Murdog kann nicht spielen. Mit einem Ball wusste der zehn Monate alte belgische Schäferhund bis vor Kurzem nichts anzufangen. "Der hat den Ball nur angeguckt", stellt Lars Prößler erstaunt fest. Dabei ist Spielen für einen Suchhund – und so einer soll Murdog werden – das Allerwichtigste. "Für den Rettungshund muss es das Beste sein, eine versteckte Person zu finden", weiß Prößler, der mehrfach mit tierischer Begleitung in Katastrophengebieten nach Verschütteten gesucht hat. Murdog soll sein nächster Begleiter werden.
Viermal hat Lars Prößler in den vergangenen acht Jahren mit Pollux und Apple in Trümmern nach Überlebenden gesucht: im Erdbebengebiet von Nepal, nach einer Explosion im Hafen von Beirut, nach der Flut im Ahrtal sowie im Februar dieses Jahres im Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze.
Der elfjährige Pollux darf aufgrund epileptischer Anfälle nicht mehr im Ausland eingesetzt werden. Zu groß die Gefahr, dass er bei einem Einsatz ausfällt und zeitnah kein Ersatz zur Stelle ist. Apple, die neunjährige Suchhündin seiner Ehefrau, begleitete Lars Prößler in den Libanon, ins Ahrtal sowie in die Türkei. Einsätze wie die 18 Suchaufträge in der anatolischen Großstadt Kahramanmaras wird aber auch sie nicht mehr über Jahre hinweg ausführen können, schwant Prößler.
So war dem Ortsbrandmeister der Freiwilligen Feuerwehr Lemwerder, der auch der Rettungshunde- und Ortungstechnikeinheit (RHOT) der Feuerwehr Lemwerder angehört, spätestens zu Beginn dieses Jahres klar: Er muss mit der Ausbildung eines weiteren Trümmer-Suchhundes beginnen. Mit dem zehn Monate alten Murdog ist jetzt nach Pollux und Apple der dritte belgische Schäferhund im Hause Prößler eingezogen. Eine Rasse, die nach Ansicht von Lars Prößler und seiner Ehefrau Bettina Prößler-Dogs beschäftigt werden will. "Die Malinois eignen sich nicht für den Familiengebrauch", ist Bettina Prößler-Dogs überzeugt. "Diese Rasse muss vom Kopf her gefordert werden."
Bevor Murdog das Prößlersche Suchhundteam auffüllte, zu dem auch noch Schäferhund Hans gehört, hat er eine Odysse durchlaufen. Als neun Wochen alter Welpe wurde er von Frankreich nach Deutschland verkauft, wo er ein Dasein als Kettenhund fristete. "Er wurde tagsüber im Hof angeleint und durfte abends mit ins Haus", hat Lars Prößler erfahren. "Der Hof ist das einzige, was Murdog den Tag über gesehen hat", bedauert der Lemwerderaner.
Schließlich habe das Ordnungsamt der Gemeinde Ganderkesee den Halter überzeugt, sich von Murdog zu trennen und ihn ins Tierheim zu geben. Drei Monate saß er dort in Quarantäne. "Einer unserer ehemaligen Hundeführer, der im Ordnungsamt arbeitet, meinte, ich solle mir den Hund mal anschauen", erinnert sich Lars Prößler an einen Tag vor ungefähr fünf Wochen. Mehrmals ging der Lemwerderaner mit Murdog in der Mittagspause spazieren. "Dann habe ich ihn zur Probe mitgenommen."
Lars Prößler ist guter Dinge, dass Murdog dauerhaft bei ihm bleiben wird. "Der ist so wissbegierig", schwärmt Prößler. Dabei kam Murdog ohne jegliches Vorwissen in Bardewisch an. "Wir fangen bei ihm im Kindergarten an, obwohl er eigentlich schon im Grundschulalter ist", sagt Prößler, der festgestellt hat: "Murdog hat eine schnelle Auffassungsgabe."
Aber es hapert am Benehmen. "Der muss erst mal lernen, dass man nicht mit allen vier Pfoten auf der Arbeitsplatte steht oder über Tische und Bänke geht, wenn man eine Fliege jagen will." Kaum hat Prößler das Wort Fliege erwähnt, entdeckt der Junghund in seinem Zwinger ein Insekt und beginnt zu hopsen. Dabei schnappt er fröhlich nach dem kleinen Flieger. Dass sich Murdoch im Zwinger befindet, dient der Eingewöhnung. "Wir lassen unsere Hunde noch nicht zusammen. Damit beginnen wir auf neutralen Plätzen mit Maulkorb, damit nichts passiert", erläutert Prößler."
Im Moment fährt Murdog jeden Morgen mit seinem Halter zur Arbeit. Dort beobachtet er durch die Glastür von Prößlers Büro mit großem Interesse das Treiben auf dem Flur. Am Nachmittag arbeiten der Rettungshundeführer und sein Lehrling am Gehorsam. Befehle wie "Sitz!", "Platz!" oder "Steh!" müssen sitzen. Ebenso das Bei-Fuß-Laufen. Erst wenn Murdog diese Befehle ohne Leine befolgt, kann Lars Prößler ihn auf die Suche nach Personen schicken.
Prößler hofft, den jungen Malinois im kommenden Frühjahr zur Eignungsprüfung anmelden zu können. In einem Jahr soll dann die Einsatztauglichkeitsprüfung folgen. "Wenn er die besteht, darf er in den Einsatz gehen." Bevor Murdog mit Lars Prößler an einem Auslandseinsatz teilnehmen dürfte, ist in zwei bis zweieinhalb Jahren eine weitere Prüfung zu absolvieren.