Um es vorweg zu schicken: Das Verhältnis zwischen Hund und Mensch besteht aus vielen Missverständnissen. Das größte dürfte sein, dass sich einige einen Vierbeiner als Kinderersatz halten. Manche sehen ihn als Partner mit der kalten Schnauze. Für viele ist er ein vollwertiges Familienmitglied – so weit das eben geht. Ja, sie sind drollig. Ja, sie können so süß schauen, brav Pfötchen geben, alle möglichen Tricks vollführen und im besten Fall selbstständig die Zeitung aus dem Briefkasten holen. Ja, sie sind treu und merken, wenn es einem schlecht geht. Dann kuscheln sie sich liebevoll an ihren Besitzer. Zugegeben, für Menschen mit Behinderung ermöglichen sie einen Alltag, der plötzlich wieder Lebensqualität bietet.
Es gibt aber auch die anderen Hunde. Die mit den gefletschten Zähnen, mit den Muskelkörpern wie von Bodybuildern, mit den wütenden, rot unterlaufenen Augen. Es handelt sich um Kampfmaschinen. Sicher, sie bilden Ausnahmen. Aber sie sind eben da, selbst wenn das Hundebesitzer ungern wahrhaben wollen. Deshalb sind die Empörung und der Schrecken in der Gesellschaft stets riesig, wenn diese Monster zuschlagen. Anfang dieses Monats biss ein Staffordshire-Terrier-Mischling in Hannover seine 52 Jahre alte, im Rollstuhl sitzende Besitzerin und deren 27 Jahre alten Sohn tot. Genau eine Woche später kam es in Bad König im hessischen Odenwald zu einem weiteren Vorfall. Ein einziger Biss des Staffordshire-Mix genügte, und der sieben Monate alte Jannis starb, weil das Tier die Fontanelle des Kindes traf.
Wer sich in diesen beiden Fällen die brutalen Szenen wie aus einem Horrorfilm vorstellt, kann keine Sekunde zögern und muss zu dem Entschluss gelangen: Diese Tiere gehören eingeschläfert. Sofort! Zu hart? Nein. Nach diesen unfassbaren Vorfällen kann es keine andere Einschätzung geben, weil alles andere das Tier- über das Menschenwohl stellen würde. Das wäre ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen der Opfer, die ein Leben lang mit dem Verlust umzugehen haben. Im Klartext: Solche Kampfhunde haben die Chance auf eine Resozialisierung verwirkt.
Hunde sind keine Menschen
Überhaupt: Auch wenn Hunde und Menschen seit Tausenden von Jahren zusammenleben, sind Hunde keine Menschen. Was also für eine Resozialisierung, bitteschön? Allein in dem brutalen Fall von Hannover waren es jedoch mehr als 250.000 Unterzeichner einer Online-Petition, die glaubten, dass Mensch und Tier gleichwertige Lebewesen sind. Sie kämpften mit „Lasst Chico leben“- und „Free Chico“-Plakaten für die Freilassung des Vierbeiners, als sei er ein zu unrecht Gefangener.
Der Kampf für eine artgerechte Haltung beginnt aber schon viel früher. Indem Kampfhunde nicht als Familienhunde oder als Spielzeug für Kinder angeschafft werden. Weil sie nie nett sein werden, sich ihr Wesen nie und schon gar nicht für immer unterdrücken oder verändern lässt. Es liegt in ihnen. Und es ist beileibe nicht so, dass erst der Mensch sie aggressiv macht, sondern sie sind bereits in ihrer Genetik so angelegt, wie der österreichische Verhaltensforscher Kurt Kotrschal nahelegt. Allein deshalb ist es völlig flachsinnig, solche Hunde als Statussymbol zu halten. So ein Statussymbol hat keiner nötig. Garantiert nicht!
Eine deutschlandweite Regelung zur Haltung von Kampfhunden gibt es nicht. Welche Rassen als gefährlich gelten, listen die einzelnen Bundesländer auf. In Bremen gehören Staffordshire-Bullterrier, American Staffordshire-Terrier, Bullterrier und Pitbull-Terrier zu den gefährlichen Rassen. In Niedersachsen besteht keine Rasseliste, und das Bundesland stellt keine besonderen Pflichten an die Halter besonders gefährlich eingestufter Hunde. Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt drei bis vier Menschen an Hundeangriffen. Das Statistische Bundesamt zählte von 1998 bis 2015 insgesamt 64 Todesopfer. In einer Dissertation, die Beißstatistiken der Bundesländer für 2012 auswertet, werden knapp 3000 Hundebisse an Menschen aufgeführt.
Erschreckende Zahlen, die noch unverständlicher erscheinen, wenn man bedenkt, dass sich viele einen Hund zulegen und keinerlei Ahnung davon haben, was es bedeutet, sich um das Lebewesen zu kümmern. Wie bei einem Spontankauf im Supermarkt holen sie sich den Vierbeiner nach Hause, ohne die Folgen einzuschätzen. Um vielen die Augen zu öffnen, wäre ein bundesweit verbindlicher Hundeführerschein angebracht. Denn ein Hund benötigt mindestens genauso viel Erziehung und Aufmerksamkeit wie ein Baby – wo wir ungewollt wieder bei der Vermenschlichung des Tieres wären.