bei 2G könne auf Abstand und Masken verzichtet werden, andernfalls könnte das Kasch derartige Veranstaltungen gar nicht anbieten.
Entscheidung für den Einzelfall
Silke Thomas und ihren Mitstreitern sind die Online-Diskussionen über ihr Haus natürlich nicht entgangen – sie unterstreicht, dass das Team für die Sicherheit seiner Gäste verantwortlich ist. Und die könne das Kasch etwa bei Veranstaltungen, bei denen das Publikum steht, tanzt, singt und Mindestabstände nicht einhalten kann, eben nicht gewährleisten. "Wir wollen nicht der Treiber sein", betont Silke Thomas und daher fänden eben etwa zehn Prozent der Veranstaltungen unter 2G-Bedingungen statt. Zeitweise sei teamintern sogar diskutiert worden, das ganze Kasch unter 2G zu stellen. Das aber "hätte richtig Ärger gegeben", glaubt Silke Thomas.
Was sie nicht sagt, aber Peter-Michael Sagajewski, Leiter der Volleyball-Sparte und Manager der Zweitliga-Mannschaft des TV Baden, ausführt: Es gibt schlichtweg auch finanzielle Gründe, lieber 2G anzuwenden. So wird der TV Baden sein Achtelfinal-Pokalspiel gegen die Berlin Recycling Volleys, amtierender deutscher Meister, am 7. November unter 2G-Bedingungen ausrichten. "Damit wollen wir die Halle voll bekommen, zum einen für die Stimmung, zum anderen, um die finanziellen Einbußen, die wir durch Corona hatten, zu korrigieren", sagt Sagajewski.
Volle Hütte dank 2G
Die normalen Punktspiele des TV Baden finden unter 3G-Bedingungen statt – da sie online gestreamt werden können, werde die Halle meistens ohnehin nicht voll. 120 Zuschauer, je nachdem wie viele Familien kommen, wären gegen Berlin mit 3G möglich, bis zu 300 sind es bei 2G. Und Sagajewski geht von einer vollen Hütte aus, schließlich biete sich die einmalige Chance, Weltstars wie Sergei Jurjewitsch Grankin oder Benjamin Patch live in Achim zu sehen. Aber der TV Baden hat ein weiteres Bonbon organisiert: Am Vorabend des Spiels findet ab 17 Uhr ein öffentliches Training der Berliner statt, das Neugierige nach der 3G-Regel verfolgen können. "Da wird es zwar keinen Schulterschluss und keine Selfies mit den Spielern geben können, aber die Möglichkeit des Zusehens und Fotografierens", verrät Sagajewski.
Der TV Baden hatte der Stadtverwaltung gegenüber diese 2G-Veranstaltung angemeldet, ansonsten gilt in den Achimer Sporthallen 3G, wie Kirsten Jäger von der Stadtverwaltung erklärt. Das sei auch weiterhin im Achimer Hallenbad der Fall. "Das ist nicht in Beton gegossen, aber aktuell gibt es keinen Anlass dies zu ändern", sagt Kirsten Jäger. Das Hallenbad sei ein kommunales Bad, das mache die Entscheidung für 2G und damit für den Ausschluss von Bürgern schwieriger als für einen privaten Betreiber.
Shitstorm für das Verwell
Das Erlebnisbad Verwell in Verden hat seit diesem Montag die 2G-Regel erlassen. "Das war unumgänglich", sagt Betriebsleiter Klaus Jürries, "nun können wir unbegrenzt Badegäste einlassen". Allerdings habe es deswegen in den sozialen Medien auch einen sogenannten Shitstorm gegeben. Das Verwell-Team musste wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Jürries hat beobachtet, dass der Umstieg auf 2G einen Besucheranstieg mit sich gebracht hat. Bislang galt im Verwell lediglich im Saunabereich die 2G-Regel. In den beiden Verdener Museum, dem Domherrenhaus und dem Deutschen Pferdemuseum, stehen nach wie vor alle Zeichen auf 3G. Auch im Verdener Kino, dem Cine City, gilt weiterhin 3G. "Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sind von dieser Regelung allerdings ausgenommen – auch während der Ferien", erläutert Kinobetreiber Christian Müscher.
Die Niedersächsische Staatskanzlei hält mit Blick auf die 2G-Option fest: "Sie bietet Betreibern und Veranstaltern eine gute Möglichkeit, wieder deutlich mehr Menschen ins Konzert, Restaurant oder die Sporthalle zu lassen". Denn anders als Ungeimpfte, infizierten sich Geimpfte und genesene Menschen nachweislich nur in sehr wenigen Fällen "und sie geben das Virus auch nur sehr selten weiter". Insofern biete eine 2G-Regel einen hohen Schutzstandard, bei dem dann auf weitere Maßnahmen wie Maske, Abstand sowie bei Veranstaltungen auch auf die 50-prozentige Kapazitätsbegrenzung verzichtet werden könne.