Lemwerder. Die Polizei soll seit Jahresbeginn wegen einer Änderung in der Tierschutzverordnung zum Beispiel beim Einsatz gegen Gewalttäter oder militante Demonstranten auf sogenannte Stachelhalsbänder für ihre Diensthunde verzichten. Das Problem: Die Vierbeiner sind mit Stachelhalsbändern ausgebildet worden und lassen sich in hektischen Situationen nur durch einen kurzen stechenden Schmerz von Beißangriffen abhalten. Solche Strafreize seien jedoch gesetzeswidrig und dürften auch bei Diensthunden nicht vorgenommen werden, warnt der Deutsche Tierschutzbund.
Er verweist auf eine Anfang dieses Jahres in Kraft getretene Novellierung, die ein Gesetz konkretisiere, das bereits seit 1986 gilt. Danach ist es verboten, ein Tier auszubilden oder zu trainieren, wenn damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind.
Diese aktualisierte Regelung gilt natürlich auch in Niedersachsen. Stellt sich die Frage, ob damit die Arbeit der „Facheinheit Rettungshunde Ortungstechnik (RHOT)“ der Gemeinde-Feuerwehr Lemwerder ebenfalls lahm gelegt wird? Ortsbrandmeister Lars Prössler antwortet mit einem unmissverständlichen "Nein" und verweist auf die spezielle Ausbildung der Vierbeiner zu Flächen- oder Trümmer-Suchhunden.
Hunde ausschließlich zur Suche
Der entscheidende Unterschied zum Training für Polizeihunde, so der Ortsbrandmeister, sei der grundsätzliche Verzicht auf das Einstudieren eines Beißangriffes. Prössler: „Unsere Hunde sollen ausschließlich Personen suchen und finden, die sich verirrt oder verlaufen haben oder nach einem Unglück unter Trümmern liegen.“
Flächensuchhunde, so ist ebenfalls auf der Homepage der Gemeinde-Feuerwehr zu lesen, seien in der Lage, innerhalb kurzer Zeit, riesige Flächen abzusuchen. Innerhalb von 20 Minuten könne sich ihre Fahndungsarbeit über 30.000 Quadratmeter erstrecken. Stehe zudem der Wind günstig, nehme der Hund die Witterung noch aus einer Entfernung von hundert Metern wahr. Und wenn er die gesuchte Person gefunden habe, verbelle er sie und verharre bei ihr bis zum Eintreffen seines Hundeführers, erklärt Prössler.
Ausbildung für Trümmersuchhunde
Während die meisten Hunde der RHOT-Einheit Lemwerder zu sogenannten Verbellern ausgebildet werden, gibt es auch „Spezialkräfte“ unter den Vierbeinern: die Trümmersuchhunde. Ihr Training von klein auf an ist anspruchsvoller, müssen sie sich doch eines Tages sicher auf Trümmerlandschaften, unebenen Untergründen und in bedrohlich wirkenden Höhen bewegen können. Auch, weil die Hunde Menschen unter Trümmern nicht sehen, sondern nur mit Hilfe ihres Geruchsinns orten, sei die Ausbildung zeitaufwendig, heißt es auf der Feuerwehr-Homepage. Zumal die Vierbeiner im Ernstfall in der Lage sein müssten, exakt den Punkt anzuzeigen, unter dem sich eine verschüttete Person befindet.
Trümmerhunde der Feuerwehr Lemwerder haben ihre Fähigkeiten nach einem Baustellenunglück in Delmenhorst (Dezember 2015), im Erdbebebengebiet in Nepal (2015),
bei einem Scheuneneinsturz im Mai 2017 in Verden, bei der Explosionskatastrophe im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut (August 2020) bewiesen. Dort wurden 207 Menschen getötet und 6500 verletzt. Zuletzt half die Rettungshundestaffel auch bei der Hochwasserkatastrophe 2021 in Deutschland.
Meistens aber werden die insgesamt 25 Such- und Trümmerhunde der Gemeinde-Feuerwehr in einem rund 100 Kilometer großen Umkreis von Lemwerder eingesetzt. Sie schieben nach ihrem zwei bis drei Jahre währenden Training noch rund zehn Jahre lang Dienst und wohnen bei ihren jeweiligen Hundeführern. Ausgebildet zu Such- und Trümmerhunden werden nach Auskunft von Lars Prössler in erster Linie Schäfer- und Jagdhunde sowie Golden Retriever und Labradors.
Die für die Wesermarsch zuständige Diensthunde-Staffel der Polizei ist in Wilhelmshaven stationiert. Aber auch dort dürften die speziell ausgebildeten Vierbeiner ihren Arbeitsplatz verlieren. Ebenso wie die elf Diensthunde der Bremer Polizei, die bislang bei der Bereitschaftspolizei am Niedersachsendamm auf ihre Einsätze warteten. Die auch im Norden der Hansestadt sein können, wo es nach Information der Pressestelle des Bremer Innensenators keine eigene Hundeeinheit gibt. Im Falle eines Falles mussten die Diensthundeführer mit ihren Tieren, die ebenfalls bei ihnen zuhause sind, also bislang vom Niedersachsendamm nach Bremen-Nord reisen.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer und Bremerhavens Direktor der Polizeibehörde, Harry Götze, haben aber nun angeordnet, den Einsatz von Stachelhalsbändern sofort einzustellen und damit die Gesetzesnovellierung zu beachten. Was nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei die Arbeit der Beamten bei öffentlichen Einsätzen erheblich erschwert und gefährlicher macht. Deshalb plädiert das niedersächsische Innenministerium für eine Ausnahmeregelung, die weiterhin Stachelhalsbänder für Diensthunde erlaubt. Das aber wäre nicht im Sinn des Staatsziels Tierschutz, warnt der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder.