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Theaterstück Von Triumphen und Enttäuschungen

Birgit Scheibe hat als Anita Augspurg im Theaterstück „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ den müh­samen Weg der Frauen zur politischen Gleichberech­ti­gung Revue passieren lassen.
15.04.2018, 18:37 Uhr
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Von Susanne Ehrlich

Große Gefühle und ein großer Sieg standen im Zentrum des Theaterstücks „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ von Frank Thomas Gatter am Sonnabendabend im Deut­schen Pferdemuseum. Als drittes The­aterstück über Anita Augspurg zeigte es eine weitere Facette im Leben dieser Tochter der Stadt Verden, die Ge­schichte ge­schrieben hat. Mit der Initi­ative "Frau­enorte" wurde ihr vor zehn Jahren ein ideelles Denkmal gesetzt, das auch ein Meilenstein der nieder­sächsischen Frauenforschung wurde.

Nach der Erstaufführung zum Interna­tionalen Frauentag am 8. März schlüpf­te Schauspielerin Birgit Scheibe erneut in die Rolle der Verde­ner Frauenrechtlerin, der konse­quenten und mutigen Kämpferin für das Frau­enwahlrecht. Am 19. Ja­nuar 1919 wurde es in Deutschland eingeführt.

Mit Akkordeon und Violine musika­lisch eingerahmt wurde das "Eine-Frau-Stück" von Karin Christoph, die es verstand, die Emp­findungen der Protagonistin so zu un­termalen, dass man ihre Gedanken und Gefühle bei­nahe vor sich sah. Die Frauen des Chores "Sing Art" der Kreismusikschule gaben die Ou­ver­türe: Kämpferisch und mit etwas sper­rigen feministisch ange­passten Texten wurden zum Auftakt die "Mar­seillaise" und das "Deutschland­lied" geschmet­tert. Dann zog man, angeführt von den Klängen des "March of the Women", ge­meinsam in den Biblio­thekssaal, der mit der herrlichen Stuck­decke und den altehrwürdigen histo­rischen Bänden das ideale Ambiente für eine hoch ge­bildete, kluge und mu­tige Frau ergab.

An ihrem Schreibtisch, die Dresdener­ Zeitung des 19. Januar 1919 vor sich, rief Anita Augspurg dem Publikum zu, "Ich bin eine Frau. Eine Frau ist ein Mensch. Es geht um die Freiheit der Frau, ihr Leben selbst zu bestimmen." Nun hatte sie erstmals ihren Sieg er­rungen: Das Frauenwahlrecht war Ge­setz gewor­den. Und so ätzte der Kom­mentator der Zeitung: "Die Be­dürf­nisse des Ernährers und seiner Kinder müssen endlich wieder im Vorder­grund des Frauendaseins ste­hen!"

Eine spannende Zeit wurde Gegens­tand fundierter ge­schichtlicher Refle­xion: Das Entstehen der ersten deut­schen Demokratie, das wütende Auf­bäumen des Nationalis­mus und der Reaktion, die Ermordung Rosa Lu­xemburgs (de­ren Gefährte Karl Lieb­knecht unerwähnt blieb) – all dies ließ Birgit Scheibe aus Frauenper­spektive vor dem Publikum Revue pas­sieren und richtete dazwischen immer wieder den Scheinwerfer auf den müh­samen Weg der Frauen zur politischen Gleichberech­ti­gung. Sie sprach von Triumphen, von Mut und Solida­rität, aber auch von Widersprüchen und Enttäuschungen, so zum Beispiel von der Erkenntnis, dass Nationalis­mus keine Männersache zu sein schien: Den Krieg anzuprangern, sich gegen ihn zu stellen – dafür hatte das bürger­liche Lager der Frauenbewe­gung zu Anita Augspurgs Verbitterung nicht zur Verfügung gestanden.

Doch „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ – das war ein Tag der Freude und des Triumphs. Was die Frauen in den darauf folgenden 14 Jah­ren aus ihrem Wahlrecht machten, das bleibt ein anderes Kapitel. Dieser Tag aber wurde mit feministischem Selbst­be­wusst­sein und einer gehörigen Por­tion Pathos gefeiert. Das Publikum dankte Birgit Scheibe, den Mitwirkenden und den Veranstal­tern mit Jubel, Begeisterung und Bra­vorufen für die lehrreiche Zeitreise.

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