Die Corona-Pandemie und das teilweise brachliegende Vereinsleben haben es dem Zonta-Club Verden in den vergangenen Monaten nicht leicht gemacht. Auf der Suche nach Kandidatinnen für den „Young Women in Public Affairs“-Award (YWPAA) ging der Verein lange leer aus. Umso glücklicher sind Clubpräsidentin Angelika Bernstein-Janßen und Ilse Hastmann-Nott (Vorsitzende des Vereins „Freunde von Zonta“), in Anali Olivero schließlich doch eine geeignete Preisträgerin gefunden zu haben.
„Anali ist sehr tough und weiß mit ihren 16 Jahren schon genau, wie es für sie nach dem Abitur weitergehen soll“, lobt Bernstein-Janßen. In drei Jahren möchte Olivero am Domgymnasium ihren Abschluss machen und eine Karriere bei der Polizei beginnen. Ihr Berufswunsch habe gleich zwei Gründe, erklärt die Zehntklässlerin. Zum einen wolle sie in einem Bereich arbeiten, der noch von Männern dominiert wird, und somit ein positives Beispiel für andere junge Frauen sein. Zum anderen möchte sie Verantwortung tragen und etwas für die Gesellschaft tun. Während die Polizei in Deutschland als Freund und Helfer gelte, spiele sie in ihrem Heimatland Venezuela eine weniger positive Rolle.
Dass Olivero aus Südamerika ausgerechnet nach Verden kam, hat sie ihrer Großmutter zu verdanken. Die Deutsche zog vor über 40 Jahren beruflich nach Venezuela, wo sie ihren Mann kennenlernte und eine Familie gründete. Nachdem ihr Lebensgefährte verstorben war, zog es sie 2016 zurück in ihre Heimat nach Verden. Olivero, ihr Bruder und ihre Eltern begleiteten die Großmutter in das neue Leben.
Elf Jahre alt war die Schülerin beim Umzug, Deutsch sprach sie kaum. „Meine Oma hat immer mit mir beim Backen das Zählen geübt“, erzählt sie. Neben den Zahlen konnte sie nur einige Begriffe wie „gute Nacht“ und „Kekse“. Im Unterricht in Deutschland lernte sie schnell dazu, konnte am Anfang ihre Klassenarbeiten jedoch noch auf Spanisch und Englisch schreiben. Kopfzerbrechen bereiteten ihr damals vor allem Redewendungen. „Blaumachen oder Schwarzfahrer habe ich nicht verstanden“, nennt sie einige Beispiele. Inzwischen spricht sie fließend Deutsch und bietet Schülern, die Spanisch lernen, ihre Hilfe an.
Doch es gibt auch eine dritte Sprache, die Olivero bestens beherrscht: Englisch. Und das kommt ihr beim YWPA-Award zugute. Denn nachdem sie in Verden zur Gewinnerin gekürt wurde, kann sie sich auch auf einer höheren Ebene um einen Titel bewerben. Voraussetzung ist, dass sie ihre Bewerbung auf Englisch übersetzt.
Auf die Idee, sich für den Preis zu bewerben, hatte sie Juri Woikow, der Jugendwart ihres Handballvereins, gebracht. Im Verein trainiert sie die Mini-Mannschaft mit Kindern von drei bis sechs Jahren. „Ich plane das Training mit verschiedenen Schwerpunkten wie Wurf, Lauf oder Raumgefühl“, erzählt sie. Außerdem stünden normalerweise auch regelmäßige Tourniere an. Auch nach ihrer Schulzeit möchte sie die Kinder weiter betreuen. Daher hofft sie, ihr Studium an der Polizeiakademie in Nienburg absolvieren und später im Landkreis Verden arbeiten zu können. Zusätzlich engagiert sie sich im Jugendvorstand der HSG Verden-Aller und nimmt an Sitzungen des Netzwerks Jugendarbeit und der Lokalen AG „Wir mischen mit“ teil.
Nun freut sie sich allerdings erst mal über den Preis, der ihr nicht nur einen Blumenstrauß und eine Urkunde bringt, sondern auch hilfreiche Kontakte. „Anali steht nun unser Netzwerk offen“, sagt Bernstein-Janßen. „Sie kann sich immer an uns wenden und an unseren Veranstaltungen teilnehmen.“ Die finden aktuell überwiegend online statt.
Aus ihrer südamerikanischen Heimat fehlt Olivero vor allem eines: das Wetter. Sobald es wieder möglich ist, möchte sie sich ins Flugzeug setzen. Viele ihrer Verwandten leben über ganz Südamerika verteilt.