Große Gefühle und ein großer Sieg standen im Zentrum des Theaterstücks „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ von Frank Thomas Gatter am Sonnabendabend im Deutschen Pferdemuseum. Als drittes Theaterstück über Anita Augspurg zeigte es eine weitere Facette im Leben dieser Tochter der Stadt Verden, die Geschichte geschrieben hat. Mit der Initiative "Frauenorte" wurde ihr vor zehn Jahren ein ideelles Denkmal gesetzt, das auch ein Meilenstein der niedersächsischen Frauenforschung wurde.
Nach der Erstaufführung zum Internationalen Frauentag am 8. März schlüpfte Schauspielerin Birgit Scheibe erneut in die Rolle der Verdener Frauenrechtlerin, der konsequenten und mutigen Kämpferin für das Frauenwahlrecht. Am 19. Januar 1919 wurde es in Deutschland eingeführt.
Mit Akkordeon und Violine musikalisch eingerahmt wurde das "Eine-Frau-Stück" von Karin Christoph, die es verstand, die Empfindungen der Protagonistin so zu untermalen, dass man ihre Gedanken und Gefühle beinahe vor sich sah. Die Frauen des Chores "Sing Art" der Kreismusikschule gaben die Ouvertüre: Kämpferisch und mit etwas sperrigen feministisch angepassten Texten wurden zum Auftakt die "Marseillaise" und das "Deutschlandlied" geschmettert. Dann zog man, angeführt von den Klängen des "March of the Women", gemeinsam in den Bibliothekssaal, der mit der herrlichen Stuckdecke und den altehrwürdigen historischen Bänden das ideale Ambiente für eine hoch gebildete, kluge und mutige Frau ergab.
An ihrem Schreibtisch, die Dresdener Zeitung des 19. Januar 1919 vor sich, rief Anita Augspurg dem Publikum zu, "Ich bin eine Frau. Eine Frau ist ein Mensch. Es geht um die Freiheit der Frau, ihr Leben selbst zu bestimmen." Nun hatte sie erstmals ihren Sieg errungen: Das Frauenwahlrecht war Gesetz geworden. Und so ätzte der Kommentator der Zeitung: "Die Bedürfnisse des Ernährers und seiner Kinder müssen endlich wieder im Vordergrund des Frauendaseins stehen!"
Eine spannende Zeit wurde Gegenstand fundierter geschichtlicher Reflexion: Das Entstehen der ersten deutschen Demokratie, das wütende Aufbäumen des Nationalismus und der Reaktion, die Ermordung Rosa Luxemburgs (deren Gefährte Karl Liebknecht unerwähnt blieb) – all dies ließ Birgit Scheibe aus Frauenperspektive vor dem Publikum Revue passieren und richtete dazwischen immer wieder den Scheinwerfer auf den mühsamen Weg der Frauen zur politischen Gleichberechtigung. Sie sprach von Triumphen, von Mut und Solidarität, aber auch von Widersprüchen und Enttäuschungen, so zum Beispiel von der Erkenntnis, dass Nationalismus keine Männersache zu sein schien: Den Krieg anzuprangern, sich gegen ihn zu stellen – dafür hatte das bürgerliche Lager der Frauenbewegung zu Anita Augspurgs Verbitterung nicht zur Verfügung gestanden.
Doch „Neunzehn Eins Neunzehn Neunzehn“ – das war ein Tag der Freude und des Triumphs. Was die Frauen in den darauf folgenden 14 Jahren aus ihrem Wahlrecht machten, das bleibt ein anderes Kapitel. Dieser Tag aber wurde mit feministischem Selbstbewusstsein und einer gehörigen Portion Pathos gefeiert. Das Publikum dankte Birgit Scheibe, den Mitwirkenden und den Veranstaltern mit Jubel, Begeisterung und Bravorufen für die lehrreiche Zeitreise.