Der Staffordshire-Terrier-Mischling Chico hat zwei Menschen in Hannover totgebissen. Dieselbe Rasse steckt dem ersten Anschein nach auch in Kowu, der den kleinen Jannis im hessischen Odenwald getötet hat. Staffordshire-Bullterrier ist eine von vier Rassen, die auf allen Listen gefährlicher Hunde steht, vorausgesetzt die Bundesländer haben – wie Hessen – überhaupt eine, sagt Kathrin Roiner. Die Tierärztin aus Mainz hat ihre Doktorarbeit über Hundebisse geschrieben. Könnte ein Verbot der „Kampfhund-Rassen“ tödliche Attacken verhindern? Nein, sagen Fachleute und fordern stattdessen einen bundesweit verbindlichen „Hundeführerschein“.
Seit der kleine Volkan vor 18 Jahren in Hamburg von zwei freilaufenden American-Staffordshire-Mischlingen auf einem Schulhof zu Tode gebissen wurde, werde über ein Verbot diskutiert, sagt Professor Hansjoachim Hackbarth von der Tierärztlichen Hochschule Hannover (Tiho). Wesenstests und Listen gefährlicher Hunde seien eine Folge gewesen – ohne überzeugenden Erfolg. „Die Gefährlichkeit eines Hundes hängt überhaupt nicht von der Rasse ab“, sagt der Fachmann. Das hätten Wesenstests gezeigt.
Das sieht auch die hessische Landestierschutzbeauftragte Madeleine Martin so. „Viele Leute haben nicht im Ansatz eine Vorstellung, was es heißt, einen Hund zu haben“, begründet sie die Forderung nach der Einführung eines deutschlandweit verbindlichen Hundeführerscheins. Sie kauften die Tiere nach Aussehen, Rasse oder Farbe – manchmal mit drei Klicks im Internet. „Wir setzen auch keinen ans Steuer, der nicht Auto fahren kann.“ Es liege einzig und allein am Halter und dem Verhältnis Halter-Hund, sagt auch Hackbarth. „Die meisten Leute haben keine Ahnung von Hunden.“ So mancher glaube, sein Hund lächle ihn an, wenn er knurrt.
Roiners hat in ihrer Doktorarbeit die Beißstatistik und den Hundebestand von 2012 in den Bundesländern untersucht: „Nirgendwo waren nur die gelisteten Hunde auffällig.“ Also die als gefährlich eingestuften. Und: „Die meisten Vorfälle passieren mit dem eigenen Hund.“ Also nicht wie es damals bei Volkan geschah, sondern so wie jetzt in Hannover und in Bad König im Odenwald. Meist bissen die Tiere in der direkten Aktion zu, Hundebesitzer übergingen oder übersähen zuvor oft Warnsignale. „Viele Unfälle passieren, weil die Leute nicht so viel Ahnung von hundetypischem Verhalten haben.“
Zwar gilt ausgerechnet Niedersachsen mit seiner Sachkundeprüfung anstelle einer Liste gefährlicher Hunde bei den Fachleuten als Vorreiter. Doch muss diese Prüfung nur ablegen, wer sich nach dem 1. Juli 2011 einen Hund zugelegt hat, wie Dunia Thiesen-Moussa von der verhaltensmedizinischen Sprechstunde für Tiere an der Hochschule Hannover berichtet.
Prüfung erst seit 2011
Chicos Halter fiel noch nicht darunter. Vielmehr hatte das Veterinäramt genau 2011 vom Amtsgericht Hinweise auf eine gesteigerte Aggressivität des Hundes und eine mangelnde Eignung des Halters erhalten. Anfang April dieses Jahres biss der Mischlingshund dann den inzwischen 27-Jährigen und seine Mutter tot. Die Frau saß im Rollstuhl, er sei ebenfalls körperlich beeinträchtigt gewesen, sagt Hackbarth. Am Mittwoch hatte die Tiho Chico untersucht.
Dabei sei es darum gegangen, ob dem am Kiefer erkrankten Hund für einen Wesenstest ein Maulkorb angelegt werden kann, sagte eine Sprecherin. Ob die Hochschule den Hund nun einem Wesenstest unterzieht, konnte sie noch nicht sagen. Danach erst will die Stadt Hannover entscheiden, ob der Staffordshire-Terrier-Mischling eingeschläfert wird.
Die Sachkundeprüfung in Niedersachsen, die Hackbarth mitentwickelt hat, zeigt nach seiner Ansicht in der Praxis Wirkung. Thiesen-Moussa findet die Prüfung, die sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil untergliedert, etwas „sehr einfach“. Der praktische Teil könne sogar mit einem fremden Hund abgelegt werden. Der „Hundeführerschein“ an sich sei aber richtig.